Libyen-Konferenz:Auf der Suche nach Frieden für ein gespaltenes Land

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Sirte, die Geburtsstadt des früheren Diktators Muammar al-Gaddafi, hat der Bürgerkrieg besonders schwer getroffen. (Foto: REUTERS)

Frankreichs Präsident Macron will den nordafrikanischen Staat einen und befrieden. Einen Plan dafür gibt es auch schon. Doch der könnte an den gegensätzlichen Interessen der Konfliktparteien scheitern.

Von Paul-Anton Krüger und Nadia Pantel, Berlin/Paris

Es wird eine der letzten Dienstreisen von Bundeskanzlerin Angela Merkel sein und zugleich der Abschluss einer ihrer wichtigsten außenpolitischen Initiativen. Doch wenn an diesem Freitag Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris Merkel, US-Vizepräsidentin Kamala Harris, den russischen Außenminister Sergej Lawrow und andere hochrangige Politiker zu einer Libyen-Konferenz empfängt, ist weiter fraglich, ob das zwischen widerstreitenden politischen Fraktionen und Milizen gespaltene nordafrikanische Land geeint und befriedet werden kann.

Der Weg dorthin sollte nach einem unter Vermittlung der Vereinten Nationen ausgearbeiteten Plan über Parlaments- und Präsidentenwahlen am 24. Dezember führen, dem 70. Jahrestag der libyschen Unabhängigkeit von Italien. Die zersplitterte Verwaltung, die geteilten militärischen Befehlsstrukturen und die konkurrierenden Regierungen sollten so wieder zusammengeführt, die Spaltung zwischen dem Westen mit der Hauptstadt Tripolis und dem Osten mit dem Machtzentrum Bengasi überwunden werden.

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Zwar hält die Waffenruhe in dem Land, doch der politische Prozess kommt nicht voran. Statt zu Wahlen könnte es zu neuer Gewalt kommen.

Von Paul-Anton Krüger

Ein neu gewähltes Parlament und ein neuer Präsident besäßen die Legitimität dafür und führten den Friedensprozess, den Merkel mit einer Konferenz in Berlin im Januar 2020 maßgeblich mit angestoßen hatte, zu einem erfolgreichen Ende. So die Theorie. Und in Paris gibt man sich optimistisch. Die Wahlen seien "in Reichweite", es gebe eine "starke Mobilisierung in Libyen, damit sie abgehalten werden", heißt es aus dem Élysée, dem Amtssitz des französischen Präsidenten. Macron habe zu der Konferenz geladen, um einen "gemeinsamen Impuls" zu setzen. Zwar soll nun die erste Runde der Präsidentschaftswahl am 24. Dezember abgehalten werden, die zweite Runde dann aber erst Mitte Februar zusammen mit der Parlamentswahl.

Die Kanzlerin ist dabei, aber auch die US-Vizepräsidentin

Frankreich wertet allein schon die große Zahl der Konferenzteilnehmer als positives Signal. Eingeladen sind diesmal auch Nachbarländer Libyens wie Tschad, Niger und, auf der anderen Seite des Mittelmeers, Malta, ebenso Griechenland, Zypern, Kuwait und Katar. Die Tatsache, dass US-Vizepräsidentin Harris teilnimmt, sieht man in Paris als "gute Nachricht" und Beleg dafür, dass die USA "Interesse an einer Stabilisierung des Landes haben". Das Ziel der Konferenz sei es nicht nur, die Wahlen zu ermöglichen, sondern auch zu verhindern, dass sie im Nachhinein nicht anerkannt werden, wie es 2014 der Fall war.

Allerdings ist offen, ob die Ergebnisse landesweit akzeptiert werden. Denn das Gesetz zur Wahl eines Staatsoberhaupts hat eine Gruppe von Abgeordneten des Repräsentantenhauses, das in Tobruk sitzt, "auf die Interessen von dessen Vorsitzenden Aguilah Saleh sowie des Kriegsherrn Khalifa Haftar zugeschnitten, der den Osten des Landes militärisch kontrolliert", sagt der Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Zudem definiere das Gesetz, das ohne eine Abstimmung zustande gekommen ist, eine starke Stellung des Präsidenten und verleihe ihm etwa das Recht, das Parlament aufzulösen. Derart weitreichende Entscheidungen sollten eigentlich einem Verfassungsprozess oder einem landesweit legitimierten Parlament vorbehalten sein.

Wahlen soll es geben. Aber wird deren Ausgang auch respektiert?

Im Westen des Landes, wo die Übergangsregierung ihren Sitz hat, werden Gruppen, die über starke bewaffnete Kräfte verfügen, das kaum hinnehmen - schon gar nicht einen Sieg Haftars, der seine Kandidatur noch nicht bekannt gegeben hat, aber klar Ambitionen erkennen lässt, ebenso wie Aguilah Saleh. Oder gar ein politisches Comeback von Saif al-Islam al-Gaddafi, dem zweitältesten Sohn des 2011 von Kräften aus dem Westen Libyens mit Unterstützung der Nato gestürzten Diktators Muammar al-Gaddafi.

Übergangspremier Abdulhamid Dbeibah dagegen, der lange versucht hatte, die Wahlen zu hintertreiben, will nun als Präsident kandidieren - obwohl das bei seiner Bestellung ausgeschlossen worden war und er nach dem Wahlgesetz drei Monate vor der Abstimmung sein Amt hätte aufgeben müssen. Weil er und seine Regierung finanzielle Wohltaten verteilen, könnte er sich durchaus Perspektiven ausrechnen - was wiederum das Haftar-Lager aus dem Osten kaum zu schlucken bereit sein dürfte.

Man müsse anerkennen, dass keine politische Einigung in Libyen bestehe, die notwendig wäre, um freie und faire Wahlen abzuhalten, lassen sich US-Diplomaten zitieren. Allerdings teilen die Amerikaner die Einschätzung in Berlin und Paris, dass es ein höheres Risiko bedeuten würde, die Wahl abzusagen, als sie unter den gegebenen Bedingungen abzuhalten. Der Libyen-Experte Lacher sieht so oder so die Gefahr einer weiteren Polarisierung, zumal Konflikte in Libyen auch innerhalb der jeweiligen Lager schnell mit Waffen ausgefochten werden.

Paris soll nun Druck aufbauen auf die politischen Kräfte in Libyen, sich an dem Prozess zu beteiligen, statt ihn zu sabotieren. Wenn das gelänge, so die Logik, würde Libyen wieder über eine Regierung verfügen, die dann auch auf den Abzug der Söldner und regulären Soldaten aus dem Ausland hinwirken könne. Einen Plan dafür hat die gemeinsame Militärkommission der Konfliktparteien schon erarbeitet. Doch müssten sich dafür nicht nur die Interessengegensätze in Libyen auflösen, sondern auch noch die der externen Akteure, von denen Russland und die Türkei die wichtigsten sind. Es wäre nicht der erste Plan, der in Libyen an der Realität scheitert.

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