Russland hat seit weniger als einer Woche den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne und schon muss der erste Skandal verarbeitet werden. Während einer von Russland anberaumten, informellen Sitzung zum Thema "Evakuierung von Kindern aus Konfliktzonen" verließen die Delegationsmitglieder der USA, Großbritanniens, Albaniens und Maltas aus Protest den Sitzungssaal.
Der Anlass: Für einen Vortrag war Maria Lwowa-Belowa, die russische Beauftragte für Kinderrechte, per Video zugeschaltet worden. Gegen sie hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag im März einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen erlassen. Sie soll für die Deportation von Kindern aus den besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland verantwortlich sein. Großbritannien und die USA blockten außerdem die Übertragung der Sitzung ins Internet. Jede teilnehmende Delegation hat das Recht dazu.
Lwowa-Belowa nutzte die Sitzung, um sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, und zeigte eine Reihe von Videos, in denen angebliche Ukrainerinnen behaupteten, ihre Kinder würden unter anderem in Deutschland in fremden Familien festgehalten. Weitere Videos zeigten Lwowa-Belowa, wie sie Kinder im Krankenhaus besucht und ihnen Spielsachen schenkt.
Was andere Länder Russland vorwerfen, wirft Moskau nun ihnen vor
Anschließend erklärte sie vor dem Hintergrund einer russischen Flagge und einer orthodoxen Jesus-Ikone, man habe die Kinder aus dem Kriegsgebiet evakuiert, unter anderem aus Mariupol. Sie würden wieder zu ihren Familien in die Ukraine zurückgeschickt werden, wenn es eine entsprechende Anfrage gäbe, behauptete Lwowa-Belowa. Belege gibt es für diese Behauptungen keine.
Manches, etwa die Aussage, die Ukraine hätte kein Problem damit gehabt, dass Kinder monatelang in Kellern ausharren mussten und nicht zur Schule gehen konnten, wirkt angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine geradezu absurd. Mariupol wurde monatelang von der russischen Armee belagert und zu großen Teilen zerstört. Lwowa-Belowa soll auch selbst ein Kind aus der Hafenstadt "adoptiert" haben.
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Künftig können russischen Wehrpflichtigen die Einberufungsbescheide digital zugestellt werden. Ungarn unterläuft mit weiteren Gas-Importen aus Russland das Bestreben der EU, bei der Energieversorgung unabhängig zu werden.
Auch der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensja, behauptete, ukrainische Kinder würden von ihren Familien getrennt und in westeuropäische Länder gebracht werden.
Die UN-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield, erklärte den Boykott der Sitzung damit, dass Russland den Vorsitz des Sicherheitsrats missbrauche, um falsche Informationen zu verbreiten. Auf Twitter schrieben Vertreter Großbritanniens bei der UN: "Wenn Maria Lwowa-Belowa sich für ihre Taten rechtfertigen möchte, dann kann sie das in Den Haag tun."
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Es ist eine häufig angewandte rhetorische Strategie russischer Diplomaten, Vorwürfe gegen Russland einfach auf andere Nationen umzumünzen, ohne Beweise für die Anschuldigungen zu liefern, oder einfach neue Behauptungen aufzustellen, die vom Gegenüber dann erst mühsam widerlegt werden müssen. Diplomatische Prozesse werden so oft blockiert oder gebremst.
Die russische Delegation will den Sicherheitsrat offensichtlich für Propaganda-Zwecke nutzen
Der dreiste Auftritt Lwowa-Belowas - immerhin eine mutmaßliche Kriegsverbrecherin - vor dem UN-Sicherheitsrat schürt nun die Sorge vor dem weiteren Verlauf des Monats April, in dem Russland den Vorsitz dieses Gremiums innehat. Es zeichnet sich bereits ab, dass die russische Delegation kein Interesse an einem konstruktiven Austausch hat, sondern den Rat für Propaganda-Zwecke nutzen will und versucht, die Institution zu untergraben. Der Auftritt ist jedenfalls kaum anders zu verstehen.
Die Ukraine hatte die Übernahme des Vorsitzes durch Russland bereits als Schande bezeichnet und eine Reform gefordert. Russland ist neben China, Frankreich, den USA und Großbritannien ständiges Mitglied des Rats, die anderen Mitglieder wechseln regelmäßig und der Vorsitz wird monatlich nach alphabetischer Reihenfolge vergeben.
Für den weiteren Verlauf des Aprils hat die russische Delegation bereits eine Sitzung zum Nahen Osten und dem "Verstoß gegen die Regularien zum Export von Waffen" angekündigt, womit wohl die Waffenlieferungen an die Ukraine gemeint sein werden. Mindestens eine der Sitzungen soll vom russischen Außenminister Sergej Lawrow geleitet werden.