Kanzlerkandidatur:Die komplizierte Wahl von Merkels Gegner

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Bundeskanzlerin Angela Merkel zwischen Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Sigmar Gabriel. Archivbild, aufgenommen im Mai 2013. (Foto: Bundesregierung-Pool via Getty)
  • Die SPD will sich durch die erneute Kandidatur Merkels nicht unter Druck setzen lassen und verkündet ihren Kandidaten Ende Januar 2017.
  • Martin Schulz ist im Gespräch als möglicher Kanzlerkandidat.
  • Seine Zukunft hängt auch davon ab, ob ihm eine weitere Amtszeit als Präsident des Europäischen Parlaments gewährt wird.

Von Nico Fried, Berlin

Über ihre eigene Zukunft hat Angela Merkel entschieden: Sie tritt noch einmal als Kanzlerkandidatin der CDU an und vielleicht auch der CSU. Jetzt kann sie sich anderen Fragen widmen, zum Beispiel der Auswahl des sozialdemokratischen Herausforderers, der ihr bei der Bundestagswahl kommendes Jahr am liebsten wäre. Dass Merkel hier etwas mitzuentscheiden hätte, ist natürlich übertrieben. Aber nur ein bisschen.

Denn die Sache ist ja so: Ob Martin Schulz als Kanzlerkandidat der SPD infrage kommt, hängt auch davon ab, ob ihm eine weitere Amtszeit als Präsident des Europäischen Parlaments gewährt wird. Dabei hat die christdemokratische EVP als größte Fraktion das entscheidende Wort. Wollte Merkel also lieber Sigmar Gabriel als Gegner, dann könnte sie versuchen, auf die EVP einzuwirken, Schulz entgegen der ursprünglichen Absprache auch für die zweite Hälfte der Legislaturperiode zu wählen.

CDU
:Merkel will Kanzlerin für die unsicheren Zeiten sein

Angela Merkel tritt 2017 noch einmal an. Weil ihr Wille vorhanden ist, die Herausforderungen groß und die Themen spannend sind. Und für AfD-Anhänger hat sie auch ein paar Botschaften.

Von Thorsten Denkler

Chef der EVP-Fraktion ist Manfred Weber. Er gehört der CSU an. Er zählt zu dem Parteiflügel, der sich mit Merkel wegen der Flüchtlingspolitik nicht vollends verkracht hat, doch er ist Manns genug, sich von der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin keine Vorgaben machen zu lassen. Folglich müsste es die Kanzlerin eher über befreundete Regierungschefs im europäischen Ausland versuchen. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy wird da von Leuten als Beispiel genannt, die sich in europäischen Dingen ein wenig auskennen. In Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ebenfalls Christdemokrat, hat Schulz bereits einen Fürsprecher von der bürgerlichen Seite. Sollte die EVP sich zu seinen Gunsten entscheiden, würde Schulz wohl in Brüssel bleiben.

SPD will erst Ende Januar entscheiden

Sollte sich wiederum in den nächsten Wochen zeigen, dass die EVP darauf besteht, künftig den Parlamentspräsidenten zu stellen, dann hätte Schulz wohl nur noch in Berlin eine politische Zukunft. Ob er dann Kanzlerkandidat werden könnte oder nicht und/oder Außenminister oder nicht, oder beides, oder nichts davon, das hängt dann vor allem von den Ambitionen und dem Wohlwollen des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ab.

Hinzu kommt, dass über einen Umzug von Schulz nach Berlin besser schon entschieden sein sollte, bevor klar ist, dass ihn die Mehrheit des Parlaments nicht als Präsidenten zu bestätigen gedenkt. Andernfalls könnte schnell der Eindruck entstehen, Schulz wechsele nur in die Bundespolitik, weil er in Brüssel nicht mehr gebraucht werde - was nicht die allerbeste Empfehlung für ein Spitzenamt wäre.

