München:Kampf gegen Antisemitismus: Mehr Schutz, härtere Strafen

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Nach dem antisemitisch motivierten Anschlag in Halle will die Staatsregierung entschiedener gegen Antisemitismus vorgehen und jüdische Einrichtungen besser...

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München (dpa/lby) - Nach dem antisemitisch motivierten Anschlag in Halle will die Staatsregierung entschiedener gegen Antisemitismus vorgehen und jüdische Einrichtungen besser schützen. Zudem fordert sie eine Änderung des Strafgesetzbuches, damit antisemitische Straftaten härter bestraft werden können. Das beschloss das Kabinett am Dienstag in München. Im Landtag forderte auch die Opposition ein konsequentes Handeln gegen Antisemitismus. Während der Debatte kam es zu teils lautstarkem Streit zwischen der AfD und den anderen Fraktionen.

Rund 13 Millionen Euro habe Bayern in den vergangenen Jahren für bauliche und technische Schutzmaßnahmen an den rund 170 jüdischen Einrichtungen des Landes ausgegeben, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach der Kabinettssitzung. Nun sollen nochmals drei Millionen Euro hinzukommen. Auch die Polizeipräsenz an den Einrichtungen sei bis auf weiteres erhöht worden. Jetzt wolle man noch einmal auf alle jüdischen Gemeinden zugehen, um die Gefährdungslage neu zu bewerten.

Herrmann betonte, dass die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland weiter steige - auch in Bayern. Allein im Jahr 2018 habe es im Freistaat 219 Vorfälle gegeben. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) teilte mit, dass in den vergangenen sechs Monaten fast hundert antisemitische Vorfälle gemeldet worden seien.

Die Staatsregierung will außerdem, dass antisemitische Straftaten stärker verfolgt und bestraft werden. Sie bringt daher einen Gesetzesentwurf in den Bundesrat ein. Dieser sieht vor, dass antisemitische Motive künftig als eigener Punkt bei der Strafzumessung strafverschärfend berücksichtigt werden können. Bisher werden antisemitische Beweggründe hier unter dem Oberbegriff menschenverachtend bewertet.

Die Opposition forderte die Regierung auf, nicht nur die Strafverfolgung nachzubessern, sondern auch in die Prävention antisemitischer Straftaten zu investieren. Der Freistaat solle die politische Bildung ausbauen und Programme gegen Rassismus und Antisemitismus erarbeiten.

Die Parlamentsdebatte zum Umgang mit Antisemitismus in Deutschland mündete in teils heftigen Streit zwischen der AfD und allen anderen Landtagsfraktionen. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze bezeichnete die AfD als „rechtsextreme Partei“. FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte zur AfD: „Sie sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.“ Und Innenminister Herrmann warf der AfD „geistige Brandstiftung“ vor. Unter großer Zustimmung der anderen Parteien sagte Herrmann in Richtung AfD, man müsse Deutschland zwar weiter voranbringen, „aber wir wollen kein anderes Deutschland“.

Schulze weigerte sich trotz Aufforderung von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), die Bezeichnung der AfD als „rechtsextrem“ zurückzunehmen. Im Landtagspräsidium sei man der Auffassung, dass die Bezeichnung „rechtsradikal“ in Ordnung sei, „rechtsextrem“ aber zu weit gehe. Aigner kündigte anschließend an, Schulzes Äußerung und die gesamte Debatte nochmals im Präsidium zu thematisieren.

Die AfD wehrte sich vehement gegen die Vorwürfe und beklagte ihrerseits „Hetze“ der anderen Parteien. „Wie können Sie es wagen, der AfD geistige Mittäterschaft vorzuwerfen?“, fragte der AfD-Abgeordnete Richard Graupner, der zum rechtsnationalen „Flügel“ der AfD zählt. Nach Schulzes Rede sagte Graupner, dass es Fraktionsvorsitzende gebe, „die man als Hetzer und Spalter der Gesellschaft“ bezeichnen könne.

Am vergangenen Mittwoch hatte ein schwer bewaffneter Mann versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Als das scheiterte, erschoss der Deutsche eine 40 Jahre alte Passantin und kurz darauf einen 20 Jahre alten Mann in einem nahen Dönerladen. Auf seiner Flucht verletzte der Attentäter ein Ehepaar schwer. Der 27-Jährige wurde später festgenommen und gestand, den Anschlag aus antisemitischen und rechtsextremen Motiven begangen zu haben.

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