Bundestag:"Lieber geben wir Geld aus für die Zukunft als für Zinsen"

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Finanzminister Christian Lindner will im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten. (Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Der Finanzminister erklärt seinen Nachtragshaushalt für 2023. Für das kommende Jahr bekräftigt er: keinesfalls mehr Schulden bei hohen Zinsen. CDU-Haushaltspolitiker Middelberg sieht bei Lindner "Anflüge von Einsicht".

Von Oliver Klasen und Leopold Zaak

68 Minuten hat das Bundestagspräsidium an diesem Freitagmorgen für die Debatte über den Nachtragshaushalt 2023 angesetzt. Um den verabschieden zu können, müssen die Regierungsfraktionen erneut eine Notlage beschließen, weil Deutschland mehr Schulden aufnehmen muss als geplant. Gestritten wird nicht nur wegen des Etats für das laufende Jahr. Wie der Haushalt für 2024 aussehen soll, ist immer noch unklar.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht in dem - äußerst eilig vorgelegten - Nachtragshaushalt eine Antwort auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vor zwei Wochen. Die Richter in Karlsruhe hatten die Haushaltspraxis der Ampel in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Sie untersagten eine Umwidmung von in der Vergangenheit aufgelegten Corona-Krediten für zukünftige Klimaschutzprojekte. Die Ampel habe in diesem Fall gegen die Schuldenbremse verstoßen, befanden die Richter. Geklagt hatten 197 Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag.

Lindner argumentiert im Bundestag nun, die Bundesregierung habe die Schuldenbremse im Jahr 2023 eigentlich eingehalten. Sie hätte aber, das sei nach dem Karlsruher Urteil klar, verfassungsrechtlich einen anderen Weg gehen müssen. "Wir haben Rechtsklarheit erhalten, jetzt schaffen wir Rechtssicherheit."

Die Sorge der Ampel ist außerdem: Zusätzlich zu den falsch verbuchten Klimaschutzgeldern könnte auch die Nutzung von Krediten über 45 Milliarden Euro gegen die Verfassung verstoßen haben. Die Ampel hatte das Geld 2023 für die Energiepreisbremsen und zur Unterstützung von Flutopfern genutzt, die Kredite wurden aber im Jahr 2022 aufgenommen. In jenem Jahr war die Schuldenbremse offiziell ausgesetzt.

Für das kommende Jahr, so deutet es der Finanzminister an, soll die Schuldenbremse eingehalten und keine neue Notlage beschlossen werden. Man wolle investieren und wichtige Projekte der Ampel umsetzen, bei anderen müsse die Regierung "depriorisieren", sagte er. Neue Schulden wolle Lindner schon allein deswegen nicht aufnehmen, weil die Zinsen derzeit zu hoch seien. "Lieber geben wir Geld aus für die Zukunft als für Zinsen", sagte Lindner.

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Der Unionsfraktionsvize und Haushaltspolitiker Mathias Middelberg bescheinigte Lindner zwar zumindest "Anflüge von Einsicht", kritisierte aber ansonsten die aus seiner Sicht fehlerhafte Buchungspraxis in Bezug auf die Zusatztöpfe der Ampel. Dabei ziehe auch das Argument des Kanzlers nicht, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur die aktuelle, sondern auch die Vorgängerregierungen betreffe. So seien etwa die Corona-Hilfen der großen Koalition stets auf das konkrete Jahr angelegt gewesen, so wie jetzt von Karlsruhe gefordert. "Sie haben anders gebucht", sagte Middelberg.

Die Ampel habe den Verfassungsbruch bereits in den Koalitionsvertrag geschrieben, um das "Märchen vom Eisernen Christian" zu erzählen, der glaube, mit allen Mitteln die Schuldenbremse einhalten und gleichzeitig die Ausgabenwünsche der Grünen beim Klimaschutz und jene der SPD bei den Sozialausgaben befriedigen zu können. "Wir kommen hier nur zusammen, weil wir Ihren Verfassungsbruch reparieren müssen", sagte Middelberg.

Wie es 2024 weitergeht, ist noch völlig unklar

Für den Nachtragshaushalt 2023 und die erneute Notlage müssen die Ampelfraktionen wohl keine Klage fürchten. Das hatte CDU-Chef Friedrich Merz angekündigt. Für das Jahr 2024 könnte aber erneut juristischer Ärger drohen, denn für das kommende Jahr gibt es noch viele Fragezeichen.

Die FDP hat mehrfach klargemacht, dass sie die Schuldenbremse einhalten möchte. Finanzminister Lindner hat angekündigt, dass 17 Milliarden Euro fehlten, die 2024 eingespart werden müssten. Grüne und SPD würden die Schuldenbremse gern abschaffen oder zumindest reformieren, sodass höhere Investitionen möglich wären. Die Spitzen der Union versuchen derweil geschlossen aufzutreten und sich für die Schuldenbremse einzusetzen. Einige CDU-Ministerpräsidenten haben aber bereits signalisiert: Auch sie können sich eine Reform vorstellen. Am deutlichsten kritisierte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner die Bremse - dafür kassierte er von Merz im Bundestag deutliche Kritik.

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