Hessen:Rhein und die Rot-Grün-Frage

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Der Christdemokrat Boris Rhein hat mit seinem Wahlsieg am 8. Oktober den Abstand zu SPD und Grünen massiv ausgebaut. (Foto: Sean Gallup/Getty)

Mit wem wird die hessische CDU künftig eine Regierung bilden? Die Entscheidung will Ministerpräsident Boris Rhein am Freitag verkünden. Erste Indizien gibt es schon.

Von Detlef Esslinger, München

In Hessen will Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) an diesem Freitag bekannt geben, ob er weiter mit den Grünen oder mit der SPD koalieren will. Das war am Donnerstag übereinstimmend aus verschiedenen Quellen zu erfahren. Demnach kommen am Vormittag zunächst das Präsidium und dann der Vorstand der CDU zusammen, gegen 12 Uhr will Rhein an die Öffentlichkeit treten. Spekuliert wird, dass es auf die Sozialdemokraten hinauslaufen könnte.

Für wen der Ministerpräsident sich entscheidet, daraus machte er am Donnerstag aber noch ein großes Geheimnis. Tatsächlich dürfte ihm in seiner Partei niemand ernsthaft hineinreden: Die hessische CDU schart sich traditionell um ihren Anführer, er hat in dem Landesverband Prokura, solange er Beute macht. Und Rhein hat bei der Landtagswahl am 8. Oktober Beute gemacht: Er verbesserte das Wahlergebnis im Vergleich zu 2018 um 7,6 Prozentpunkte. Mit 34,6 Prozent ist der Abstand zu den möglichen Partnern viel größer als damals: Vor fünf Jahren, unter Rheins Vorgänger Volker Bouffier, lag die CDU nur jeweils gut sieben Prozentpunkte vor Grünen und SPD. Nun sind es zu beiden Parteien fast 20 Prozentpunkte Vorsprung.

Die hessische CDU gilt als verschworene Partei

Die hessische CDU gilt als verschworene Partei, in der es kaum zu Indiskretionen kommt. Auch deshalb traute sich am Donnerstag praktisch niemand bei SPD und Grünen eine Einschätzung zu, auf wen es hinauslaufen wird. Verwiesen wurde auf "vier bis fünf" Sondierungen, deren letzte am Mittwoch stattgefunden haben soll; dabei sei es inhaltlich bereits "in die Tiefe" gegangen. Die Vermutung, dass Rhein zur SPD neigt, speist sich vor allem aus einer Überlegung: Warum sollte er die Grünen, mit denen seine CDU seit zehn Jahren regiert, einen Monat lang hinhalten, nur um ihnen dann zu sagen, er mache gern mit ihnen weiter?

Bei seiner Entscheidung dürfte Rhein inhaltliche wie atmosphärische Erwägungen anstellen: Mit wem würde es bei Bildung oder Migration konstruktiver? Soll er sich für die SPD entscheiden und darauf hoffen, dass der Landesverband geschlossen bleibt, in Anbetracht der Freude, nach 24 Jahren Opposition wenigstens wieder mitregieren zu können? Oder was muss man realistischerweise befürchten bei einem Partner, der am 8. Oktober mit 15,1 Prozent so schlecht abgeschnitten hat wie nie? Niemand erwartet, dass die SPD-Landesvorsitzende Nancy Faeser in fünf Jahren noch da sein wird. Es müsste also bald eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger aufgebaut und ein Kurs gefunden werden.

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Was wiederum für die Grünen spräche, nach der Devise: Da weiß Rhein, was er hat - dass sie geschlossen, diskret und vertragstreu sind, auch wenn die Vorträge des einen oder der anderen mitunter nerven. Dass der kleinere Partner künftig nicht mehr damit rechnen kann, vier von zwölf Ministerien zu leiten, gilt ohnehin als selbstverständlich.

Ministerpräsident Rhein kann sich deshalb so viel Zeit lassen, weil die Wahlperiode des bisherigen Landtags erst am 17. Januar endet. Im Dezember wird der sogar noch einmal eine Plenarwoche haben. Konstituieren wird sich der neue Landtag am 18. Januar. In Bayern, wo ebenfalls am 8. Oktober gewählt worden war, ist das neue Kabinett bereits im Amt. In Hessen fanden es viele im Landtag zwar gut, nach einem anstrengenden Wahlkampf nun Zeit für Sondierungen und sogar eine "Reflexionswoche" zu haben, die Rhein ausgerufen hatte. Aber inzwischen hört man überall: Jetzt reicht's dann aber auch.

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