Der Moment muss skurril gewesen sein. Als FBI-Chef James Comey eine Ansprache vor Mitarbeitern seiner Behörde in Los Angeles hält, flimmert plötzlich eine Nachricht über die Bildschirme im Raum: Comey ist entlassen. US-Präsident Donald Trump hat ihn am Dienstag völlig überraschend gefeuert. Er folgte damit der Empfehlung seines Justizministers Jeff Sessions, heißt es in einer Presseerklärung des Weißen Hauses.
In einem persönlichen Kündigungsschreiben an Comey legte Trump nach. Er stimme mit dem Urteil seines Ministers überein, dass Comey nicht in der Lage sei, "das FBI effektiv zu führen". Er sei "hiermit entlassen und des Amtes enthoben, mit sofortiger Wirkung". Weitere Gründe nannte der Präsident nicht.
Sehr geehrter Direktor Comey,
ich habe vom Justizminister und seinem Stellvertreter die angehängten Briefe erhalten, die Ihre Entlassung als Direktor des Federal Bureau of Investigation empfehlen. Ich habe diese Empfehlung akzeptiert, Sie sind hiermit entlassen und werden mit sofortiger Wirkung Ihres Amtes enthoben.
Ich weiß es zwar sehr zu schätzen, dass Sie mich bei drei verschiedenen Gelegenheiten darüber informiert haben, dass nicht gegen mich ermittelt wird, dennoch stimme ich mit dem Justizministerium darin überein, dass Sie nicht in der Lage sind, das FBI effektiv zu führen.
Es ist essenziell, dass wir eine neue Führung für das FBI finden, die das Vertrauen und die Gewissheit der Öffentlichkeit wiederherstellt, dass die Behörde ihre zentralen Aufgaben in der Strafverfolgung wahrnimmt.
Ich wünsche Ihnen für künftige Unternehmungen bestes Gelingen.
Donald J. Trump
Die lieferten dafür Justizminister Sessions und dessen Stellvertreter Rod Rosenstein in Mitteilungen, die sie Trump am Dienstag hatten zukommen lassen. Der Kernvorwurf: Comey habe in der E-Mail-Affäre um Hillary Clinton im vergangenen Jahr schwere Fehler gemacht und seine Amtsbefugnisse überschritten. Er habe öffentliche Urteile zu laufenden Verfahren abgegeben. Das habe ihm nicht zugestanden. Die Tradition eines diskret ermittelnden FBI müsse wiederhergestellt werden.
Der Mann, der Clinton die Wahl gekostet haben soll
Nur: Mit dieser Begründung hätte Trump den FBI-Chef auch schon im Februar rausschmeißen können. Die wahren Gründe dürften andere sein. Die Entlassung ist besonders brisant, da sie selbst inmitten laufender Untersuchungen stattfindet. Das FBI ermittelt wegen möglicher Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam nach Russland. Solange diese nicht abgeschlossen sind, galt Comey eigentlich als unantastbar.
Gelegen kam Trump jetzt aber offenbar, dass Comey in der vergangenen Woche eine falsche Aussage vor einem Kongress-Gremium gemacht hatte und damit auch bei der Opposition Glaubwürdigkeit verspielt hatte. Comeys eigene Behörde, das FBI, musste die Aussage an diesem Dienstag schriftlich richtigstellen.
Tatsächlich hatte Comey im vergangenen halben Jahr Anlass genug gegeben, ihn zu feuern. Nach Lesart der Demokraten hat er nicht unwesentlich zur Wahlniederlage ihrer Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton beigetragen. Im Sommer 2016 hatte er ihre E-Mail-Affäre offiziell beendet, als er nach ersten Ermittlungen von einer Anklage abriet. Ende Oktober aber, nur elf Tage vor der Wahl, kündigte er eine Wiederaufnahme der Ermittlungen an - und sorgte damit für Riesenwirbel. Auch wegen der unappetitlichen Umstände.
Es war ein Zufallsfund, der Comey die Sache damals erneut eröffnen ließ. Bei Ermittlungen gegen den demokratischen Politiker Anthony Weiner wurden auf dessen Rechner E-Mails von Hillary Clinton aus deren Zeit als Außenministerin gefunden. Weiners Ehefrau Huma Abedin, eine enge Vertraute Clintons, hatte diese an ihren Mann weitergeleitet, um sie auszudrucken. Weiner war ursprünglich ins Visier des FBI geraten, weil er anzügliche Bilder von sich an ein erst 15-jähriges Mädchen geschickt haben sollte. Abedin hat sich inzwischen von Weiner getrennt.
Clinton sah sich danach wieder dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie einen Privatserver für vertrauliche Dienstmails genutzt und sich damit über geltende Regeln hinweggesetzt habe. Und der Name Clinton stand plötzlich in Verbindung zu einem Politiker, der als "Weiner-Würstchen" zur Lachnummer der Nation geworden war.
Comey in der Kritik
Nach der Ankündigung, die Ermittlungen so kurz vor der Wahl wiederaufzunehmen, musste Comey Kritik von allen Seiten einstecken. Zum einen hatte er - ungewöhnlich genug - seinen Schritt in einem Brief an die ranghöchsten Kongress-Mitglieder bekanntgemacht. Zum Zweiten hatte er sich dazu entschlossen, ohne die E-Mails zu kennen, die auf dem Rechner von Weiner gefunden worden waren. Sie brachten letztlich keine neuen Erkenntnisse.
In einem Brief an FBI-Mitarbeiter hat Comey damals sein Vorgehen verteidigt: "Natürlich erzählen wir normalerweise dem Kongress nicht, wenn wir eine Untersuchung durchführen. Aber in diesem Fall, wenige Tage vor der Wahl, wäre es eine Irreführung des amerikanischen Volkes gewesen. Trotzdem wissen wir nicht, wie bedeutend diese neuen E-Mails sind."