Hannelore Kraft:Vom Wahlkampf belebt

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  • 2016 war ein schwieriges Jahr für die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, politisch und persönlich.
  • Jetzt zeigt Hannelore Kraft wieder, warum die SPD in ihrem Bundesland nur auf sie setzt.
  • Ein rot-rot-grünes Bündnis hat sie kurz vor der Wahl ausgeschlossen.

Von Jan Bielicki, Mülheim an der Ruhr

Das Foto, geschossen vom Starfotografen Jim Rakete, steht übergroß an fast jeder Ausfallstraße Nordrhein-Westfalens. Hannelore Kraft lehnt locker an der schrundigen Rinde eines Baumstamms. Das im Land schier allgegenwärtige Großplakat, mit dem die Landes-SPD noch in den letzten Tagen vor der Landtagswahl am kommenden Sonntag Wähler mobilisieren will, soll zeigen: die Ministerpräsidentin - eine Frau, stabil wie ein Baum.

Warum die NRW-SPD so ausschließlich auf ihre Spitzenkandidaten setzt, lässt sich in der Fußgängerzone von Mülheim beobachten. Kraft verteilt Rosen, stellt sich Selfies, schüttelt Hände, fasst an Schultern, umarmt alte Bekannte. "Nicht vergessen, wählen gehen", sagt sie. "Machen wir", kommen fröhliche Antworten. Ihren Bundesparteichef hat sie im Schlepptau, wo es hingeht, bestimmt sie: "Martin, du kannst hier französisch sprechen", lotst sie Martin Schulz auf Französisch zu einer Gruppe überraschter Pfadfinder aus dem Nachbarland. Hinter ihrem Rücken unterhalten sich zwei alte Damen: "Ich habe sie ja schon als Kind gekannt."

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Immer noch kann sie ihnen das Gefühl geben, dass sie eine von ihnen ist: Hannelore Külzhammer aus Mülheim-Dümpten, Tochter einer Schaffnerin und eines Straßenbahnfahrers, die später den Elektroinstallateur Udo Kraft heiratete, erst mit fast Mitte dreißig in die SPD eintrat und seit sieben Jahren das größte deutsche Bundesland regiert. Mülheim ist Heimspiel für die frühere Handballspielerin und passionierte Anhängerin des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach. Hier holte sie als Abgeordnete vor fünf Jahren fast 60 Prozent der Stimmen, in Dümpten ist die 55-Jährige immer noch daheim.

Aber wo im Land ihr Kampagnenbus auch hinkommt, ist zu sehen, warum sie auch ihren Gegnern als "Wahlkampfmaschine" gilt - obwohl ihr Wahlkampf gar nichts Maschinelles an sich hat. Sie lässt sich anfassen und fasst an, wenn sie zwischen Hunderten Senioren in der Nieder-rheinhalle von Wesel von Kaffeetisch zu Kaffeetisch zieht.

In einem Werk für Messtechnik in Duisburg lässt sie den Tross der Begleiter und Unternehmensoberen stehen und unterhält sich angeregt mit den Männern an den Werkbänken - und schafft es tatsächlich, dass Neugierde und Zuwendung eben nicht aufgesetzt wirken. Ihre direkte Ansprache kommt bei Kindern wie Zuwanderern an, die sie in einem Mönchengladbacher Flüchtlingscafé besucht - auch wenn sie durchaus autoritär auftreten kann: "Ich will, dass Sie jetzt erst mal Deutsch lernen", belehrt sie einen Flüchtling aus Syrien.

Ein rot-rot-grünes Bündnis schließt Kraft am Mittwoch aus

Es ist, als würde der Wahlkampf sie geradezu beleben. Mag Kraft auf ihrer "Morgenrunde" vor den Werkstoren ihrer Stadt um 4.40 Uhr Flugblätter verteilen, Müdigkeit zeigt sie nicht. In Umfragen liegen ihre persönlichen Werte weit vor denen ihres CDU-Konkurrenten Armin Laschet. Zwar sind sie längst nicht mehr so hoch wie noch vor fünf Jahren, aber klar ist: Wenn die SPD stärkste Partei in ihrer laut sozialdemokratischer Traditionspflege "Herzkammer" NRW bleiben und damit ihre Chancen für die Wahl im Bund wahren sollte, dann ist das Kraft zuzuschreiben.

