Parteitag der Linken:Neue Sachlichkeit

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Regierungsämter, das wäre doch was: die Parteichefinnen Susanne Hennig-Wellsow (links) und Janine Wissler. (Foto: Frank May/dpa/Frank May/dpa)

Die Linke beschließt am Wochenende ihr Programm für die Bundestagswahl - anfangs 1047 Änderungsanträge versprechen eine lebhafte Diskussion. Die neuen Vorsitzenden hoffen, dass die Partei zur Sachlichkeit zurückfindet.

Von Christoph Koopmann, Berlin

Sie hatten tatsächlich Hoffnung, dass so etwas wie Sachlichkeit zurückkehren würde - nach all den Querelen um Personalien, um Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende. Seit Ende Februar führen Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow die Linke. Sie haben das Duo aus Katja Kipping und Bernd Riexinger abgelöst, das in seiner neunjährigen Amtszeit mit den unterschiedlichen Chefs der Bundestagsfraktion und vielen anderen beinahe notorisch im Clinch gelegen war. Nun also zwei Neue, die die Partei im Superwahljahr vor allem für Inhaltliches wieder mehr ins Gespräch bringen sollten.

Aber die Linke und Sachlichkeit, das ist kompliziert. Erst war es das Enfant terrible Sahra Wagenknecht. Die Lieblingsfeindin von Katja Kipping und Bernd Riexinger machte es auch der neuen Parteiführung schwer mit ihren Beschwerden über "Lifestyle-Linke". Dann kam vor einigen Tagen auch noch Oskar Lafontaine um die Ecke. Er forderte dazu auf, den Spitzenkandidaten seines saarländischen Landesverbandes für die Bundestagswahl nicht zu wählen, weil dieser ein "Betrugssystem" mit den Mitgliederlisten der Partei betreibe.

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Über derlei ist also zuletzt geredet worden, wenn die Linke mal Thema war. Dabei wollte man doch Themen zum Thema machen. Vielleicht gelingt es ja nun: Am Wochenende trifft man sich zum Parteitag, um das Wahlprogramm für den Herbst zu beschließen. Jetzt bitte: Inhalte, Inhalte, Inhalte.

Schon aus Tradition dürfte es dabei aber nicht besonders entspannt ablaufen. Unter Linken diskutiert man schließlich gern, viel und ausführlich. Das zeigt schon die Zahl der Änderungsanträge, die von der Basis am Wahlprogramm eingereicht worden sind: 1047 seien es gewesen, heißt es aus dem Karl-Liebknecht-Haus. Also alles wie immer. Bevor es am Samstag in die Diskussion im Plenum der Delegierten geht, wurden mithilfe stundenlanger Kompromissfindungsdiskussionen in kleiner Runde immerhin um die 200 Änderungsanträge daraus.

Manche wollen noch offensiver um die verlorenen Wähler im Osten buhlen

Ihren Programmentwurf haben die Chefinnen Wissler und Hennig-Wellsow schon im April präsentiert. Darin finden sich klassisch linke Forderungen wie höherer Mindestlohn (13 Euro), "Mindestsicherung" statt Hartz IV (1200 Euro) sowie das Runterfahren der Waffenexporte (null Euro). Auf dem Parteitag dürfte es strittigere Themen geben.

Klimaschutz zum Beispiel. Da formuliert die Parteispitze in ihrem Entwurf sehr ambitionierte Ziele, in großen Teilen deckungsgleich mit denen der Grünen. Das geht einigen bei der Linken zu weit, die sich sorgen, dass aufs Auto angewiesene Geringverdiener bald den Sprit nicht mehr zahlen können. Anderen wiederum gehen die Klimaziele nicht weit genug. Da machen vor allem die Jungen in der sich immer weiter verjüngenden Partei Druck, zum Beispiel Autos mit Verbrennungsmotor schon ab 2025 zu verbieten.

Auch über Ostdeutschland wird aller Voraussicht nach diskutiert werden. Nachdem die Linke Anfang Juni bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ihr bisher schlechtestes Ergebnis kassiert hat, wollen manche noch offensiver um die verlorenen Wähler im Osten buhlen. Das führte jüngst zu dem Kuriosum, dass Parteichefin Hennig-Wellsow, Thüringerin, gemeinsam mit anderen einen Änderungsantrag zu ihrem eigenen Programmentwurf eingebracht hat. Vorschläge wie "Lohnoffensive Ost", Ost-Renten auf West-Niveau, Untersuchungsausschuss Treuhand versprechen ihrer Ansicht nach mehr Stimmen als eher oberflächliche Parolen.

Auch Europa wird wohl beim Parteitag Thema sein. Manche wollen ins Programm die Vision von den "Vereinigten Staaten von Europa" schreiben statt bloß größerer Reformen der EU - beim Europaparteitag 2019 war ein entsprechender Antrag nur knapp gescheitert.

Aktuell entscheidender dürfte aber sein, wie sich die Partei zu einer möglichen Regierungsbeteiligung im Bund positioniert. Es gibt ja immer noch einige Hardliner, die ihre Partei auf ewig in der Opposition sehen. Aber da ist sich das Führungspersonal der Partei einmal wirklich einig: Sie wollen regieren, wenn es denn geht. Auch wenn der Wunsch etwas vermessen klingen mag angesichts der Tatsache, dass die Linke in den Umfragen gerade bei eher miesen sieben Prozent dümpelt. Aber mit Grünen und SPD könnte es reichen - um diese Chance will man kämpfen, aber dafür müsste es eben langsam mal wieder um Inhalte gehen statt um Personalquerelen.

Erst vor ein paar Tagen haben Linke aus dem Landesverband NRW angeregt, Sahra Wagenknecht aus der Partei zu werfen. Die Parteichefinnen haben das abgebügelt. Janine Wissler sagte der Welt: "Es gibt einige Differenzen innerhalb unserer Partei. Die können wir diskutieren." Werden sie auch, so viel ist sicher.

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