Antifa in Hessen:Eine Adressliste und eine Drohung an die AfD

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"Das Vorgehen der Antifa verstößt gegen die Prinzipien unserer friedlichen Demokratie": Hessens Innenminister Peter Beuth. (Foto: Boris Roessler/DPA)

Im Netz taucht eine Seite auf, die AfD-Kandidaten für die hessische Landtagswahl auflistet - samt Privatadressen, Autokennzeichen, Hobbys. Die Antifa Frankfurt ermutigt auf ihrer Homepage zu "Hausbesuchen". Politiker und Behörden sind alarmiert.

Von Christoph Koopmann und Gianna Niewel, Frankfurt/München

Politiker und Sicherheitsbehörden sind alarmiert, nachdem Linksautonome die Privatadressen von Kandidatinnen und Kandidaten der hessischen AfD für die Landtagswahl im Oktober veröffentlicht haben. Auf einer speziell dafür angelegten Internetseite finden sich neben Namen und Fotos der einzelnen Politiker auch Biografien, eine politische Beurteilung, bei manchen das Autokennzeichen und sogar Hobbys. Auch Restaurants und Veranstaltungsorte, in denen AfD-Politiker sich angeblich treffen, sind auf einer interaktiven Karte eingezeichnet.

Auf ihrer eigenen Homepage ruft die Antifa Frankfurt, der sich Linksextreme verschiedener Gruppierungen zugehörig fühlen, dazu auf, der Partei "vor allem auf militanter Weise" zu begegnen und ihr "das Leben zur Hölle zu machen". Konkret könnten etwa Wahlkampfstände zerstört oder die "klassische Konfrontation" mit den Politikern gesucht werden, zum Beispiel als "antifaschistischer Hausbesuch".

Das LKA kündigt Schutzmaßnahmen für die Politiker an

Zur Begründung schrieben die Autonomen, dass die rechtsextreme Ausrichtung der AfD unter anderem "in ihrer Programmatik" täglich sichtbar werde. Dass Politiker der Partei auf kommunaler Ebene zuletzt in Ämter gewählt wurden, wie Robert Sesselmann als Landrat im Kreis Sonneberg in Thüringen, zeige zudem, "wohin die Reise geht".

Auf dem Antifa-Portal wurde die "Outing"-Website bereits am Sonntag beworben. Am Mittwoch war sie nach wie vor erreichbar. Inzwischen haben aber Politikerinnen und Politiker sowohl in Hessen als auch Berlin die Aktion verurteilt. "Das Vorgehen der Antifa verstößt gegen die Prinzipien unserer friedlichen Demokratie", schrieben etwa die hessischen Minister für Justiz und Inneres Roman Poseck und Peter Beuth (beide CDU) in einem gemeinsamen Statement. Persönliche Bedrohungen seien der "völlig falsche Weg". Auch ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Mittwoch, Gewalt und Drohungen könnten niemals ein akzeptables Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Es sei nun Aufgabe der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden in Hessen, das aufzuklären.

Das Landeskriminalamt teilte auf Anfrage mit, die Beamten nähmen zu jeder und jedem Betroffenen "kurzfristig" Kontakt auf und würden "polizeiliche Maßnahmen zum Schutz" der AfD-Politiker vornehmen.

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"Aufruf zur Einschüchterung und zu Gewalt"

Der hessische AfD-Landeschef Andreas Lichert - dessen Privatadresse ebenfalls veröffentlicht wurde - , äußerte sich am Dienstag so: "Was die Antifa Frankfurt hier macht, ist nichts anderes als ein verklausulierter Aufruf zur Einschüchterung und zu Gewalt gegen AfD-Politiker." Wer eine Familie habe und in der Partei aktiv sei, mache sich Sorgen. Es fühle sich an, als würde man "für vogelfrei" erklärt werden.

Auch der hessische Verfassungsschutz soll sich mit dem Fall befassen. Dass Linksextreme oder auch Rechtsextreme als taktisches Mittel der Einschüchterung Privatadressen und/oder Autokennzeichen ihrer politischen Gegner veröffentlichen, ist für die Beamten nichts Neues. Solche Outings, auch "Doxing" genannt, kommen immer wieder vor und sind von linker Seite speziell gegen AfD-Politiker gerichtet. Schon 2016 veröffentlichte das inzwischen verbotene radikale Portal "Linksunten Indymedia" die Teilnehmerliste eines AfD-Bundesparteitags - Namen, Adressen und Telefonnummern der 2100 Teilnehmenden waren im Netz verfügbar.

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2018 wiederum veröffentlichte ein junger Mann Privatadressen von mehr als 1000 Politikern und Prominenten. Viele von ihnen hatten sich zuvor gegen Rassismus und Diskriminierung positioniert. AfD-Politiker waren von dem Leck nicht betroffen.

Woher die Linksautonomen im aktuellen Fall die Daten der AfD-Politiker haben, ist bisher nicht bekannt. Allerdings ist es gewissermaßen szenetypisch für Links- wie Rechtsextreme, ihre jeweiligen politischen Gegner teilweise bis ins Private hinein zu verfolgen und auszuspähen.

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