Machtkampf im Bundesrat:Die Opposition regiert mit

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Der Föderalismus-Poker beginnt - Merkel und Steinmeier steckten den neuen Kampfplatz ab. Denn der Verlust der Bundesratsmehrheit schränkt die Macht der Kanzlerin ein. Sparpaket? Atomkraft? Was sie noch durchsetzen kann - und was nicht.

R. Preuß und J. Bielicki

Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier steckten diese Woche bereits den neuen Kampfplatz ab. Auch wenn die Kanzlerin ihre Mehrheit im Bundesrat verliert, sieht sie für ihre Sparpläne kein Problem:"Die Haushaltssanierung kann weitestgehend ohne die Zustimmung des Bundesrates geschafft werden", gab sich Merkel optimistisch. Die Antwort des SPD-Fraktionschefs folgte prompt und bissig: Das Paket müsse sehr wohl "in großen Teilen durch den Bundesrat", konterte Steinmeier und drohte vorsorglich mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Der Eiertanz: Sigmar Gabriel, Hannelore Kraft und Angela Merkel. (Foto: SZ-Zeichnung: Oliver Schopf)

Er fängt also wieder an, der Föderalismus-Poker im Bundesrat: Wenn SPD und Grüne Mitte Juli eine Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen bilden, fehlt der Berliner Regierungskoalition die absolute Mehrheit in der Länderkammer. Sobald Hannelore Kraft (SPD) ihren Eid als Ministerpräsidentin in Düsseldorf Eid geschworen hat, muss sich Merkel für viele ihrer Vorhaben Mitspieler aus anderen Parteien suchen, die bereit sind, für ein schwarz-gelbes Gesetz in der Länderkammer die Hand zu heben. Nur neun Monate nach dem Start des Duos Merkel-Westerwelle regiert die Opposition also wieder mit.

Allerdings dürfte sie gerade beim geplanten Sparpaket wenig zu melden haben. Nur dem Vorhaben, Hartz-IV-Empfängern die Heizkostenzuschüsse zu streichen, müsste der Bundesrat ganz sicher zustimmen. Ansonsten, so heißt es unisono aus Ministerien, dem Bundesrat aber auch aus SPD-Kreisen, komme es weitgehen darauf an, wie das Gesetz ausgestaltet werde - im Klartext: Wird es richtig gestrickt, so kann es die Länderkammer nicht blockieren. Anders sieht es bei anderen Kernvorhaben der Regierungskoalition aus: Bei Änderungen der Einkommensteuer muss der Bundesrat mitspielen (siehe Überblick unten). Und höchst umstritten ist die Rechtslage, wenn es um längere Laufzeiten von Atomkraftwerken und die Gesundheitsreform geht.

Hier dürfte sich das zähe Staatsschauspiel aus den Zeiten der Kanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder wiederholen: Mitte der neunziger Jahre ließ eine rot-grüne Bundesratsmehrheit zentrale Gesetzesvorhaben Kohls platzen. Auch Schröder musste von 1999 an fast durchgehend ohne eigene Mehrheit in der Länderkammer regieren. SPD und Grüne empörten sich damals über die schwarz-gelbe "Blockade", Schröder rief die Opposition staatsmännisch zur "Verantwortungspartnerschaft" auf.

Die Föderalismusreform von 2006 sollte Abhilfe schaffen. Die Länder erhielten neue alleinige Kompetenzen, etwa beim Ladenschluss, dafür sollten sie bei Bundesgesetzen seltener mitbestimmen dürfen. Erklärtes Ziel war es, die Zahl der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze von damals gut 50 Prozent auf 35 bis 40 Prozent zu senken. Tatsächlich aber hat die Länderkammer nach der Reform immer noch bei 41 Prozent der Gesetzesvorlagen ein Vetorecht.

Einem solchen Nein des Bundesrats können Bundesregierungen jedoch auszuweichen versuchen. Merkels Regierungsjuristen können Gesetzesvorhaben beispielsweise so aufspalten, dass nur ein Teil davon die Zustimmung der Länderkammer benötigt. Außerdem haben sich die Mehrheiten im Bundesrat oft als ziemlich wechselhaft erwiesen, weil die Länder bisweilen Interessen haben, die sich nicht decken mit der Strategie der Bundesparteiführungen. So schaffen es Bundesregierungen immer wieder, einzelne Länder aus der Oppositionsfront herauszulocken. Schröders rot-grüne Koalition etwa konnte im Jahr 2000 ihre Steuerreform durchsetzen, weil sich der CDU-regierte, doch klamme Stadtstaat Berlin seine Zustimmung mit reichlich Bundeszuschüssen abkaufen ließ.

Auf den nächsten Seiten geben wir einen Überblick über die strittigen Politikfelder - Bei welchen Vorhaben der Bundesregierung muss der Bundesrat zustimmen und bei welchen nicht?

