Agrardiesel:Bauern im Stresstest

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"Ein Irrsinn, der ein Ende haben muss": Viele Landwirte sehen sich durch Abgaben ohnehin schwer belastet. (Foto: Countrypixel/IMAGO)

Die Lage der Landwirtschaft ist eigentlich derzeit gar nicht so schlecht. Für diejenigen Betriebe aber, die scharf kalkulieren müssen, sind die Sparpläne bedrohlich.

Von Michael Bauchmüller und Tobias Bug

Der schwäbische Landwirt kennt die Zahlen in seinem Betrieb ganz genau. 1,45 Euro pro Liter zahlt Ernst Buck im Schnitt für die Traktoren auf seinem Hof in Holzkirch auf der Schwäbischen Alb - 21 Cent bekommt er vom Staat zurückerstattet. Wenn diese Vergünstigung für landwirtschaftliche Fahrzeuge wegfällt, wie es die Bundesregierung derzeit plant, um einen Teil des 17-Milliarden-Euro-Haushaltslochs zu stopfen, würde Buck das hochgerechnet knapp 5000 Euro im Jahr kosten. "Ich verstehe nicht, wie blöd wir in Deutschland sind", sagt Buck, nun wieder bei den Landwirten zu sparen, die ohnehin schwer belastet seien. Er lebt vom Getreideanbau und hält Schweine und Schafe auf seinem Hof.

Nicht nur die Diesel-Vergünstigung soll wegfallen, laut den Plänen der Bundesregierung sollen die Bauern künftig auch Kfz-Steuern für ihre Traktoren und Sattelschlepper zahlen. Davon waren sie bisher ausgenommen, weil sie öffentliche Straßen normalerweise nur benutzen, um von Hof zum Feld und zurück zu kommen. Bauer Buck betreibt fünf Sattelschlepper in Holzkirch und hat ausgerechnet, dass er dafür jeweils 900 Euro an Kfz-Steuern zahlen würde, also 4500 Euro im Jahr. Wenn die Kürzungen kommen wie angekündigt, wird er also 9500 Euro im Jahr mehr zahlen müssen - in schlechten Jahren sei das ein Viertel seines Gewinns.

(Foto: SZ-Grafik: Mainka; Quelle: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft)

Am Montagvormittag sind Landwirte aus ganz Deutschland mit Hunderten Traktoren nach Berlin gekommen, um vor dem Brandenburger Tor gegen die geplanten Kürzungen zu demonstrieren. Wenn die Ampelregierung die Pläne zum Agrardiesel und zur Kfz-Steuerbefreiung nicht zurücknehme, heißt es beim Bauernverband, werde es zu Beginn des kommenden Jahres massiven Widerstand geben. In der Regierung wähnen manche schon eine Art "perfekten Sturm", der sich da zusammenbraue.

Viele Landwirte sind zufrieden wie seit Jahren nicht mehr

Dabei geht es den Landwirten im Schnitt derzeit nicht einmal schlecht. Die vergangenen Jahre liefen gut - auch wegen der hohen Nahrungsmittelpreise. Was bei Verbrauchern als heftige Preissteigerung ankam, bedeutete für viele Bauern vergleichsweise hohe Erträge. Es gebe derzeit unter den Landwirten "einen Grad an Zufriedenheit, wie es ihn seit September 2014 nicht mehr gegeben hat", konstatiert der aktuelle Situationsbericht des Bauernverbands. Als die Landwirte zu ihrer Zufriedenheit befragt wurden, wussten sie freilich noch nichts von den Sparplänen der Bundesregierung.

Allerdings leben die Betriebe im ständigen Auf und Ab, das kann an den Nerven zehren. "Wir arbeiten mit der Natur", sagt Landwirt Buck. "Wir sind es gewohnt, dass die Gewinne mal um 50 Prozent nach oben gehen und dann um 60 Prozent einbrechen." Die Preise für Milch, Getreide oder Fleisch können massiv schwanken, je nach Ernten und Lage an den Weltmärkten. Was Landwirte dagegen bei der Bank abzustottern haben, weil etwa der superstarke Traktor oder der neue Stall nicht abgezahlt ist, das bleibt konstant. Auch machen die Bodenpreise vielen Betrieben zu schaffen, denn mehr als die Hälfte der Flächen sind gepachtet. Weil die Nachfrage steigt, sich Boden aber nicht vermehren lässt, wird auch die Pacht immer teurer. In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Preis im Schnitt verdoppelt. Und eine Pacht ist immer ein Vertrag auf Zeit. Läuft er aus, wird es danach meist teurer.

