Propalästinensische Demonstrationen:Union macht Faeser wegen Krawall in Berlin Vorwürfe

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Trotz eines Verbots von propalästinensischen Demonstrationen ist es in Berlin in der Nacht auf Donnerstag erneut zu Massenversammlungen gekommen. (Foto: ZAKARIA ABDELKAFI/AFP)

Die Eskalation im Nahostkonflikt treibt in der Hauptstadt vor allem Palästina-Unterstützer auf die Straßen. Der Polizei zufolge werden erneut Einsatzkräfte mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen. Die Bundesinnenministerin sei "überfordert", kritisiert die CDU.

Nachdem es in Berlin-Neukölln auch in der Nacht auf Donnerstag trotz eines Verbots von propalästinensischen Demonstrationen erneut zu Massenversammlungen und Krawallen gekommen ist, gibt es Kritik an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Union warf ihr vor, sie fülle ihr Amt nicht richtig aus.

"Täglich gibt es auf unseren Straßen Ausschreitungen und Gewalt von Hamas-Unterstützern, jüdischen Einrichtungen drohen Anschläge und die Migrationskrise ist weiter unbewältigt", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). Am Mittwochabend sei die Stimmung in Teilen Neuköllns laut Polizei sehr aufgeheizt gewesen. Steine und Flaschen wurden auf Polizistinnen und Polizisten geworfen und Pyrotechnik abgebrannt, wie die Behörde auf der Plattform X, früher Twitter, mitteilte. Bei den Demonstranten handele es sich eindeutig um Teilnehmer einer ebenfalls verbotenen Ersatzveranstaltung einer propalästinensischen Kundgebung.

Eine Sprecherin der Berliner Polizei sagte am Donnerstagmorgen, es habe während der Ausschreitungen 174 Festnahmen gegeben. Zudem wurden laut der Sprecherin 65 Polizisten verletzt. Einer davon habe seinen Dienst beenden müssen. Insgesamt seien 65 Strafermittlungsverfahren eingeleitet worden. Eine abschließende Bilanz zu den Einsätzen soll im Verlauf des Tages veröffentlicht werden.

In einer so angespannten Sicherheitslage sei es "ein Unding, dass Frau Faeser in diesen Stunden in Wiesbaden in Diensten der hessischen SPD unterwegs ist", so Throm. Faeser hätte sich in Hessen vertreten lassen müssen. Er warf ihr vor: "Sie vernachlässigt die Sicherheit unseres Landes und ist überfordert in ihrem Amt als Bundesinnenministerin."

Faeser verurteilt Ausschreitungen und Übergriffe auf Polizisten

Faeser meldete sich bei einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen am Donnerstag in Luxemburg zu Wort und verurteilte die Ausschreitungen in Berlin. "Ja, wir haben eine hohe Versammlungsfreiheit und das ist auch in Ordnung, wenn auf Straßen demonstriert wird. Aber was nicht in Ordnung ist, ist die Gewaltausübung und erst recht nicht gegen Einsatzkräfte der Polizei", sagte die SPD-Politikerin "Deswegen verurteile ich die Übergriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte letzte Nacht aufs Schärfste." Sie betonte, dass für die Bundesregierung der Schutz jüdischer Einrichtungen und aller Jüdinnen und Juden im Fokus stehe.

Aus dem Bundesinnenministerium hieß es als Antwort auf die Kritik der Union, Faeser sei am Dienstag morgens zu Gesprächen mit den Koalitionsfraktionen in Berlin gewesen, anschließend zu einem Termin nach Hessen gereist und abends zurück in der Hauptstadt gewesen. Ein für Dienstag vorgesehenes Treffen mit muslimischen Verbänden sei von vornherein ohne ihre Teilnahme geplant gewesen. Auch eine für Dienstag angesetzte Feierstunde für Polizeikräfte, die in Auslandseinsätzen waren, sei nicht aufgrund ihrer Abwesenheit verschoben worden - sondern "insbesondere, weil wichtige Vertreter der jeweiligen Behörden aufgrund der aktuellen Lage kurzfristig nicht teilnehmen konnten".

Der Vorwurf, Faeser konzentriere sich nicht genügend auf ihr Amt als Bundesinnenministerin war zuletzt auch von Politikern der Koalitionspartner FDP und Grüne geäußert worden, wenn auch meist nicht öffentlich. Faeser hatte die SPD als Spitzenkandidatin in die hessische Landtagswahl geführt. Nach der Wahlniederlage ihrer Partei erklärte sie, Bundesinnenministerin bleiben zu wollen. Ihre Partei und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellten sich hinter sie.

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Nach den erneuten Krawallen in Berlin forderte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, ein konsequentes Handeln im Zusammenhang mit solchen Ausschreitungen. "Wir brauchen schnelle Gerichtsverfahren und Urteile gegen die Krawallmacher", sagte Kopelke am Mittwoch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er sprach von einer "absolut widerlichen Stimmung in Deutschland" und bezog sich unter anderem auch auf den versuchten Brandanschlag auf eine jüdische Gemeinde in Berlin in der Nacht zum Mittwoch.

Berlins Bürgermeister spricht im Zusammenhang mit den Krawallen von "einer Schande"

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat Sympathiebekundungen für die Terrororganisation Hamas und Hass gegen Israel auf den Straßen der Stadt am Donnerstag in einer Regierungserklärung scharf verurteilt. "Es ist eine Schande, dass wir Antisemitismus und Hetze auf unseren Straßen erleben müssen", sagte er im Abgeordnetenhaus.

Es sei eine Schande, dass Jüdinnen und Juden und ihre Einrichtungen angegriffen würden. "Das ist ein Schandfleck", so Wegner. "Wir dürfen diesen Fleck nicht größer werden lassen." Das funktioniere nur mit Zusammenhalt statt Spaltung.

Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) forderte indessen weitere Maßnahmen gegen Antisemitismus. Dieser sei im Bezirk "seit Jahren stark in den Köpfen verankert", sagte Hikel in einem Interview der Jüdischen Allgemeinen. Dagegen eine vernünftige Demokratiearbeit zu leisten, sei eine stetige Aufgabe. Zudem sprach er sich für die Berufung eines Bezirksbeauftragten aus, der sich außer mit Queerfeindlichkeit auch mit Antisemitismus befasst. Im Bezirkshaushalt seien dafür bereits Voraussetzungen geschaffen worden.

Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass es in der Woche nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel einen sprunghaften Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland gebe. So seien allein zwischen dem 7. Oktober und 15. Oktober 202 Taten dieser Art bekannt geworden, rund dreieinhalb mal so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

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