EU-Ratspräsident Donald Tusk hat dem Plan der britischen Regierung zur Ausgestaltung der künftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit eine Absage erteilt. Der Plan von Premierministerin Theresa May "wird nicht funktionieren", sagte Tusk nach einem zweitägigen informellen EU-Gipfel in Salzburg. Die EU-Staats- und Regierungschefs seien der Ansicht, dass die britischen Vorschläge den gemeinsamen Binnenmarkt untergraben würden. Für die weiteren Gespräche mit Großbritannien sei er sehr positiv gestimmt, könne aber auch ein No-Deal-Szenario nicht ausschließen.
May hatte für die künftigen Wirtschaftsbeziehungen vorgeschlagen, dass beide Seiten ein Freihandelsabkommen schließen. In diesem solle es keine Zölle auf Waren geben - aus ihrer Sicht würde dies auch das Problem mit der künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland regeln. Ausgenommen wären aber Dienstleistungen. Dies lehnt die EU jedoch kategorisch ab, weil sie Wettbewerbsverzerrungen durch britische Anbieter fürchtet.
Interview am Morgen:"Die Briten wollten raus und kriegen das nicht auf die Reihe"
Politologe Alexander Clarkson glaubt nicht, dass die britische Regierung in der Lage sein wird, bis März 2019 ein langfristiges Ergebnis zum Brexit mit der EU auszuhandeln.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Da waren wir uns heute alle einig, dass es in Sachen Binnenmarkt keine Kompromisse geben kann." Man könne nicht zum Binnenmarkt gehören, wenn man nicht Teil des Binnenmarkts ist. Es gebe noch ein großes Stück Arbeit in der Frage, wie die zukünfigen Handelsbeziehungen aussehen könnten. Allerdings könne man in den Verhandlungen auch "sehr viel Kreativität entwickeln", um praktikable und gute Lösungen zu finden.
Die britische Regierung will demnächst einen neuen Vorschlag für die Lösung der Irlandfrage nach dem Brexit vorlegen, kündigte May an. Den Vorschlag der EU-Kommission, Nordirland solle im Notfall Teil der Zollunion bleiben, lehnte sie erneut ab. Die Frage nach einer irischen Grenze gilt als schwierigstes Problem bei den Verhandlungen über den britischen EU-Austritt. Befürchtet wird, dass Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland den Konflikt in der ehemaligen Unruheregion wieder anfachen könnten. Noch scheinen Kontrollen unumgänglich, sollte Großbritannien wie geplant die Europäische Zollunion und den Binnenmarkt verlassen.
Die Verhandlungspartner wollen bis Oktober substantielle Fortschritte erzielen, sagte Merkel. Im November solle der Austrittsvertrag über die Zukunft der Beziehungen zwischen EU und Großbritannien dann "finalisiert" werden. Dabei sei auch wichtig, eine gute Gesprächsatmosphäre mit London zu erhalten, sagte Merkel. "Denn Art und Weise, wie wir uns einigen, wird über die zukünftigen Beziehungen viel mitbestimmen." Tusk sagte, wenn es ein Verhandlungsergebnis gebe, werde er einen EU-Sondergipfel einberufen. Damit bestätigte er eine vorherige Ankündigung von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht, wonach für Mitte November bereits ein Gipfel beschlossen sei. Österreich hat derzeit den Vorsitz des Europäischen Rats inne.
In der Frage der Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas äußerte sich Merkel skeptisch zu Bestrebungen, manchen EU-Staaten die Aufnahme von Flüchtlingen im Gegenzug etwa für höhere Zahlungen an die Grenzschutzbehörde Frontex zu erlassen. Zu dieser sogenannten "flexiblen Solidarität" wolle sie nicht "nicht abschließend äußern" und sei "mit dem Begriff auch nicht ganz zufrieden". Es könne "nun auf keinen Fall sein, dass jeder sich aussuchen kann, was er gerne machen möchte", sagte Merkel.
Zusammenarbeit mit Ägypten vertiefen
In der Migrationspolitik wollen die EU-Länder Gespräche mit Ägypten und anderen nordafrikanischen Staaten vertiefen. Tusk sagte, er werde den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi am Sonntag treffen. Kurz erklärte, Ägypten sei sehr effizient im Kampf gegen illegale Migration. Die nordafrikanischen Staaten könnten wichtige Partner sein, um zu verhindern, dass von dort Schiffe mit illegalen Migranten ablegen. Und wenn doch, dann solle ihre Rettung im Küstengebiet der afrikanischen Staaten stattfinden.
Merkel berichtete, es sei bei dem Gipfel auch deutlich geworden, dass man mit Blick auf die Eindämmung illegaler Migration generell eine enge Partnerschaft mit den Staaten Afrikas wolle. Man müsse aber noch lernen, wie man Entwicklungszusammenarbeit und private Investitionen mit diesen Ländern besser hinbekomme.