Nordrhein-Westfalen:Möge der Pott blühen

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Vorbei die Zeiten, als in Bochum oder auch Essen, wo dieser Förderturm steht, die Sonne verstaubte. Doch der Ballungsraum will noch grüner werden - und sich für den Klimawandel rüsten. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Einst träumte das Ruhrgebiet von blauem Himmel, nun will es die "grünste Industrieregion der Welt" werden.

Von Christian Wernicke

Pläne gab es schon viele für das Ruhrgebiet - für dieses "starke Stück Deutschland", wie sich "der Pott" gern nennt. Nun gibt es einen neuen: Bis zum Jahr 2035 will die Heimat von (einst) Kohle und (noch) Stahl zur "grünsten Industrieregion der Welt" werden. Die Uhr tickt also, es bleiben elf Jahre.

Verkündet hat die Vision soeben der Regionalverband Ruhr (RVR), der eher lose Zusammenschluss von elf Großstädten und vier Kreisen zwischen dem Kreis Wesel am Niederrhein und Hamm in Westfalen: mehr Radwege, mehr Parks und Wälder, mehr Gewässer und Auen. Aufgeschrieben haben die Ruhr-Politiker ihren Plan auf beinahe einhundert Seiten, als "Strategie Grüne Infrastruktur". Mit 27 Zielen und sechs Dutzend Projekten, nach acht Jahren Vorarbeit mithilfe von 250 Experten. Der Ballungsraum mit seinen mehr als fünf Millionen Bürgern muss sich für den Klimawandel rüsten - gegen Starkregen, gegen Hitze in den Innenstädten und Dürre auf den Äckern. All dies umzusetzen, werde "massive Investitionen im Milliardenbereich" verlangen, räumt Garrelt Duin ein, der neue RVR-Direktor. Vom Staat, aber vor allem von privaten Investoren.

Grün ist nun mal die Farbe der Hoffnung. Und Optimisten im Revier können ja darauf verweisen, anno 1961 sei auch ein gewisser Willy Brandt zunächst belächelt worden, als er forderte, der Himmel über der Ruhr müsse "wieder blau werden". Fünfzig Jahre später meldete das Umweltbundesamt Vollzug. Und auch die Emscher, ein Jahrhundert lang die Abwasserkloake des Ruhrgebiets und als "Köttelbecke" verspottet, wurde in den vergangenen 15 Jahren aus ihrem Betonbett befreit und zu einem beschaulichen Flüsschen renaturiert.

Vier Millionen Setzlinge sind schon im Boden

Tatsächlich sind einige Ziele des Ruhr-Plans durchaus realistisch, etwa die Vorgabe, in den Wäldern der Region bis zum Jahr 2027 fünf Millionen Bäume zu pflanzen: Die Sache läuft längst, vier Millionen Setzlinge sind bereits in der Erde. Auch an abstrakteren Zielen wie den Umbau des Ballungsraums zur Schwammstadt wird längst malocht: Bochum hat sich zu dieser Vision bereits verpflichtet. Der RVR regt nun an, langfristig 50 Prozent aller Flachdächer zu und wenigstens fünf Prozent aller Fassaden zu begrünen - zur Kühlung im Hochsommer und zur Entlastung der Kanalisation bei Dauerregen. Gleichzeitig seien auf den Dächern 1,2 Millionen Solaranlagen möglich - bisher laufen erst 90 000.

Dennoch, der "Ruhri" ist gelernter Skeptiker. Von der 2018 vom damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet angestoßenen "Ruhrkonferenz" haben die meisten Menschen im Revier nie einen Impuls verspürt. Und ein anderes Modellprojekt - der Bau eines Radschnellwegs von Moers nach Hamm - wird allmählich zur Lachnummer: Vor 15 Jahren angedacht und auf 118 Kilometer angelegt, sind bis heute kaum 20 Kilometer befahrbar. Einsprüche von Anwohnern, fehlende Planer und Unstimmigkeiten an den Stadtgrenzen blockieren den Fortschritt.

Die Ruhr-Strategen lassen sich davon nicht entmutigen. Alle 53 Städte hätten doch sämtlichen Zielen zugestimmt. Der RVR muss hoffen, dass alle die Rathäuser ihre grünen Versprechen halten. Strafen bei Wortbruch sieht ihr Plan nicht vor.

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