OECD-Studie:Deutschlands Ausbildungsniveau fehlt die Mitte

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Facharbeiter aus Somalia in einem Betrieb in Baden-Württemberg. Der Anteil junger Menschen in Deutschland, die weder Abitur noch eine Berufsausbildung gemacht haben, ist gestiegen. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

In Deutschland sind immer mehr junge Erwachsene gut ausgebildet - aber auch immer mehr schlecht, vielen fehlt es überhaupt an einer Ausbildung. Am Geld allein liegt das nicht.

Von Kathrin Müller-Lancé

Zuerst die gute Nachricht: Der Anteil der gut ausgebildeten jungen Menschen in Deutschland steigt. Die schlechte Nachricht: Die Zahl derjenigen mit schlechter oder gar keiner Ausbildung steigt ebenfalls. Das geht aus der Studie "Bildung auf einen Blick 2023" hervor, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Dienstag vorgestellt hat. Nicola Brandt, Leiterin des OECD Berlin Centre, spricht angesichts der Daten von einer "Polarisierung" der Bildung in Deutschland.

So lag 2015 der Anteil der 25- bis 34-Jährigen mit abgeschlossenem Studium an einer Hochschule oder Berufsakademie bei 30 Prozent, 2022 waren es 37 Prozent. Der Anteil derer aber, die weder Abitur noch eine Berufsausbildung gemacht haben, wuchs im gleichen Zeitraum von 13 Prozent auf 16 Prozent an. Damit entwickelt sich Deutschland sogar gegen den internationalen Trend: In fast allen anderen OECD-Ländern ist der Anteil der jungen Erwachsenen ohne Abitur und Ausbildung in den vergangenen Jahren gesunken.

Der Anteil junger Menschen, die eine Ausbildung abgeschlossen haben, ging in Deutschland sogar so stark zurück wie in keinem anderen OECD-Land: von 51 Prozent 2015 auf 38 Prozent 2022. "Das kann sich ein Industriestaat wie Deutschland, der ohnehin unter Fachkräftemangel leidet, eigentlich nicht leisten", sagt Brandt.

Grundsätzlich stellt die Studie Deutschland ein gutes Zeugnis aus

Dabei stellt die Studie, die den Schwerpunkt in diesem Jahr auf die berufliche Bildung legt, Deutschland in diesem Bereich grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus. Das duale System ist stark, bei 89 Prozent der Auszubildenden sind Schule und Beruf verzahnt. 94 Prozent der Absolventen werden später eingestellt, nur in Island ist die Rate noch höher. Wie also kann es sein, dass in Deutschland trotzdem so viele junge Menschen gar kein Abitur oder gar keinen Ausbildungsabschluss haben?

Das lasse sich sicher durch den Druck erklären, dem das deutsche Bildungssystem insgesamt ausgesetzt sei, sagt Nicola Brandt. Also zum Beispiel damit, dass der Migrationsanteil höher ist als in anderen Ländern, und dass aufgrund des Lehrermangels Personal fehlt, das sich um schwerer lernende Kinder besonders kümmern könnte.

16 Prozent der jungen Menschen haben weder Abitur gemacht noch eine Berufsausbildung absolviert. Mechaniker in einer KfZ-Werkstatt. (Foto: David-Wolfgang Ebener/DPA)

Auch bei den Bildungsausgaben ergibt sich in der Studie ein geteiltes Bild: 2020 gab Deutschland gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) weniger Geld für Bildung aus als der Durchschnitt der OECD-Länder: Hierzulande waren es 4,6 Prozent des BIP, im Schnitt aller Länder 5,1. Dafür zahlte Deutschland pro Schüler mehr als viele andere Länder. Pauschal lässt sich also nicht sagen, dass Deutschland zu wenig in Bildung investiert - es bleibt aber die Frage, wofür das Geld verwendet wird.

Die Studie zeigt, dass Deutschland umso mehr Geld für Bildung bezahlt, je älter die Schülerinnen und Schüler werden. In anderen Ländern sieht das anders aus, Luxemburg und Island geben zum Beispiel für die erste bis zur siebten Klasse fast 60 Prozent ihres Bildungsbudgets aus. In Deutschland liegt der Anteil bei 45 Prozent. "Wenn die Zahl derer steigt, die keinen guten Abschluss machen, müsste man eigentlich gerade in diesen Bereich investieren", sagt Nicola Brandt.

Das Gehalt der Lehrer in Deutschland ist deutlich höher als im OECD-Durchschnitt

Schließlich liefert die Studie noch eine Erkenntnis, die angesichts des Lehrermangels vielleicht eher überrascht: Im internationalen Vergleich verdienen die deutschen Lehrkräfte gut. Das Jahresgehalt für einen ausgebildeten Lehrer mit 15 Jahren Berufserfahrung in der oberen Sekundarstufe, also zum Beispiel am Gymnasium, liegt bei rund 76 000 Euro, kaufkraftbereinigt und umgerechnet sind das etwa 97 000 US-Dollar. Im Durchschnitt der OECD-Staaten liegt das Jahresgehalt bei 53 500 US-Dollar.

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Das zeige, sagt Nicola Brandt, dass es für den Lehrermangel noch andere Gründe geben müsse als das Gehalt. So stellten sich zum Beispiel die Fragen, welchen Anteil der Arbeitszeit der Unterricht ausmacht und welchen die Verwaltungsarbeit, wie gut Teamarbeit an den Schulen funktioniert und wie sehr Lehrerinnen und Lehrer sich anerkannt fühlen.

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