Krieg in Libyen:Schwellenländer setzen die Nato unter Druck

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Die Nato-Außenminister versuchen verzweifelt, den offenen Streit über den Libyen-Einsatz beizulegen. Wichtige Mitgliedsstaaten fordern mehr Angriffe, Deutschland zögert und muss deshalb Kritik einstecken. Auch China, Indien, Brasilien, Russland und Südafrika stellen sich gegen die Nato. Sie fordern das Ende der Gewalt - und eine diplomatische Lösung.

Die Staats- und Regierungschefs der fünf wichtigsten Schwellenländer haben eine politische Lösung des Libyen-Konflikts und ein Ende der Gewalt in dem nordafrikanischen Land gefordert.

Französische Kampfjets warten auf ihren Einsatz gegen das Regim Gaddafis in Libyen. (Foto: dpa)

Alle Konfliktparteien sollten ihre Differenzen mit "friedlichen Mitteln und Dialog" lösen, erklärten die führenden Vertreter Brasiliens, Russlands, Indiens, Chinas und Südafrikas am Donnerstag bei einem Gipfeltreffen im chinesischen Sanya.

"Der Einsatz von Gewalt sollte vermieden werden", hieß es weiter. Auch müsse die "Unabhängigkeit, Souveränität, Einheit und territoriale Integrität eines jeden Landes respektiert werden".

Russland kritisierte den Militäreinsatz nicht zum ersten Mal als unzulässig. Die UN-Resolution zum Libyen-Konflikt sehe kein militärisches Eingreifen vor, sagte der russische Präsident Dmitrij Medwedjew. Die Resolution müsse "im Wortlaut und ihrem Geist" umgesetzt werden, forderte er. Doch ihr Ergebnis sei "im Wesentlichen eine Militäroperation". Aber dazu stehe nichts im Text der Sicherheitsrats-Resolution. Russland sei sich dabei mit seinen Partnern der anderen großen Schwellenländer "absolut einig", sagte Medwedjew.

Von den fünf wirtschaftlich wie politisch aufstrebenden Staaten (sogenannte BRICS-Staaten) hatte lediglich Südafrika im UN-Sicherheitsrat für die Resolution gestimmt, die ein Flugverbot über Libyen verhängte und den Schutz von Zivilisten mit allen notwendigen Mitteln erlaubte.

Damit wurde der Weg frei für die inzwischen von der Nato geführten Luftangriffe gegen die Truppen von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi. Die anderen Staaten - und insbesondere die ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder China und Russland - hatten Bedenken gegen den Einsatz geäußert. In der Erklärung der fünf Staats- und Regierungschefs wird aber der Nato-Einsatz nicht explizit erwähnt.

Auf der Insel Hainan empfing Chinas Präsident Hu Jintao Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff, Russlands Präsidenten Medwedjew, dessen südafrikanischen Kollegen Jacob Zuma sowie den indischen Regierungschef Manmohan Singh.

Auch beim Treffen der Nato-Außenminister in Berlin ist der Konflikt in Libyen das beherrschende Thema.

Als Gastgeber begrüßte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) die Teilnehmer im Auswärtigen Amt, darunter auch eine Reihe von Nicht-Nato-Mitgliedern. "Die Nato ist mehr als ein militärisches Bündnis. Sie ist eine Wertegemeinschaft", sagte Westerwelle. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bedankte sich ausdrücklich für den deutschen Beitrag zu den Einsätzen in Afghanistan und im Kosovo.

"In den Monaten seit unserem letzten Treffen ist eine Welle des Wandels über Nordafrika und den Nahen Osten hinweggezogen", sagte Rasmussen. In manchen Ländern habe dies zu Reformen und Wechsel, in Libyen jedoch zu "gewaltsamer Repression" gegen die Bevölkerung geführt. Diese "brutale Gewalt" sei nicht hinnehmbar gewesen, daher habe die internationale Gemeinschaft einschreiten müssen, fügte Rasmussen hinzu: "Unser Ziel ist die Sicherheit der libyschen Bevölkerung."

Angela Merkel und US-Außenministerin Hillary Clinton forderten zum Auftakt des Treffens die Ablösung Gaddafis. Das gemeinsame Ziel sei, "dass Gaddafi nicht mehr der Herrscher Libyens ist, sondern zurücktritt und der freiheitlichen Entwicklung in seinem Land Raum gibt", sagte Merkel vor einem Gespräch mit Clinton im Kanzleramt.

In der Allianz gibt es eine heftige Kontroverse über den Umfang des internationalen Militäreinsatzes in dem nordafrikanischen Land. Frankreich und Großbritannien machen die Nato für die festgefahrene Lage im Libyen-Krieg verantwortlich und fordern stärkere Angriffe gegen die Stellungen von Machthaber Muammar al-Gaddafi. Kritisiert wird auch die Zurückhaltung Deutschlands.

Spanien machte in Berlin deutlich, dass es eine stärkere Beteiligung als bisher am Einsatz in Libyen ablehnt. Ihr Land werde weiterhin die gleichen militärischen Mittel bereitstellen, sagte Spaniens Außenministerin Trinidad Jiménez.

Die Außenminister Deutschlands und Frankreichs betonten allerdings, dass sie in in den Meinungsverschiedenheiten beider Regierungen über den Militäreinsatz keine Belastung des deutsch-französischen Verhältnisses sehen. "Es wäre falsch, irgendwelche Unstimmigkeiten und Missstimmigkeiten in das deutsch-französische Verhältnis hineinzuinterpretieren", sagte Guido Westerwelle in Berlin nach einem Gespräch mit seinem französischen Kollegen Alain Juppé.

"Das Vertrauen ist nicht zerstört", sagte Juppé unmittelbar vor Beginn des Nato-Außenministertreffens, bei dem es auch um den Militäreinsatz des Bündnisses in Libyen geht. "Wir sind einig über das Ziel, es gibt Unterschiede über den Weg. Aber es hat schon oft Unterschiede gegeben, das ist kein Drama."

Er fügte hinzu: "Wenn Guido Westerwelle der Meinung wäre, dass Muammar al-Gaddafi an der Macht bleiben sollte, nur dann hätten wir ein Problem." Westerwelle sagte, es sei "nicht angemessen", aus den Meinungsunterschieden "ein Drama" zu machen: "Das ist eine Bewährungsprobe für unsere tiefe und innige Freundschaft."

Westerwelle hatte nach einem Treffen der Libyen-Kontaktgruppe in Doha am Mittwoch erklärt, er halte an einer politischen Lösung des Konfliktes in Libyen fest. Zwar verstehe die Bundesregierung diejenigen, die militärisch eingegriffen hätten. Deutschland gehe es aber darum, dass aus einem militärischen Einsatz kein dauerhafter Krieg werde, weshalb eine politische Lösung notwendig sei, so Westerwelle.

Voraussetzung dafür sei ein Waffenstillstand, sagte Westerwelle. Gaddafi habe bisher viele Waffenstillstände angekündigt, aber nicht befolgt. "Er trägt die erste Verantwortung dafür, dass dieser Krieg in Libyen ein Ende findet, und er muss auch gehen", sagte Westerwelle. Der Außenminister bekräftigte zudem, dass Deutschland sich nicht an dem Militäreinsatz beteiligen werde. Zugleich verteidigte er aber die Bereitschaft der Bundesregierung, Hilfslieferungen von der Bundeswehr schützen zu lassen.

© seuddeutsche.de/AFP/dpa/dapd/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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