Es gibt Landwirte, die mit ihrem Betrieb reich geworden sind - aber auch viele, die finanziell kaum über die Runden kommen. Das mag erklären, warum die Landwirte zwar so zufrieden sind wie seit neun Jahren nicht mehr - aber gleichzeitig ihre künftige wirtschaftliche Lage so schlecht einschätzen wie seit 2005 nicht mehr.

Stephan Büssing, der im Münsterland einen Hof mit Ackerbau, Bullen- und Schweinemast betreibt, erwischt man am Telefon, aber nicht zu Hause, sondern in Berlin. Er nimmt an der Bauerndemo teil. Die Pläne der Bundesregierung seien "ein Irrsinn, der ein Ende haben muss", sagt Büssing. Er rechnet mit 50 000 Euro pro Jahr an Mehrkosten - das wären mehr als 60 Prozent seines Gewinns. "Wir haben alle die Nase voll", sagt Büssing.

Die Zukunft, das liegt in der Natur der Sache, ist auf den Höfen immer die große Unbekannte. Deswegen auch die Aufregung, wenn die Landwirte nun 21 Cent mehr für den Liter Diesel und die Kfz-Steuer für ihre Traktoren zahlen sollen. Für viele Betriebe mag das zu verschmerzen sein. Für jene aber, die ohnehin knapp kalkulieren und nicht wissen, wie das nächste Jahr wird, ist es bedrohlich.

Und allein zwischen 2010 und 2022 haben nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes von damals 299 000 Betrieben mehr als 40 000 aufgegeben. Gleichzeitig sind Initiativen, die den Umbau der Landwirtschaft hätten finanzieren können, im Sande verlaufen - zuletzt eine Kommission unter Leitung des einstigen CDU-Landwirtschaftsministers Jochen Borchert. Sie hatte empfohlen, den Bau neuer, tierfreundlicherer Ställe aus einer "Tierwohlabgabe" zu finanzieren. Den Tierhaltern, die zunehmend in die Kritik geraten, hätte das helfen können. Doch es blieb bei einer Idee.

Die Streichungen seien "zu verkraften", findet der Greenpeace-Experte

Experten warnen dennoch vor zu viel Schwarzmalerei. Schließlich stehe der geplanten Streichung ein Vielfaches an Agrarsubventionen aus EU-Geldern gegenüber, sagt Martin Hofstetter, Agrarexperte bei Greenpeace. Die Streichungen sei deshalb "durchaus zu verkraften". Auch werde sie weder ein Höfesterben auslösen "noch das Ende der Landwirtschaft in Deutschland zur Folge haben". Stattdessen könne eine Landwirtschaft, die klimafreundlicher arbeite, auch zukunftsfähiger sein. Und tatsächlich spielen in den Verkaufsprospekten für große Traktoren bisher alle möglichen Fähigkeiten eine Rolle - nicht aber der Verbrauch an Diesel. Da gäbe es noch Luft nach oben, und der technische Fortschritt macht auch vor Ackermaschinen nicht halt: Selbst elektrische Traktoren oder welche mit Hybrid-Antrieb sind mittlerweile am Markt erhältlich.

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Ernst Buck, der Landwirt aus Holzkirch bei Ulm, sieht sich und seinen Betrieb nicht in Existenznöten, wenn die Subventionen wegfallen. Doch auch er will sich wehren: Für die kommenden Wochen plant er mit anderen Landwirten auf der Schwäbischen Alb Mahnwachen und will Schlepperdemos in Stuttgart, Heidelberg, Heilbronn oder Ulm mitorganisieren. "Eigentlich streiken wir als Unternehmer nicht", sagt Buck. "Aber für viele von uns geht es ums Überleben."

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