Nukleare Sicherheit:Stillstand kurz vor dem Ziel

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Stellt hohe Forderungen an die USA: Der iranische Präsident Ebrahim Raisi am Al-Quds-Tag Ende April in Teheran. (Foto: Sobhan Farajvan/IMAGO/Pacific Press Agency)

Im März waren die Europäer kurz davor, das Atomabkommen mit Iran wiederzubeleben. Doch nun beharrt das Regime darauf, dass die USA die Sanktionen gegen die Revolutionsgarden aufheben.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Es sind gewundene Ausführungen, zu denen US-Außenamtssprecher Ned Price am Montag auf Fragen nach dem Atomabkommen mit Iran greift. Man halte daran fest, so lange eine Rückkehr zu der Vereinbarung noch im Interesse der USA sei, sagt er. Allerdings hatten europäische wie amerikanische Diplomaten zu Beginn des Jahres gewarnt, wenn es nicht gelänge, den Deal aus dem Jahr 2015 bis Ende Februar wiederzubeleben, werde Irans Atomprogramm so weit fortgeschritten sein, dass er seinen Wert verliere.

Diese inoffizielle Frist ist um Monate überschritten. Das Abkommen, einst als Meisterwerk der Diplomatie gefeiert, könnte einen leisen Tod sterben. US-Präsident Joe Biden würde damit eines seiner erklärten außenpolitischen Ziele verfehlen und sich mit einer neuen Eskalation im Nahen Osten konfrontiert sehen. Die letzte Verhandlungsrunde fand am 11. März in Wien statt. Seither liegt ein fertiger Text vor - eigentlich.

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Es gab schon Pläne, die Außenminister nach Wien kommen zu lassen zum Abschluss der seit April 2021 laufenden Gespräche. Doch dann verhinderte zunächst eine Intervention Russlands den Abschluss. Außenminister Sergej Lawrow hatte gefordert, die westlichen Sanktionen wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine dürften in keiner Weise die Handelsbeziehungen zwischen Moskau und Teheran beeinträchtigen. Das hat er inzwischen wieder zurückgenommen. Doch nun hakt es zwischen Iran und den USA bei der Frage, ob auch die Sanktionen gegen die Revolutionsgarden aufgehoben werden.

Verhängt hatte diese der damalige US-Präsident Donald Trump im April 2019 wegen der Unterstützung von Terrorismus - nicht im Kontext mit dem Nuklearprogramm. Erst vor wenigen Tagen beschuldigte Israel die Revolutionsgarden, die Ermordung eines US-Generals in Deutschland geplant zu haben. In Syrien und im Irak greifen von ihnen kontrollierte Milizen US-Truppen und diplomatische Einrichtungen an. Und sie attackieren die engsten US-Verbündeten in der Region: Israel, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate.

Keine Seite will nachgeben

US-Unterhändler Robert Malley hatte die Forderung der Iraner nach Washington getragen, doch im Weißen Haus lässt man sich darauf nicht ein. Iran habe Verhandlungen über Themen außerhalb des Nukleardossiers strikt abgelehnt, heißt es. Der Widerstand im Kongress ist enorm, auch bei vielen Demokraten. Im November stehen wichtige Zwischenwahlen für Repräsentantenhaus und Senat an. Außenpolitisch würde eine solche Entscheidung das Verhältnis zu Israel und Ölmonarchien am Golf weiter belasten.

Auf mögliche Kompromisslinien wiederum lässt sich das Regime in Teheran nicht ein. Ein solcher Vorschlag lautete, dass die USA die Revolutionsgarden von der Sanktionsliste streichen, die Islamische Republik dafür aber garantieren müsse, weder US-Einrichtungen im Nahen Osten zu attackieren noch US-Regierungsvertreter weltweit. Teheran hat geschworen, die Tötung des Revolutionsgarden-Generals Qassim Soleimani im Januar 2020 durch eine US-Drohne am Flughafen von Bagdad zu rächen, will mit militärischen Nadelstichen einem Abzug der US-Truppen aus der Region erzwingen.

Die einzige Möglichkeit, die er sehe, um die Listung aufzuheben, bestehe darin, dass Iran "die notwendigen Schritte unternimmt, um die Aufhebung zu rechtfertigen", sagte US-Außenminister Antony Blinken vergangene Woche im Senat. Iran wisse, was zu tun sei. Aus Teheran heißt es dagegen, die USA seien im Bild über Irans rote Linien. Der EU-Verhandlungsführer Enrique Mora war Ende März nach Teheran gereist, um den Stillstand zu durchbrechen. Man könne die Frage der Revolutionsgarden zu einem späteren Zeitpunkt klären, schlug er vor. Wenn Iran andere berechtigte Forderungen vorbringe, seien die USA bereit darauf einzugehen.

Von Scheitern will noch niemand sprechen

Gerade wartet Mora auf einen neuen Termin in Teheran; Iran begeht die Feiertage zum Ende des Ramadan. Die Europäer wollen einen letzten Versuch starten. Spätestens wenn die Internationale Atomenergiebehörde vor dem Treffen des Gouverneursrates Anfang Juni ihren Bericht vorlegt, werden die Fortschritte des iranischen Atomprogramms ebenso deutlich werden, wie die derzeitige Weigerung Teherans, mit den Inspektoren umfassend zu kooperieren.

Für gescheitert mag die Verhandlungen noch niemand erklären, doch fragen sich gerade die Europäer, ob Iran noch ein Interesse hat an dem Abkommen. Das Land verdient mit seinen Ölexporten vor allem an China gut. Zwar könnte es wohl doppelt so viel Öl ausführen wie die zuletzt 870 000 Barrel pro Tag. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine bringen die aber deutlich mehr Geld ein. Und Iran könnte etwa in Asien weitere Kunden finden. Präsident Ebrahim Raisi jedenfalls spricht davon, dass seine Regierung neben einer Wiederauflage des Atomabkommens andere Wege gefunden habe, die US-Sanktionen zu neutralisieren.

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