Oh ja, es ist eine komplizierte Sache mit der Kanzlerkandidatur bei der SPD. Daran mag es auch gelegen haben, dass die Spitze der Sozialdemokraten am Montag erst mal die Segel aus dem Wind nahm, um die Dynamik der Diskussion zu bremsen. Die Partei ist noch immer traumatisiert von den Sturzgeburten ihrer Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück für die beiden vorigen Bundestagswahlen 2009 und 2013. Einstimmig entschied das SPD-Präsidium am Montag, den bislang öffentlich kommunizierten Fahrplan einhalten zu wollen. Der Vorstand, das erweiterte Führungsgremium der Partei, nickte dieses Vorgehen anschließend widerspruchslos ab. Danach soll erst auf einer Klausur der SPD-Spitze Ende Januar der Kandidat offiziell gekürt werden.

Das freilich heißt nicht, dass die Angelegenheit vorher nicht schon inoffiziell geklärt wird. Das könnte der Grund dafür sein, dass nach Teilnehmerangaben auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin und stellvertretende Parteivorsitzende Hannelore Kraft mit dem Procedere einverstanden war. Ihr war zuletzt nachgesagt worden, sie wünsche sich eine zügige Nominierung, um die Frage der Kanzlerkandidatur von ihrem Landtagswahlkampf so weit wie möglich fernzuhalten. In Nordrhein-Westfalen wird im Mai 2017 ein neuer Landtag bestimmt, Krafts rot-grüne Mehrheit steht auf der Kippe, und die Wahl gilt als Generalprobe für die Bundestagswahl fünf Monate später.

Man wolle nicht nur über Personalfragen, sagt Schwesig

Die SPD will sich mit ihrem Vorgehen aber auch so deutlich wie möglich von der Union absetzen. Einhellig verkündeten Generalsekretärin Katarina Barley und die stellvertretende Parteivorsitzende Manuela Schwesig am Montag vor der Presse, dass die Sozialdemokraten "anders als die CDU" (Barley) Programm und Kanzlerkandidat verbinden wollten. "Wir wollen nicht nur eine Personaldebatte führen, sondern eine inhaltliche Debatte", sekundierte Schwesig. Dementsprechend präsentierten Barley, Schwesig und Fraktionschef Thomas Oppermann ein Impulspapier, auf dessen Grundlage nun in der Partei die weiteren Debatten über das Bundestagswahlprogramm geführt werden sollen.

Große Einigkeit herrscht in der SPD auch über den Auftritt von Angela Merkel am Sonntag, mit dem die Kanzlerin ihre neue Kandidatur erklärt hatte. "Kraftlos" sei der Auftritt gewesen, sagen Schwesig und Barley. Die Kanzlerin habe kein Konzept dafür, wie Deutschland besser gemacht werden könne, kritisiert die Generalsekretärin. Und Parteivize Schwesig, die als Familienministerin mit Merkel in der Regel einmal die Woche im Kabinett sitzt, erklärt leicht gönnerhaft: "Ich glaube, dass Frau Merkel ihre Verdienste hat, aber nicht mehr für die Zukunft steht."

Für Barley macht Merkel den Eindruck, dass nach elf Jahren Kanzlerschaft "die Luft offensichtlich raus" ist. Da sich das nach einem weiteren Jahr bis zur Bundestagswahl kaum geändert haben dürfte, hätte man auf die Idee kommen können, dass die SPD eine große Koalition mit einer Kanzlerin Merkel jetzt schon ausschließen würde. Doch so weit will man auch wieder nicht gehen. In der laufenden Legislaturperiode sei man auf jeden Fall entschlossen, mit der Union gut zusammenzuarbeiten, sagt Barley. Was 2017 werde, könne heute aber noch niemand sagen. Allerdings, so die Generalsekretärin, habe die SPD schon in der amtierenden Regierung vieles nur "gegen den erbitterten Widerstand der Union erkämpft". Deshalb fiele ihr auch fast nichts mehr ein, wo man nach 2017 mit CDU und CSU noch Fortschritte erzielen könne.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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