Den saudischen Kronprinzen vor eine Kamera zu setzen und ihm unbequeme Fragen zu stellen - das passiert nicht alle Tage. Der 38 Jahre junge Mohammed bin Salman, auch MbS genannt, ist der im Westen umstrittene und von vielen Landsleuten gefeierte Machthaber eines wichtiger werdenden Landes, der nicht gerade für seine Transparenz bekannt ist. Im Gegenteil: MbS entscheidet, was die Welt über ihn wissen soll. Jetzt gab er dem rechtskonservativen US-Fernsehsender Fox News ein Interview, das am Mittwochabend ausgestrahlt wurde.
Interviewer Bret Baier, der anders als Mohammed bin Salman durch seine nahezu steinerne Mimik auffällt, klappert außenpolitische Themen ab, gespickt mit ein paar Schmeicheleien ("Sie denken bei Ihren Deals wirklich unkonventionell"). Angesprochen auf die in Washington kritisch gesehene Annäherung an den einstigen Erzfeind Iran, wirkt MbS anfangs unvorbereitet. Um dann kühl zu erklären: Wenn es eine Möglichkeit gebe für gemeinsamen Wohlstand, dann wolle man diese nutzen. "Warum nicht?"
Falls Iran die Atombombe erlangt, will MbS auch eine
Ähnlich pragmatisch antwortet er auf die Frage zur nuklearen Aufrüstung Irans. "Es ist ein nutzloser Aufwand, Atomwaffen zu entwickeln, weil man sie nicht nutzen kann", sagt MbS. Denn jedes Land, das Nuklearwaffen benutze, würde sich im Krieg mit dem Rest der Welt befinden . Sollte Teheran eine Atombombe erlangen, müsse Saudi-Arabien dies allerdings auch tun, sagt er. "Aber wir wollen das nicht."
Mit Blick auf eine mögliche Annäherung an Israel betont MbS, dass das Leben der Palästinenser leichter werden müsse. Wie genau Israels Zugeständnisse an die Palästinenser aussehen sollen, verrät er nicht. Allerdings komme man sich jeden Tag näher, so MbS. Ob man denn einen Deal mit Israels Premier Benjamin Netanjahu und dessen rechten Koalitionären machen könne? Der Kronprinz erklärte hierzu, man mische sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Länder, wer denn jetzt regiere, ein. Ein Standard-Seitenhieb in Richtung Westen, dem genau das stets vorgeworfen wird. Wenn möglicherweise der "größte historische Deal seit Ende des Kalten Krieges" bevorstehe, führt MbS aus, dann werde diese Beziehung entstehen und bestehen, egal wer dort das Sagen habe.
US-Präsident Joe Biden würde sich im Wahlkampf nur allzu gerne als Vermittler eines Normalisierungsabkommens zwischen Saudis und Israelis schmücken. Was sich MbS im Gegenzug erhoffe? Er antwortet mit einer Erinnerung in Richtung US-Kongress, der Waffenexporte nach Riad gerne blockiert: Saudi-Arabien sei der größte Waffenkäufer der USA, nicht nur Riad würde von einem Verteidigungspakt profitieren, auch die Rolle der USA in der Region könnte wieder gestärkt werden - man wolle ja nicht, dass sich das in Zukunft ändere. Es würde "der saudischen Seite Mühe und Kopfschmerzen ersparen", seine Verteidigungsausgaben nicht auf andere Waffenlieferanten verlagern zu müssen - eine eindeutige Warnung, in Zukunft möglicherweise noch weiter Richtung Osten zu schielen.
Wenig später betont MbS allerdings, dass eine Mitgliedschaft im von China und Russland dominierten Brics-Bündnis keine politische Entscheidung gegen den Westen sei. Doch zugleich hört man Enttäuschung und Trotz heraus, als er erzählt, dass Saudi-Arabien während der US-Präsidentschaft von Donald Trump versucht habe, in die G-7-Gruppe einzutreten, doch es habe "Anforderungen einiger Länder" (MbS Augenbrauen springen nach oben) gegeben, die dem im Wege standen. Die Botschaft dahinter ist klar: Ihr wollt uns nicht, Brics schon, euer Pech.
Sportswashing? "Das ist mir egal."
Wie MbS tickt, wird besonders deutlich, als es um den Vorwurf des "Sportswashing" geht, also dem Wegwaschen eines schlechten Images durch glamouröse Sportveranstaltungen. MbS sagt dazu sinngemäß: Wenn wir damit Geld machen, dann nennt es, wie ihr wollt. "Das ist mir egal." Er wirft mit Zahlen um sich, Bret Baier nennt ihn "data guy", denn MbS begeistert sich offenbar hauptsächlich darüber, wie schnell Saudi-Arabiens Wirtschaft gerade wächst.
Milliarden-Investitionen vom Golf:Wie sich der Nahe Osten den Weltsport kauft
Die Zeit der westlichen Dominanz über den globalen Profisport endet mit den schier unerschöpflichen Geldmitteln der Golf-Region: Die VAE, Katar und Saudi-Arabien üben mehr Einfluss aus als je zuvor - und sie haben noch viel ehrgeizigere Ziele.
Immer wieder lässt der Kronprinz dieselben Schlagworte fallen: Stabilität, Wachstum, Wohlstand für die gesamte Region - denn alles andere bringe Unruhe, auch für den Rest der Welt, das habe man ja gesehen: der IS, al-Qaida, Terroranschläge. Angesprochen auf die Ungerechtigkeiten im eigenen Land verweist MbS wie selbstverständlich auf die saudische Justiz - dabei hat er das letzte Wort im Königreich. Der Interviewer zitiert den Fall eines Mannes, dem die Todesstrafe droht, weil er online regierungskritische Beiträge verfasst hat. Der Kronprinz beteuert, er tue sein Bestes, um bestehende Gesetze zu ändern - auch hier wittert er westliche Bevormundung und erinnert in einem Nebensatz an die US-Verbrechen im Irak. Man arbeite an Gesetzen, die realistisch seien für Saudis, nicht für Ausländer, stellt er klar. "Haben wir schlechte Gesetze? Ja. Ändern wir diese? Ja."
Das Interview endet mit der Attitüde eines jungen Herrschers, der sich der Wichtigkeit seines Landes mit jeder Pore bewusst ist. Was er zögerlichen Besuchern aus dem Ausland raten würde? "Saudi-Arabien ist die größte Erfolgsgeschichte des 21. Jahrhunderts. Wollt ihr sie verpassen oder nicht? Das ist eure Entscheidung", sagt MbS und setzt zum Abschluss sein breitestes Grinsen der gesamten halben Stunde auf.