Maskenaffäre:Die Pandemie-Profiteure

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Die Masken, die Nüßlein, Sauter & Co. zu reichen Männern machen sollten, waren für Ministerien vor allem in Bayern und auf Bundesebene bestimmt. (Foto: Johannes Simon)

Eine Gruppe um die beiden CSU-Politiker Nüßlein und Sauter sollte bei Maskendeals insgesamt 11,5 Millionen Euro kassieren. Die Justiz hat das Geld großteils sichergestellt. Sollte trotz aller Kritik keine Korruption vorliegen, müsste sie es wieder herausrücken.

Von Klaus Ott, München

Dubiose Geldflüsse gehörten für Liechtensteiner Banken jahrzehntelang zum Geschäft. Ob Steuerhinterziehung in großem Stil oder Millionen und Milliarden - auch von deutschen Konzernen - für Potentaten in Afrika oder anderswo: Das zwischen Österreich und der Schweiz gelegene Fürstentum half gern mit Schwarzgeldkonten und beim Schmieren. Doch selbst die Banken im Hauptstädtchen Vaduz machen nicht mehr alles mit.

Als eine Firma aus Deutschland in den vergangenen Monaten nach bereits gezahlten zehn Millionen Euro weitere 1,5 Millionen als Provision für Deals mit Corona-Schutzmasken überweisen wollte, ging nichts mehr. Eine Privatbank für "diskrete Dienstleistungen" in Vaduz, über die ein Teil der Geldtransfers abgewickelt wurde, schickte die letzten 1,5 Millionen Euro nach Deutschland zurück.

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Das war das kuriose und vorläufige Ende eines Maskendeals, der wenig später die größte Krise der CSU seit fast drei Jahrzehnten auslösen sollte. Die insgesamt 11,5 Millionen Euro waren für jene Gruppe um die beiden langjährigen CSU-Politiker Georg Nüßlein und Alfred Sauter bestimmt, die inzwischen mächtig Ärger haben, juristisch wie politisch.

Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt wegen Schmiergeldverdacht gegen den Bundestagsabgeordneten Nüßlein, den Landtagsabgeordneten Sauter und deren drei Geschäftspartner bei den Maskendeals. Und die CSU will von den beiden Mandatsträgern nichts mehr wissen, um die neueste ihrer vielen Affären so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

So einfach dürfte das allerdings nicht werden, obwohl Nüßlein inzwischen aus der Partei ausgetreten ist und Sauter zumindest aus der CSU-Landtagsfraktion. Denn die Dimension der Maskenaffäre ist nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR viel größer als bislang bekannt.

Fünf mal mehr als zwei Millionen Euro

Zuerst hatte es so ausgesehen, als hätte die fünfköpfige Gruppe um Nüßlein und Sauter fünf bis sechs Millionen Euro kassieren sollen für die Vermittlung von Maskenlieferungen einer Firma in Hessen an mehrere Ministerien vor allem in Bayern und auf Bundesebene. Jetzt zeigt sich: Es sollten mit den besagten 11,5 Millionen Euro doppelt so viel sein. Und das meiste Geld war noch gar nicht verteilt, als die Ermittler zugriffen. Was die Frage aufwirft: Hätten Nüßlein und Sauter mit einem Nachschlag rechnen können?

Eine Firma, die Sauters Töchtern gehört, hatte rund 1,2 Millionen Euro bekommen. Das war auch für Nüßlein vorgesehen, bei dem aber nur 660 000 Euro ankamen, bevor die Bank in Liechtenstein nicht mehr mitspielte und die Ermittler zugriffen. Hätten die fünf Partner am Ende brüderlich geteilt, dann wären es für jeden mehr als zwei Millionen Euro gewesen.

Ob das so geplant war, lässt sich derzeit nicht sagen. Nüßlein und Sauter beantworten keine Presseanfragen. Und ob die Provisionen als Abgeordneten-Bestechung strafbar wären, wie die Ermittler annehmen, ist auch nicht klar. Die Rechtslage ist verzwickt und könnte dazu führen, dass die Fünfergruppe das viele Geld am Ende behalten kann. Beziehungsweise die Millionen, die weitestgehend arrestiert sind, zurückbekommt.

Klar ist aber auch: Das Geschäft war politisch fragwürdig. Ohne Nüßlein und Sauter wäre es wohl nicht gelaufen. Mehrere Beteiligte an diesem Geschäft haben bereits als Zeugen oder Beschuldigte bei den Ermittlern ausgesagt. Dabei soll sinngemäß der Satz gefallen sein, für den Bund habe man Nüßlein gebraucht, für das Land Bayern Sauter.

Bayern und der Bund waren die Hauptabnehmer für die Corona-Schutzmasken der Normen FFP2 und FFP3, die nach Beginn der Pandemie dringend benötigt wurden für Pfleger, Polizisten und andere gefährdete Berufsgruppen. Um die Aufgabe, die Masken zu besorgen, kümmerte sich eine Textilfirma aus Hessen. Die Firma ließ ihre Verbindungen nach China spielen, wo solche Schutzkleidung günstig hergestellt wird.

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Auch Abnehmer waren schnell gefunden, als die Lage ernst war. So ernst, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. März 2020 in einer Fernsehansprache an das Volk wandte und von der größten Herausforderung für Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg sprach und um "rücksichtsvolles Verhalten" bat. "Es kommt auf jeden an."

Das Geld floss via Karibik und Liechtenstein

Und es brauchte schnell Schutzkleidung. Wenige Tage nach Merkels eindringlicher TV-Ansprache waren, vermittelt von der Fünfergruppe um Nüßlein und Sauter, die Lieferverträge der hessischen Textilfirma perfekt: 8,5 Millionen Masken für das Bundesgesundheitsministerium, drei Millionen Masken für das Bundesinnenministerium beziehungsweise die Bundespolizei und 3,5 Millionen Masken für das Gesundheitsministerium in Bayern. Plus eine kleine Lieferung für das Wirtschaftsministerium in Mecklenburg-Vorpommern. Alle Ministerien geleitet von CSU- und CDU-Politikern, also Partei- und Unionsfreunden von Nüßlein und Sauter. Der Preis pro Maske: zwischen 3,50 und vier Euro. Die Gewinnspanne: erheblich.

Von dem Profit bekam die hessische Textilfirma den kleinsten Teil ab: eigentlich nur das, was handelsüblich ist. Das erklärt auch, warum die Firma keinen Ärger mit der Justiz hat. Anders als Nüßlein, Sauter & Co. Ein Hauptpartner der beiden CSU-Politiker war ein Industriemanager, den Sauter seit Jahren kennt. Dem Manager gehört eine Firma mit Sitz in der Karibik und Konten in Liechtenstein. Über diese Firma wurden die Provisionszahlungen für Nüßlein, Sauter & Co. abgewickelt.

Die hessische Textilfirma zahlte an die karibische Gesellschaft, die leitete das Geld via Liechtenstein weiter. An eine Firma von Nüßlein, an die Firma von Sauters Töchtern und an die übrigen Beteiligten. Überall dort sowie bei der karibischen Gesellschaft haben die Ermittler inzwischen zugegriffen und fast alle Pandemieprofite der Fünfergruppe sichergestellt oder sich das Geld überweisen lassen.

Andere Maskenvermittler haben noch viel mehr kassiert. Teilweise war die Ware doppelt so teuer. Die Liste der Pandemieprofiteure ist lang.

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