Das Sanierungsprogramm, mit dem die Regierung bis 2014 etwa 80 Milliarden Euro sparen will, enthält wohl nur wenige Elemente, denen der Bundesrat zustimmen muss. Als sicher gilt, dass die Koalition den Heizkostenzuschuss für Hartz-IV-Empfänger nicht ohne die Länderkammer abschaffen kann, weil die Länder einen Großteil davon aufbringen.

Das Sparpaket enthält wohl nur wenige Elemente, denen der Bundesrat zustimmen muss. (Foto: dpa)

Ähnlich sieht es bei der geplanten Streichung der Rentenbeiträge für diese Gruppe aus, weil sie die Kommunen belasten würde. In den anderen Punkten des Sparpakets komme es auf die konkrete Formulierung des Gesetzes an, heißt es im Bundesfinanzministerium, aber auch aus der SPD.

An einer Frage könnte bald die Zukunft der deutschen Atomkraftwerke hängen: Muss der Bundesrat zustimmen, wenn die schwarz-gelbe Koalition die Laufzeiten der Meiler verlängern möchte? Ja, sagt der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD).

Er stützt sich auf Rechtsgutachten, für die ein Ausstieg aus dem Ausstieg in die Belange der Länder eingreift, weil diese über die Nachrüstung der Reaktoren wachen müssten. Der Bundesrat habe kein Mitspracherecht, er habe dem Ausstiegsgesetz ja auch nicht zustimmen müssen, heißt es dagegen aus der Koalition. Eine interne Expertise klingt vorsichtiger: Der Bundesrat müsse nicht beteiligt werden, wenn die Laufzeitverlängerung ,,moderat'' ausfalle, doch sei dieses Vorgehen "mit einem nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Risiko verbunden".

Von wichtigen Teilen seiner Gesundheitsreform hat sich Minister Philipp Rösler (FDP) hat sich bereits verabschieden müssen. Über die von ihm ursprünglich geplante Gesundheitsprämie hätte die Länderkammer schon wegen des vorgesehenen Sozialausgleichs aus Steuermitteln auf alle Fälle mitbestimmen dürfen.

Aber auch falls die Regierung nun höhere Zusatzbeiträge beschließen und den Sozialausgleich den Krankenkassen auferlegen sollte, sehen SPD-geführte Länder ihre Belange berührt: Sie führen die Aufsicht über viele Krankenkassen, etwa die AOKs - und wollen darum im Bundesrat mitentscheiden.

Eine rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen lässt die gegenwärtige Diskussion um Steuersenkungen wie eine Geisterdebatte erscheinen: Denn bei der Einkommens- und Mehrwertsteuer geht nichts ohne den Bundesrat. Die Bundesländer bekommen stets einen Teil der Einnahmen ab, deshalb müssen sie bei allen Reformen zustimmen.

Die SPD-Vorsitzende in NRW, Hannelore Kraft, hatte bereits im Wahlkampf damit geworben, dass sie Steuersenkungen, wie sie Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nun wieder ins Gespräch gebracht hat, in der Länderkammer verhindern werde. Ein Vetorecht der Länder bestünde auch bei den Koalitionsplänen zur Steuervereinfachung, weil es sich hier ebenfalls um die Einkommens- und Mehrwertsteuer dreht.

Die neuen Regeln für die Finanzbranche, die die Regierung bereits auf den Weg gebracht hat, kann der Bundesrat kaum stoppen. So lautet zumindest die Einschätzung im Bundesfinanzministerium, auch aus der Opposition ist nichts Gegenteiliges zu hören.

Dabei geht es Maßnahmen wie etwa das Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Wertpapieren oder darum, dass Banken künftig mehr Eigenkapital nachweisen müssen, damit sie nicht so krisenanfällig sind. Bei der Bankenabgabe, die zusammen mit neuen Insolvenzregeln für Großbanken kommen soll, rechnet die Regierung aber mit einem Mitspracherecht der Länderkammer.

Wenn die Länderkammer am 9. Juli das nächste Mal zusammenkommt, werden Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und fünf seiner Minister aus NRW noch einmal dabei sein - und damit Union und FDP in der Mehrheit.

Dennoch muss Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) fürchten, dass die Ländervertreter ihre Pläne, das Bafög zu erhöhen und ein nationales Stipendienprogramm einzurichten, auflaufen lassen. Es geht darum, wer die Kosten zu tragen hat. Die Bafög-Erhöhung koste die klammen Länder bis 2013 rund 500 Millionen Euro, erklärte der hessische Bundesratsminister Michael Boddenberg (CDU). Landesregierungen aller politischen Lager wollen mehr Geld vom Bund. Der Finanzausschuss des Bundesrates hat vorgeschlagen, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

© SZ vom 26.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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