Koalitionsvertrag:Seehofers überraschende Bescheidenheit

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CDU, CSU und FDP unterzeichnen in Berlin den Koalitionsvertrag. Ein gutgelaunter Horst Seehofer irritiert dabei die Zuhörer.

Nico Fried, Berlin

Horst Seehofer ist gutgelaunt, als er zu seiner kleinen Ansprache ans Mikrofon tritt. Er wird gleich ein paar Sätze sagen, bei denen eigentlich nichts schief gehen kann. Er will nett sein, sogar zur FDP, mit der er sich im Wahlkampf noch so gefetzt hat. Dabei aber wird ihm etwas rausrutschen, was er in den nächsten Tagen und Wochen noch bereuen könnte. Seehofer wird einen Machtanspruch formulieren, den man paradoxerweise auch als das Gegenteil verstehen kann.

Gute Laune bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages: FDP-Chef Guido Westerwelle, Kanzlerin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, der den Zuhörern Überraschendes verkündete. (Foto: Foto: AP)

Doch der Reihe nach. Es ist Montagabend, und in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung in Berlin, wo in den vergangenen drei Wochen die Koalitionsverhandlungen über eine schwarz-gelbe Bundesregierung stattfanden, unterschreiben die drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP das Ergebnis dieser Gespräche: den Koalitionsvertrag.

"Nur Zustimmung"

Angela Merkel würdigt die "ernsten, harten, aber immer von einem Grundton der gegenseitigen Sympathie getragenen" Verhandlungen. Union und FDP hätten lange dafür gearbeitet, eine solche Koalition zu schmieden. "Das sollte uns auch an den Tagen tragen, an denen es etwas schwieriger wird", sagt die Kanzlerin.

Auch Guido Westerwelle erinnert daran, dass diese Koalition nicht durch "Umstände entstanden, sondern von den drei Parteien gewollt" gewesen sei. Die Arbeit gehe mit der Unterzeichnung der Koalitionsvereinbarung erst los. Aber mit diesem "Kursbuch", wie der FDP-Chef den Vertrag nennt, wisse doch jeder, "woran er ist". Vermutlich meint er damit jene in der Union, die die Koalitionsbeschlüsse anders interpretieren als er.

Westerwelle spricht von der Ehre, das Land regieren zu dürfen und verspricht: "Wir kennen unsere Verantwortung." Westerwelle und Seehofer - Guido und Horst, wie sei jetzt zueinander sagen - klopfen sich freundlich auf die Schultern, als Westerwelle zu seinem Platz geht und Seehofer ans Rednerpult. Der CSU-Chef sieht eine gute Gelegenheit, auf eine makellose Bilanz zu verweisen: Dreimal habe die CSU an diesem Tag abgestimmt, im Parteivorstand, in der Landesgruppe und auf dem kleinen Parteitag. Dreimal habe es keine Gegenstimmen gegeben, keine Enthaltung, "nur Zustimmung", wie Seehofer sagt.

Eine solche Bilanz habe kein anderer der Regierungspartner vorzuweisen. "Deshalb sehen wir uns als Stabilitätsanker dieser Koalition." Das ist einer dieser Seehofer-Sätze, die als etwas undefinierbare Mischung aus Ironie, Ernst und Drohung daherkommen. Die Mehrheit der Zuhörer lacht, von Merkel über ihre künftigen Minister, bis hin zu den Abgeordneten der drei Koalitionsparteien, die da sind.

Ob das die Partei auch so sieht?

Was dann kommt, beginnt ganz harmlos: Fast auf den Tag genau vor einem Jahr habe er die erste Koalitionsvereinbarung mit der FDP unterschrieben, sagt Seehofer. Er meint die in Bayern. Jetzt die zweite. Und 2013, wenn wieder Landtags- und Bundestagswahlen seien, solle es "die dritte und vierte" sein, sagt Seehofer. "Mein Ziel ist das jedenfalls." Einige Zuhörer klatschen, einige lachen, einige sind sichtlich überrascht. Die dritte und vierte. Das wäre eine im Bund - und eine in Bayern. Die aber kann es nur geben, wenn die CSU wieder die absolute Mehrheit verpasst.

Das ist Seehofers Ziel? Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass Seehofer schon jetzt nicht mehr darauf setzt, 2013 wieder eine Alleinregierung der CSU herzustellen. Ob das auch die Partei so sieht?

Kurz darauf setzt sich Seehofer an den Tisch um den Vertrag zu unterschreiben. "Ziehen wir nochmal zurück?", fragt er seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt im Scherz. Aber dafür ist es jetzt zu spät. In jeder Hinsicht.

© SZ vom 27.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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