Klimaschutz:Bundesregierung legt Berufung gegen Klima-Urteil ein

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Eigentlich ist das deutsche Klimaschutzgesetz - in seiner gegenwärtigen Form - ziemlich klar. (Foto: Jens Kalaene/DPA)

Die Bundesregierung halte sich nicht an ihr eigenes Klimagesetz, attestierten ihr Berliner Richter im vergangenen Herbst. Das will die Ampel nicht akzeptieren. Das Problem aber besteht fort.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das Urteil war recht schnörkellos. Die Beklagte, so befand die Vorsitzende Richterin Ende November, habe das Gesetz einzuhalten. Was konkret das heißt, verlas die Richterin aus dem deutschen Klimaschutzgesetz. Ein Sofortprogramm müsse die Beklagte vorlegen, wie es das Gesetz, Paragraf 8, ja verlange. Die Beklagte war keine Geringere als die Bundesrepublik Deutschland. Geklagt hatten zwei Umweltverbände, die Deutsche Umwelthilfe und der BUND. Für die Bundesregierung war die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eher eine peinliche Angelegenheit.

Rechtzeitig vor Ablauf der Frist hat das federführende Bundeswirtschaftsministerium nun Revision eingelegt. Für den Bund sei es wichtig, die offenen Fragen höchstrichterlich klären zu lassen, erklärte das Ministerium, "um eine möglichst große Rechtssicherheit zu erreichen". Schließlich müsse der Rahmen für den Klimaschutz "klar und rechtssicher abgesteckt werden". Es gibt also ein Wiedersehen - diesmal vor dem Bundesverwaltungsgericht. Bis zum 2. April werde man eine Revisionsschrift aufsetzen.

"Unverantwortlich und skandalös", sagt die Umwelthilfe

Ob die Angelegenheit in Leipzig besser läuft, ist allerdings nicht gesagt. Denn das deutsche Klimaschutzgesetz - jedenfalls in seiner gegenwärtigen Form - ist in seinen Formulierungen ziemlich klar. Einmal jährlich, jeweils zum 15. März, muss demnach das Umweltbundesamt die vorläufige Klimabilanz für das Vorjahr aufstellen, und zwar aufgeschlüsselt nach einzelnen Sektoren - also etwa Verkehr, Gebäude, Industrie oder Landwirtschaft. Danach hat ein vom Bund eingesetzter Expertenrat für Klimafragen einen Monat lang Zeit, die Daten zu überprüfen. Er überprüft auch, ob einzelne Sektoren mehr Treibhausgase emittiert haben, als es das Gesetz erlaubt. Ist dies der Fall, müssen die betroffenen Ministerien nachsteuern. Drei Monate, also bis Mitte Juli, haben sie dann noch Zeit für die sogenannten Sofortprogramme.

Bisher traf diese Pflicht regelmäßig das Verkehrsministerium und die Ressorts für Bau und Klimaschutz, die sich gemeinsam um die Vorgaben für Gebäude kümmern. Beide Bereiche meldeten wiederholt Überschreitungen. Und auf sie bezog sich auch die Klage der Umweltverbände: Ausreichende Sofortprogramme waren sie nämlich schuldig geblieben. Die Bundesregierung wiederum hatte vor dem Oberverwaltungsgericht auf ein im Oktober erlassenes "Klimaschutzprogramm" verwiesen, das die Rolle der Sofortprogramme übernehme. Das Gericht wies das zurück. Schließlich solle ein Sofortprogramm sofort wirken, während das Klimaschutzprogramm auf längere Frist angelegt sei. Womit sich das Gericht wiederum ziemlich am Text des Gesetzes orientieren konnte.

Sein Ministerium hofft, "möglichst große Rechtssicherheit zu erreichen": Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck. Oder spielt die Bundesregierung beim Klimaschutz nur auf Zeit? (Foto: Carsten Koall/DPA)

Dieses Gesetz ist auch bis zum heutigen Tag nicht geändert. Zwar hatte sich die Bundesregierung auf eine Novelle verständigt, mit der genau dieser Teil des Klimaschutzgesetzes entschärft würde. Doch das steckt bis heute dort, wo es auch Ende November schon war: in den Beratungen des Bundestages. Bei Grünen und Teilen der SPD gibt es Vorbehalte, das scharfe Schwert des Gesetzes nachträglich stumpfer zu machen.

Das Klimaschutzressort von Minister Robert Habeck (Grüne) dagegen verweist darauf, das novellierte Gesetz werde dereinst "eine sachgerechtere Grundlage für das Ergreifen möglicher Klimaschutzmaßnahmen" bieten. Wenn es denn verabschiedet ist. Solange dies aber nicht der Fall ist, kann sich die Bundesregierung auch vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht auf eine veränderte Rechtslage berufen. Mehr noch: Angesichts der bevorstehenden höchstrichterlichen Bewertung der Angelegenheit würde sich die Koalition mit einer eiligen Novelle nun dem Verdacht aussetzen, sie wolle noch rechtzeitig passend machen, was bisher nicht passt.

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Den Ärger der Umweltverbände erntet sie aber auch so schon. Schließlich hat der Bund mit der Revision nun vereitelt, dass das Urteil rechtskräftig wird. "Unverantwortlich und skandalös" sei die Entscheidung, findet etwa Umwelthilfe-Geschäftsführerin Barbara Metz. "Wir werden die Ampel damit nicht durchkommen lassen." Der BUND, der zweite Kläger, warf der Bundesregierung vor, auf Zeit zu spielen. "Der Handlungsdruck wird dadurch nicht geringer, er steigt", sagt BUND-Chef Olaf Bandt.

Aber derlei Kritik ficht das Wirtschafts- und Klimaministerium nicht an. Die Bundesregierung stehe in der Verantwortung, "der Klimakrise mit der größtmöglichen Entschlossenheit entgegenzutreten", erklärte ein Sprecher, "auch um die Freiheit zukünftiger Generationen zu schützen". Was das konkret bedeutet, wird sich bis Mitte Juli zeigen. Dann müssten die nächsten Sofortprogramme vorliegen, "sobald offiziell feststeht, dass Verkehr und Gebäude ihre Sektorziele gerissen haben", sagt der Berliner Umweltrechtler Remo Klinger, der die Deutsche Umwelthilfe in dem Verfahren vertritt. "Die Einlegung der Revision bedeutet nicht, dass man von der Befolgung geltenden Rechts entbunden ist."

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