Neue Regierung:Warum diese große Koalition gut werden könnte

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Die Vorsitzenden von SPD, CDU und CSU unterzeichnen den Koalitionsvertrag. (Foto: Getty Images)

Selten war eine Koalition bereits beim Start derart erschöpft wie diese. Trotzdem könnten die kommenden Jahre für die Regierung gut laufen - aus zwei Gründen.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Natürlich hat die neue große Koalition gewaltige Makel. Union und SPD haben bei der Bundestagswahl zusammen fast 14 Prozentpunkte verloren. Angela Merkel und Horst Seehofer haben erheblich an Autorität eingebüßt, die SPD-Granden sowieso.

Zum ersten Mal folgt auf eine große Koalition eine weitere - wohin derlei führen kann, zeigt das Beispiel Österreich. Und das Personal der neuen Regierung ist verglichen mit dem der ersten großen Koalition zweitklassig. Im Kabinett von Kurt Georg Kiesinger saßen Willy Brandt, Gustav Heinemann, Franz Josef Strauß, Carlo Schmid, Herbert Wehner, Karl Schiller - prägende Politiker der Nachkriegsgeschichte.

Merkels neue Regierung ist dagegen voller Novizen. Elf der 15 Minister waren 2013 noch nicht dabei. Fast ein halbes Jahr hat die Regierungsbildung gedauert, selten war eine Koalition bereits beim Start derart erschöpft wie diese. Und doch kann die neue Regierung eine gute werden.

Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen scheinen Union und SPD die Botschaft der Bundestagswahl verstanden zu haben. Der Koalitionsvertrag ist ein Versprechen für mehr Sicherheit - nicht nur für innere und äußere, sondern auch für soziale. FDP-Chef Christian Lindner ätzt, der Vertrag atme "den Geist einer absoluten Staatsfixierung". Richtig ist jedoch, dass der Staat sich jetzt endlich wieder um Bereiche kümmern will, die er sträflich vernachlässigt hat.

Niemand kann mit einem Koalitionsvertrag alle Probleme lösen, dafür reichen noch nicht einmal die 50 Milliarden Euro, welche die Regierung jetzt verteilen kann. Aber die Vorhaben in der Pflege, bei der Rente, in der Familien-, Digital- oder Bildungspolitik sind lobenswert ambitioniert. Sollten die 177 Seiten des Koalitionsvertrags Wirklichkeit werden, wäre Deutschland tatsächlich gerechter und zukunftsfähiger.

In der Politik kennt sich kaum ein Trio so gut wie Merkel, Seehofer und Scholz

Dass dies gelingen kann, liegt am zweiten Pluspunkt der neuen Regierung: dem Trio an der Spitze. Ob eine Koalition funktioniert, hängt ja nicht nur vom Vertrag ab, sondern auch von den Akteuren. Fast alle großen Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte waren nicht absehbar, als die jeweiligen Regierungen ihre Koalitionsverträge verhandelt haben. Und so wird es auch in Zukunft sein.

Der Handelsstreit mit den USA ist bereits das erste Beispiel. Merkel, Seehofer und Scholz kennen sich aber so gut, dass sie Garanten für die Stabilität der Koalition werden können. Seehofer ist der dienstälteste Ministerpräsident der Union, Scholz der Senior der SPD-Regierungschefs. Beide haben Dutzende Male miteinander - und auch mit der Kanzlerin - verhandelt; vor ihrer Zeit als Regierungschefs saßen die beiden in Merkels erstem Kabinett.

Kaum jemand im politischen Betrieb kennt sich besser als die drei. Wie sehr sich Merkel, Scholz und Seehofer gegenseitig respektieren, konnte man auch bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags erleben. Sie haben alle Voraussetzungen, um ihre Koalition durch schwierige Passagen lotsen zu können. Der Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen, der die Fraktionen von Union und SPD gerade auseinandertreibt, ist da bereits die erste Herausforderung.

Die neue Koalition sei nicht "als Liebesheirat losgegangen", hat Scholz jetzt gesagt. Sie wird auch keine Koalition der zufliegenden Herzen mehr. Eine funktionierende Beziehung könnte sie aber werden.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Leserdiskussion
:Was wünschen Sie sich von der neuen großen Koalition?

Olaf Scholz, Angela Merkel und Horst Seehofer haben mehr als fünf Monate nach der Bundestagswahl den Vertrag der neuen Koalition unterschrieben. Nun wolle man nicht mehr "reden und streiten", sondern mit der "gewohnten Ernsthaftigkeit und dem notwendigen Pragmatismus vorangehen", sagte Scholz.

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