Seit Tagen wird intensiv kommuniziert zwischen der EU-Kommission und dem Gesundheitsministerium in Berlin. Dreimal täglich telefoniere der neue Ressortchef Karl Lauterbach (SPD) mit Björn Seibert, dem mächtigen Kabinettschef von Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU), so ist in Brüssel zu hören. Der Grund ist klar: Lauterbach befürchtet einen Mangel an Corona-Impfstoffen in Deutschland für das erste Quartal 2022. Die EU-Kommission, die für die Mitgliedstaaten die Lieferverträge abgeschlossen hat, bemüht sich zu helfen - wie schon bei früheren Problemen in anderen Mitgliedsländern. Wobei die Fachleute in der Behörde nicht richtig nachvollziehen können, wieso Deutschland überhaupt unter Engpässen leidet. Schließlich melden andere EU-Regierungen, die eifrig boostern lassen, keine Probleme.
Um mehr Dosen zu organisieren, spricht die Behörde zum einen mit den Herstellern. Zum anderen unterstützt sie Lauterbach dabei, überzähligen Impfstoff in anderen EU-Staaten zu ordern. Dass Staaten sich so aushelfen, kam bereits früher vor. In manchen osteuropäischen Staaten ist die Skepsis groß und die Quote niedrig; die Regierungen bleiben auf den Vakzinen sitzen. Dies erklärt, wieso Lauterbach davon spricht, "in Osteuropa einzukaufen".
Pandemie:Die komplexe Frage des Impfstoffmangels
Karl Lauterbach befürchtet einen massiven Mangel an Vakzinen in den kommenden Monaten. Dabei hatte Jens Spahn bis zuletzt versichert, es sei genügend vorhanden und bestellt. Wer kann hier eigentlich nicht rechnen?
Nach Schätzungen der Kommission geht es hier aber bloß um kleine Mengen - zumindest verglichen mit der Anzahl an Dosen, die Moderna jetzt früher bereitstellen will. Denn die Gespräche mit den Pharmaunternehmen zeitigen Erfolge: Der US-Konzern wird Lieferungen an Deutschland vorziehen. Bis Jahresende sollen zehn Millionen Dosen zusätzlich geschickt werden, bis März weitere 25 Millionen Extradosen. Viele Deutsche ziehen jedoch den Impfstoff von Biontech und Pfizer vor. Dies verwundert die Kommissionsfachleute, weil ihrer Aussage nach Studien klar zeigen, dass Moderna für Booster der beste Impfstoff ist. Hier sei wohl bessere Kommunikation nötig, heißt es.
Mit Biontech und Pfizer hat die Kommission einen Anschlussvertrag über bis zu 1,8 Milliarden Dosen abgeschlossen, die 2022 und 2023 ausgeliefert werden sollen. 900 Millionen davon sind fix, auf die andere Hälfte hat die EU nur eine Option; die Staaten müssen Biontech hier im Voraus mitteilen, ob sie die Mittel wirklich wollen. An diesem Freitag wird der zuständige Steuerungsausschuss der EU beschließen, eine Option über 150 Millionen Dosen für das zweite Quartal 2022 zu ziehen. In der Kommission ist zu hören, die EU-Regierungen hätten bereits ausreichend Interesse geäußert, sodass die Marke von 150 Millionen geknackt ist. Wäre dagegen die Nachfrage zu gering gewesen, hätte die EU diese Option nicht nutzen können. Dass das nötige Ordervolumen erreicht wurde, liegt vor allem an Deutschland: Die Bundesregierung will 80 Millionen dieser Zusatzdosen kaufen. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat die Gelder bereits bewilligt.