Doch so betont zuversichtlich sie sich selbst nach den Wahlniederlagen ihrer Partei im Saarland und nun in Schleswig-Holstein gibt, die Umfragen deuten auch in NRW an: Es wird wohl knapp. Für Kraft wie für Laschet geht es nun darum, wer vorne liegt, um eine immer wahrscheinlicher werdende große Koalition zu führen. Ein rot-rot-grünes Bündnis schließt Kraft am Mittwoch aus: Mit ihr als Ministerpräsidentin werde es "keine Regierung mit Beteiligung der Linken geben", sagt sie dem Sender WDR. Damit bekräftigt sie ihre Abneigung gegen die Linken, die sie seit Monaten als "nicht regierungswillig und nicht regierungsfähig" geißelt.

Dass das Rennen so offen erscheint, hat mit der durchwachsenen Bilanz der Landesregierung zu tun - und wohl aber auch mit einer anderen Seite ihrer Person. Denn so nahbar Kraft auf der Straße ist, so verschlossen wirkt der gläserne Bau ihrer Düsseldorf Staatskanzlei im täglichen Regierungsgeschäft. Kraft gilt hier als eine, die nur Wenigen vertraut, und ganz besonders misstraut sie Journalisten.

Von den Medien fühlt sie sich oft nicht sachgerecht behandelt, und sie bemüht sich nicht, ihren Ärger zu verbergen. Bei ihren seltenen Auftritten vor der Landespressekonferenz sinkt die gefühlte Temperatur im Saal oft merklich: "Wenn ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt habe, bitte ich um Entschuldigung. Ich kann es Ihnen gerne wiederholen", so gereizt geht das dann, wenn sie einen Nachfrager abkanzelt.

Die Missstimmung mag auch damit zu tun haben, dass 2016 für Kraft ein annus horribilis war, politisch und persönlich. Es kam nicht nur der von der Familie geliebte Hund zu Tode. Noch schlimmer: Ihre Mutter, die mit im Haus lebte, wurde schwer krank und starb. Auch sie selbst war gesundheitlich lange nicht auf der Höhe. Und das ausgerechnet in dem Jahr, das politisch mit der Silvesternacht in Köln begann. Nach den Übergriffen auf Hunderte Frauen hat sich Kraft zwar klar, aber eben erst Tage später geäußert - ein "kommunikativer Fehler", den sie vor dem Landtag eingestand und der an ihrem Ruf kratzte, die "Kümmerin" zu sein.

Dass ihr wichtigster Minister beschädigt aus der Nacht herauskam, machte es für sie nicht einfacher - doch sie steht bis heute zu Innenminister Ralf Jäger, nach Angriffen der Opposition erst recht. Dazu kamen Wirtschaftszahlen, nach denen NRW im Jahr zuvor mitten im boomenden Deutschland nur ein Nullwachstum erreicht hatte. Als sie dann bei einer Pressekonferenz lange nach einer Liste ihrer verbleibenden Projekte dieser Legislaturperiode suchen musste, erschien es manchen Beobachtern, als habe sie den politischen Faden verloren.

Aufwärts ging es erst wieder, als der Wahlkampf nahte. Die Statistiker korrigierten die Wachstumszahlen für 2015 auf - immer noch matte - 0,8 Prozent. 2016 erreichten sie mit 1,8 Prozent knapp Bundesschnitt, "aber die Bayern holen wir auch noch ein", röhrt Kraft mit ihrer raumfüllenden Stimme über die Mülheimer Fußgängerzone. Für Spitzen gegen Bayern gibt es an Ruhr und Rhein immer Applaus, sie weiß, was ankommt. Ihre Reden hält sie kurz. Stattdessen haben sich ihre Wahlkampfplaner Interviews mit den örtlichen Kandidaten ausgedacht.

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© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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