Nun ist er also raus. Das US-Justizministerium hat den Mueller-Bericht veröffentlicht, der sich mit der russischen Beeinflussung der Präsidentschaftswahl 2016 befasst. Er enthält zahlreiche geschwärzte Passagen. Nach Angaben von Justizminister William Barr ist das notwendig, etwa, um die Privatsphäre von Personen nicht zu verletzen, sensible Geheimdienstinformationen zurückzuhalten oder bereits laufende Gerichtsverfahren nicht zu beeinflussen.
US-Präsident Trump gibt sich nun triumphal. Der Bericht habe ihn in allen Punkten entlastet, sagt er und twittert, seine Gegner seien nun "Game Over". Doch bei genauer Betrachtung stimmt das nicht. Der Mueller-Bericht hat sich im Kern mit zwei Fragen beschäftigt. Die erste Frage war, ob Trump selbst oder sein Team etwas mit der russischen Einflussnahme auf die Präsidentschaftswahl 2016 zu tun hatte. Die zweite Frage lautete, ob Trump in irgendeiner Weise die Ermittlungen der Justiz dazu behindert hat - was er natürlich nicht darf. Wenn das herauskäme, müsste er zurücktreten.
Mueller-Bericht:Barr: Trump war wütend und frustriert
Der US-Justizminister präsentiert seine Interpretation des Mueller-Berichts auf einer Pressekonferenz - es wird schnell klar, auf welcher Seite er steht.
Zur ersten Frage: Die russische Einflussnahme selbst wird in dem Bericht detailliert beschrieben; sie fand einerseits über soziale Netzwerke statt, in denen z.B. von Russland gesteuerte Bots politische Nachrichten verschickten. Die Kampagne "favorisierte den Präsidentschaftskandidaten Donald J. Trump und diskreditierte die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton", schreibt Mueller. Des Weiteren macht der Bericht den russischen Geheimdienst GRU als den zentralen Akteur aus, der Emails aus dem Umfeld Clintons hackte. Wikileaks veröffentlichte sie später. In diesen Punkten scheint der Mueller-Bericht den US-Präsidenten tatsächlich klar zu entlasten. Nach einer detaillierten Untersuchung findet er keine Anhaltspunkte dafür, dass Trump oder jemand aus seinem Umfeld etwas mit der Einflussnahme zu tun hatte.
Aber: Die Entlastung gilt nicht in Bezug auf die zweite Frage, also die, ob Trump die Ermittlungen behindert hat. Mueller schreibt: "(...)wenn wir nach der genauen Untersuchung der Fakten Gewissheit hätten, dass der Präsident die Justiz eindeutig nicht behindert hat, dann würden wir das so schreiben. Auf Grundlage der Fakten und geltenden rechtlichen Bestimmungen können wir nicht zu diesem Schluss kommen."
Warum, das legt Mueller in zehn Episoden dar.
- Trumps Gebaren in Sachen James Comey und Michael Flynn: Hierbei geht es um Trumps bekannt gewordenes Treffen mit dem damaligen FBI-Direktor James Comey. Der Präsident forderte dabei dessen "Loyalität" und die Einstellung der Ermittlungen gegen seinen nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn.
- Trumps Reaktion auf das Bekanntwerden der Russland-Ermittlungen des FBI: Der US-Präsident versuchte, den damaligen Justizminister Jeff Sessions dazu zu bewegen, die Ermittlungen einzustellen. Sessions sollte die Geheimdienste davon überzeugen, dass Trump im Wahlkampf keinerlei Kontakte nach Russland hatte. Sessions hielt sich daran - und fiel dennoch in Ungnade.
- Das Feuern von James Comey als FBI-Chef und die Ereignisse, die dazu geführt haben: Eine Überraschung war die Entlassung wohl vor allem für Comey selbst, der davon selber über das Fernsehen erfuhr. Die offizielle Begründung: Die Arbeit der Bundespolizei während der Ermittlungen zur E-Mail-Affäre seiner Konkurrentin um die Präsidentschaft, Hillary Clinton.
- Trumps Reaktion auf die Ernennung Muellers und Bestrebungen, ihn wieder zu feuern: Als der Sonderermittler für die Russland-Verwicklungen ernannt wurde, soll Trump gesagt haben, dies bedeute "das Ende meiner Präsidentschaft". Er soll versucht haben, Mueller feuern zu lassen.
- Trumps Versuche, die Ermittlungen der Sonderermittler zu beschneiden. Im Mueller-Bericht werden Details darüber veröffentlicht, wie der US-Präsident seinen Justizminister dazu drängte, die Russland-Ermittlungen als "unfair" zu bezeichnen und später die Befugnisse Muellers einzuschränken. Sessions bezeichnete später in einer Aussage vor dem Geheimdienstausschuss des Senats die Russland-Vorwürfe als "abscheuliche Lüge".
- Trump wollte die Veröffentlichung von Emails zu einem Bauprojekt in Moskau verhindern. Die Mails standen im Zusammenhang mit dem Trump-Tower-Meeting am 9.Juni 2016 zwischen Russen und hochrangigen Mitgliedern aus Trumps Wahlkampfteam. Mit dem Trump-Tower in Moskau wollte der jetzige Präsident seine Geschäftsbeziehungen nach Russland vertiefen. Die Absprachen darüber liefen unter anderen über seinen ehemaligen Anwalt Michael Cohen. Trump verhandelte wohl noch mit den Russen, als er in den Wahlkampf um die US-Präsidentschaft eingetreten war - und machte sich dadurch möglicherweise erpressbar.
- Bemühungen, die zum Ziel hatten, dass Justizminister Sessions die Russland-Ermittlungen übernimmt. Trump soll mehrmals und hartnäckig versucht haben, Sessions davon zu überzeugen, die Russland-Untersuchungen in die eigene Hand zu nehmen. Und zwar auch noch, nachdem dieser öffentlich angekündigt hatte, davon die Finger zu lassen. Sessions lehnte Trumps Forderungen ab und wurde später von ihm gefeuert.
- Trump versuchte, seinen ehemaligen Rechtsberater Don McGahn unter Druck zu setzen. Er wies ihn an, zu leugnen, dass Trump versuchte, Sonderermittler Mueller zu feuern. Trump war damit nicht erfolgreich, McGahn kooperierte mit den Ermittlern.
- Das Gebaren des Präsidenten bezüglich der Ermittlungen gegen Michael Flynn, dem früheren Kampagnenmanager Paul Manafort. Nachdem Trumps ehemaliger Sicherheitsberater Flynn entschieden hatte, mit Mueller zu kooperieren, ließ ihm Trump eine Botschaft übermitteln. Sie lautete, dass Trump ihm gegenüber sehr aufgeschlossen sei und dass er sich darüber freuen würde, von ihm benachrichtigt zu werden, wenn eine Information dem Präsidenten gefährlich werden könnte. Misstrauen erregt Mueller zufolge auch der Umstand, dass Trump seinen ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort öffentlich umschwärmte, als bekannt wurde, dass der sich weigerte, mit Mueller zusammenzuarbeiten. In dem Abschnitt im Bericht geht es auch um eine dritte Person, deren Name allerdings geschwärzt ist.
- Trumps Verhalten gegenüber seinem ehemaligen Anwalt Michael Cohen. Nach allem, was man weiß, hat Trump seinen früheren Anwalt angestiftet, bezüglich eines Bauprojekts in Moskau die Unwahrheit zu sagen, über das er während seiner Präsidentschaftskandidatur verhandelte. Als Cohen später mit dem Kongress kooperierte und dazu aussagte, ließ Trump ihn fallen.