Russische Invasion:Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

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Ein ukrainischer Soldat der 31. Brigade feuert eine D-30-Kanone auf russische Stellungen an der Frontlinie. (Foto: Libkos/AP/dpa)

Immer wieder fordert der ukrainische Präsident seine Landsleute zum Zusammenhalt gegen Russland auf. Trotzdem drücken sich viele vor dem Kriegsdienst - jetzt hat Selenskyj genug. Die News im Überblick.

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Kiew/Moskau (dpa) - Angesichts weit verbreiteter Korruption hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj landesweit die Chefs aller Wehrersatzämter entlassen. Damit reagierte die Regierung in Kiew auf zahlreiche Fälle, in denen wehrpflichtige Männer Bestechungsgeld zahlten, um nicht zum Verteidigungskrieg gegen Russland eingezogen zu werden. Deshalb wurden bereits mehr als hundert Strafverfahren eingeleitet. Die Ukraine verteidigt sich inzwischen seit mehr als 17 Monaten gegen den Einmarsch russischer Truppen. Bei der Gegenoffensive kommt ihre Armee nur mühsam voran.

Auch am heutigen Freitag gab es wieder schwere Kämpfe mit zahlreichen Toten, darunter auch Zivilisten. Abermals waren beide Hauptstädte Ziel von Angriffen. Kiew wurde nach Angaben der dortigen Behörden mit russischen Hyperschallraketen „Kinschal“ angegriffen, die aber weitgehend abgefangen werden konnten. Im Westen von Russlands Hauptstadt Moskau stieg nach einem Angriff mit einer Drohne eine Rauchsäule auf. Bürgermeister Sergej Sobjanin zufolge wurde niemand verletzt. Der Flughafen Moskau-Wnukowo stellte sicherheitshalber vorübergehend den Betrieb ein.

USA kündigen weiteres Milliardenpaket an

Aus den USA kann die Ukraine nach mehr als anderthalb Jahren Krieg mit einem weiteren milliardenschweren Hilfspaket rechnen. Präsident Joe Biden will den Kongress dazu um insgesamt 13 Milliarden US-Dollar (11,8 Milliarden Euro) Militärhilfe bitten.

Außerdem verhängt die US-Regierung Sanktionen gegen vier „prominente Mitglieder der russischen Finanzelite“. Sie alle seien mit der Alfa Gruppe, einer der größten Finanz- und Industriekonzerne in Russland, verbunden, teilte das US-Außenministerium mit. „Die Vereinigten Staaten werden weiterhin alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Russlands Krieg gegen die Ukraine ermöglichen und davon profitieren“, hieß es.

In Deutschland nahm die Debatte um weitere Waffenlieferungen Fahrt auf. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerät zunehmend unter Druck, die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zu erlauben. Auch aus der eigenen Koalition mehren sich Forderungen, der Ukraine das Waffensystem zu überlassen, mit dem Bunker und Gefechtsstände auf bis zu 500 Kilometer Entfernung zerstört werden können. Der Kanzler sagte dazu der „Thüringer Allgemeinen“: „Es gibt in dieser Frage keinen neuen Sachstand mitzuteilen.“

Selenskyj: Bestechlichkeit ist „Landesverrat“

Mit der Entlassung der Gebietsleiter aller Ersatzämter will Selenskyj die verbreitete Praxis beenden, sich mit Geld illegal vom Kriegsdienst freikaufen. In Kriegszeiten bedeute Bestechlichkeit „Landesverrat“, sagte er in einer Videoansprache. Künftig sollten für Einberufungen auch ehemalige Frontkämpfer zuständig sein - solche, die „nicht mehr in den Gräben sein können, weil sie ihre Gesundheit, ihre Gliedmaßen verloren, doch dabei ihre Würde bewahrt haben und nicht zynisch sind“. Insgesamt wurden 112 Ermittlungsverfahren gegen Beschäftigte von Wehrersatzämtern eingeleitet.

Preise von mehreren Tausend Euro

Für besonderes Aufsehen sorgte der Fall des bereits entlassenen Behördenchefs von Odessa. Er soll seit Kriegsbeginn mehrere Millionen Euro kassiert haben. Die Preise für Dokumente über eine Bescheinigung der Untauglichkeit oder Rückstellungen liegen bei Tausenden Euro. In der Ukraine gilt seit Kriegsbeginn eine allgemeine Mobilmachung. Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren dürfen nun mit wenigen Ausnahmen nicht mehr ausreisen. Die Vereinten Nationen haben bisher mehr als 9000 getötete Zivilisten registriert. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen.

Wieder mehrere Zivilisten unter den Opfern

In der Drei-Millionen-Stadt Kiew waren am Freitag ein halbes Dutzend Explosionen von Raketen zu hören. Nach Angaben der Militärverwaltung wurden Raketentrümmer in einem nördlichen Stadtbezirk gefunden, auch auf dem Gelände eines Kinderkrankenhauses. Über Verletzte wurde zunächst nichts bekannt. Bei Angriffen im Süden und Osten des Landes wurden nach offiziellen Angaben mehrere Zivilisten durch russischen Beschuss getötet oder verletzt. Die Militärverwaltung der nordöstlichen Region Charkiw berichtete ebenfalls über massiven russischen Beschuss. Unabhängig lassen sich Angaben aus dem Kriegsgebiet oft nicht direkt überprüfen.

Ukrainische Gegenoffensive kommt kaum voran

Zuvor hatte Selenskyj seine Landsleute zum wiederholten Male aufgefordert, den Widerstandswillen nicht zu verlieren. „Wir vergessen nicht unser Hauptziel - den Krieg zu gewinnen und das Land nicht zu verlieren“, sagte der Präsident in seiner abendlichen Videoansprache. Seine Truppen stehen derzeit insbesondere an vielen Frontabschnitten im Süden und Südosten unter Druck. Dem Bericht des Generalstabs in Kiew zufolge rückten die ukrainischen Truppen am Donnerstag nur an zwei Stellen vor. Am Freitag dauerte der Krieg bereits 534 Tage.

Selenskyj: Arbeiten an alternativen Getreide-Exportrouten

Wegen der Blockade der Schwarzmeerhäfen durch Russland arbeitet die Ukraine nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj intensiv am Ausbau alternativer Exportrouten für Getreide. „Wir tun alles, was möglich ist, damit die Ukraine weiter ein Garant für Ernährungssicherheit ist“, sagte Selenskyj am Freitag in seiner abendlichen Videoansprache. Auch brauche die Bevölkerung der Ukraine Zugang zu den Weltmärkten. Der Präsident berichtete in Kiew, er habe mit den Chefs von Armee, Geheimdienst und Marine sowie Regierungsvertretern über dieses Thema beraten.

© dpa-infocom, dpa:230811-99-808099/6

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