Klimawandel:Gipfel der Frustration

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Alles nur aufgesetzt: Protestierende tragen Masken mit den Bildern führender Politiker. (Foto: Thomas Samson/AFP)

Die ärmsten Länder leiden am meisten unter der Erderhitzung. Auf konkrete Hilfszusagen der Verursacher aber hoffen sie bei der pompösen Konferenz des französischen Präsidenten vergeblich.

Von Claus Hulverscheidt und Thomas Kirchner, Paris

Am Ende waren es die Randnotizen, die verhinderten, dass der mit viel Tamtam angekündigte Klima- und Armutsgipfel des französischen Präsidenten Emmanuel Macron als völliger Fehlschlag in die Geschichtsbücher einging. Zwei Tage lang hatten Spitzenvertreter aus mehr als 100 Staaten in Paris um Konzepte gerungen, die es den Staaten des globalen Südens ermöglichen sollen, mit den finanziellen Folgen des Klimawandels klarzukommen - eines Problems, das ihnen vor allem die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer der Welt (G20) eingebrockt haben.

Neue, belastbare Finanzzusagen der G-20-Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, gab es am Ende aber ebenso wenig wie konkrete Entscheidungen zur Reform der Weltbank und anderer Entwicklungsbanken, auf deren Unterstützung die ärmeren Länder dringend angewiesen sind.

Einige wenige Signale machen Mut

Und doch sandte der Gipfel jenseits der Schaufensterreden einige wenige Signale aus, die Mut machen. So verständigte sich die Regierung der arg gebeutelten Republik Sambia mit ihren staatlichen Gläubigern auf eine Umschuldung von Verbindlichkeiten in Höhe von umgerechnet 5,8 Milliarden Euro. Die Einigung ist auch deshalb ein Erfolg, weil sie erstmals im Rahmen der sogenannten Common-Framework-Initiative der G20 zustande kam. Ihr gehören nicht nur die traditionellen Geberstaaten des Westens an, sondern auch neue Gläubiger wie China und Indien, die erst einmal lernen müssen, dass nun sie es sind, die auf Geld verzichten sollen.

Das Sambia-Abkommen könnte damit zum Vorbild für gut 70 weitere arme Länder werden, die unter Schulden in Höhe von insgesamt 300 Milliarden Euro ächzen. Mehr als die Hälfte von ihnen sind laut Internationalem Währungsfonds vom Staatsbankrott bedroht.

Scholz, Macron und der senegalesische Staatspräsident Macky Sall vereinbarten zudem mit weiteren internationalen Partnern eine Energiepartnerschaft, die dem afrikanischen Land in den nächsten drei bis fünf Jahren 2,5 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Mitteln für die Energiewende einbringen soll. Senegal verpflichtete sich umgekehrt zu mehr Klimaschutz und will den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 von derzeit gut 30 auf rund 40 Prozent steigern. Investitionen in die Energiewende seien zugleich auch Armutsbekämpfung und Entwicklungschance, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze.

"Die Regierungen sind sich immer einig beim Klima"

Trotz solch kleiner Erfolge wurde selbst in G-20-Kreisen auch deutliche Kritik an Macron laut. Es sein wenig sinnvoll, einen solchen Gipfel einzuberufen, solange sich die reichen Länder nicht über neue, zusätzliche Hilfen einig seien. Das führe bei den Ländern des Südens nur zu Ärger und Enttäuschung, hieß es.

Und nicht nur bei ihnen: Auch die vielen Aktivistinnen und Aktivisten, die am Donnerstag und Freitag in Paris gegen die aus ihrer Sicht ignorante Haltung der reichen Staaten protestierten, zeigten sich einmal mehr frustriert - darunter Camille Etienne, eine prominente französische Ökokämpferin, Greta Thunberg, die Erfinderin des Klima-Schulstreiks, sowie Hunderte andere, überwiegend junge Frauen, aus allen Erdteilen. "Die Regierungen sind sich immer einig beim Klima", sagte die Deutsche Luisa Neubauer. "Macron oder Scholz sagen in Reden, wie wichtig sie das finden. Dann tun sie nichts. Deshalb nutzen wir konkrete Projekte, um darauf aufmerksam zu machen, dass den grünen Worten keine grünen Taten folgen."

Man hörte sehr konkrete Sätze im Théâtre du Châtelet, in das man die Aktivistinnen abgeschoben hatte, 20 Fußminuten vom Gipfelort, dem schicken Palais Brongniart, entfernt - angeblich aus Sicherheitsgründen. Ineza Grace aus Ruanda berichtete von 100 Toten durch Überflutungen in ihrer Heimat, von weggeschwemmten Dörfern. Helena Gualinga aus Ecuador erzählte von den bedrohten Urvölkern im Yasuní-Nationalpark und den Konzernen, die dort Öl fördern, Vanessa Nakate vom Kampf gegen die Eacop-Pipeline, die der französische Energiekonzern Total in Uganda plant. "Unser Überleben ist nicht verhandelbar. " "Keine falschen Versprechen mehr." "Die Verschmutzer sollen zahlen, nicht die, die darunter leiden." "Die Devise muss sein: Die Menschen zuerst. Immer!" So und ähnlich lauteten die Parolen.

"Diese Krise eskaliert auf vielen Ebenen"

Die Frauen spannten in dem ehrwürdigen Theater ein Panoptikum der Ausbeutung und der Gier auf, malten das Bild eines Westens, der, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz, nicht ernsthaft aufgehört habe, Ressourcen aus anderen Teilen der Erde zu entwenden. Zurück blieben Menschen, die unter dem Klimawandel, den sie nicht verursacht haben, mit am stärksten leiden müssten.

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Thunberg überließ das Wort möglichst ihren Mitstreiterinnen - und holte dann doch zu einer ihrer Anklagen aus: "Diese Krise eskaliert auf vielen Ebenen (...) Wir haben die Wissenschaft, die Wahrheit, die Moral und die Justiz auf unserer Seite. Doch bestraft werden jene, die den Feueralarm auslösen, statt jenen, die das Feuer anfachen." Für besondere Empörung im Saal sorgte, dass Macrons Regierung beschlossen hatte, die radikale französische Umweltbewegung "Les soulèvements de la terre" (Aufstände der Erde) aufzulösen. Ausgerechnet in dieser Woche.

Überhaupt, Macron. Der lasse den Öl-Multi Total, diesen "besonders feindlichen" Konzern, einfach gewähren, schimpfte Neubauer. Beim Klimawandel gehe es auch um soziale Gerechtigkeit, sagt eine andere Aktivistin. "Sie können so viele Gipfel abhalten wie sie wollen. Solange sie nicht für die Marginalisierten eintreten, überall auf der Welt, ist es nichts wert."

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