Die Geschehnisse rund um die "Querdenken"-Demonstration in Leipzig erschüttern Sachsens Regierungskoalition. Von einem "Dissenz" bei der Bewertung des Versammlungsgeschehens sprach der stellvertretende Ministerpräsident Wolfram Günther (Grüne) am Dienstag. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) bezeichnete die kontroverse Diskussion um den Umgang der Sicherheitsbehörden mit den zum Teil gewalttätigen Anti-Corona-Protesten als "Belastungsprobe für die Koalition".
Am Wochenende hatten sich in der Leipzig Innenstadt Zehntausende versammelt, um gegen die Pandemie-Schutzmaßnahmen zu protestieren. Weil sich die Mehrheit der Demonstranten weigerte, Masken zu tragen und Abstandsregeln einzuhalten, wurde die Demonstration nach zweieinhalb Stunden aufgelöst. Trotzdem versammelten sich "Querdenken"-Teilnehmer zu einem nicht genehmigten Protestzug. Immer wieder kam es zu Angriffen auf Journalisten und Polizei, die trotz gewalttätiger Auseinandersetzungen defensiv reagierte.
Linke, AfD und Grüne in Sachsen fordern Wöllers Rücktritt
Seitdem stehen die sächsischen Sicherheitsbehörden bundesweit in der Kritik. In Sachsen fordern Linke, AfD, aber auch die an der Regierung beteiligten Grünen den Rücktritt von Innenminister Roland Wöller (CDU). Der hatte Kritik an der Polizei am Wochenende als "völlig abwegig und unsachlich" zurückgewiesen und das Versammlungsgeschehen als "überwiegend friedlich" eingeschätzt.
Der Grüne Wolfram Günther teilt diese Bewertung nicht. "Diese Demonstration war eben nicht friedlich", sagte er. Die Polizeibeamten seien zurück gewichen vor Gewalttätern: "Das darf nicht passieren." Solche Szenen dürften sich nicht wiederholen.
Zu diesem Zweck hat das Kabinett am Dienstag die Regeln für Versammlungen verschärft. Die Zahl von Demonstrationsteilnehmern soll künftig auf 1000 begrenzt sein, um die Kontrolle und Durchsetzung von Auflagen zu vereinfachen. Großkundgebungen wie am Wochenende wird es in Sachsen also auf absehbare Zeit nicht mehr geben.
Wöller räumt ein, dass es gewaltbereite Rechtsextreme auf der Demo gab
Doch Wirtschaftsminister Martin Dulig machte auch klar, dass formale Beschlüsse nicht ausreichen, um die Konflikte innerhalb der Koalition aufzulösen. Von der CDU forderte er, die eigene "Konflikt- und Kritikfähigkeit zu überprüfen." Den Forderungen nach einem Rücktritt des Innenministers schloss er sich jedoch nicht an. "Das größte Problem heißt nicht Roland Wöller oder Querdenken - sondern Corona." In der Pandemie brauche es eine handlungsfähige Regierung.
Wöller selbst traf anschließend auch noch vor die Presse und blieb bei seiner ursprünglichen Bewertung. Er räumte jedoch ein: "Ja, es gab Gewalt." Zum ersten Mal erwähnte er, dass sich auch gewaltbereite Rechtsextreme und Hooligans an den Auseinandersetzungen beteiligt hatten. Dass er das nicht schon früher getan hatte, begründete er mit dem Fehlen von Informationen.