Doch mit ein paar Tweets lässt sich die Abkupferei-Affäre nicht so schnell beenden. Das liegt nicht nur daran, dass 23 Millionen Amerikaner die Rede von Melania Trump im Fernsehen gesehen haben und das Thema daher viele Leute interessiert. Die Episode illustriert zum wiederholten Mal, wie amateurhaft die Organisation des Kandidaten Donald Trump arbeitet. Offenbar hat hier niemand alle Fäden in der Hand.
Der ganze Trubel wäre mithilfe kostenloser Duplikat-Finder-Programme leicht vermeidbar gewesen. Außerdem hatten zumindest einige Mitarbeiter des Trump-Teams eine ganz andere Rede im Sinn: US-Journalisten fanden heraus, dass mit Matthew Scully und John McConnell zwei renommierte Autoren beauftragt wurden, einen Entwurf für Melania Trump zu schreiben. Beide schrieben an jenem Text mit, mit dem sich George W. Bush nach den 9/11-Anschlägen an die Amerikaner wandte.
Wie die New York Times recherchierte, lieferten die beiden im Juni auch tatsächlich einen Entwurf ab - und hörten nie wieder von der 46-jährigen Melania Trump oder deren Beratern. Weil der gebürtigen Slowenin der Entwurf von Scully nicht gefiel, holte sie sich die Unterstützung von Meredith McIver - mit dem desaströsen Ergebnis, dass nun niemand mehr über den Inhalt der Rede spricht, sondern nur über das dreiste Copy-and-Paste.
Dass weder der erfahrene Wahlkampfchef Paul Manafort (mehr über seine Karriere) noch ein anderer Stratege von der eigenmächtigen Aktion erfuhr, ist das offensichtlichste Zeichen von mangelnder Professionalität. Es gibt zahlreiche andere Beispiele, die Insider-Medien wie Politico dokumentieren - etwa im Artikel "11 Dinge, die Trump nicht gemacht hat, bevor er seinen Vize präsentiert". Auch hier zeigt sich, wie unprofessionell Trumps Team agiert.
Im Bezug auf künftige Redebeiträge ist jedoch garantiert: Sämtliche Reden, die die Mitglieder der Trump-Familie (Eric in der Nacht auf Donnerstag sowie Tochter Ivanka und Donald selbst in der Nacht auf Freitag) beim Parteitag noch halten werden, dürften ganz genau auf etwaige Ähnlichkeiten zu historischen Vorbildern überprüft werden.
Linktipps:
- Die Erklärung von Meredith McIver, versehen mit dem goldenen Logo der Trump Organization, ist hier als PDF nachzulesen.
- Im aktuellen New Yorker spricht ein anderer Ghostwriter über seine Arbeit mit Donald Trump: Tony Schwartz verfasste mit dem Unternehmer das Buch "The Art of Deal". Heute würde er ein Buch über Trump "Der Soziopath" nennen.