Ole von Beust:Der nächste Aussteiger

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Bürgermeister Ole von Beust hat genug von der Politik und legt sein Amt nieder. Innensenator Christoph Ahlhaus soll ihm nachfolgen. Unterdessen zeigt sich der grüne Koalitionspartner irritiert und die Hamburger SPD fordert bereits Neuwahlen.

Es sind Bilder mit Symbolcharakter: Braungebrannt aber wenig erholt steigt Noch-Bürgermeister Ole von Beust am Nachmittag die Treppen zur ansehnlichen CDU-Parteizentrale im Hamburger Nobelviertel Winterhude nach oben.

Hamburgs Noch-Bürgermeister Ole von Beust: "Alles hat seine Zeit." (Foto: ag.ddp)

Ganz anders der designierte Nachfolger: Die Jacke lässig um die Schulter geschwungen und mit einem breiten Grinsen im Gesicht verschwindet Innensenator Christoph Ahlhaus in der Villa am Leinpfad.

Was Beust den Parteikollegen verkündet, pfeifen schon länger die Spatzen von den Dächern: Der Erste Bürgermeister tritt nach fast neun Jahren an der Spitze der Hansestadt ab. Die Amtsmüdigkeit, sie war schon länger kolportiert worden.

Nie wurde sie offensichtlicher als in den letzten Tagen: Am Sonntag stimmten die Hamburger über die Schulreform ab, das wichtigste Projekt der schwarz-grünen Koalition. Beobachter hatten schon im Vorfeld mit einem knappen Ergebnis gerechnet - doch anstatt kurz vor dem Volksentscheid Stimmen zu sammeln, urlaubte Beust auf Sylt.

"Alles hat seine Zeit"

Um kurz nach halb sechs verkündet Beust, was inzwischen längst durchgesickert ist: "Die biblische Erkenntnis, alles hat seine Zeit, gilt auch für Politiker", sagt Beust, "und selbstverständlich gilt diese Erkenntnis auch für mich."

17 Jahre sei er in politischen Spitzenämtern aktiv gewesen, eine fünfte Bürgermeister-Kandidatur "widerspräche der politischen Vernunft." Das Ergebnis des Volksentscheids über die Schulreform "wird auch mein Ergebnis sein", erklärt der 55-Jährige. Mit ihm tritt auch die oft kritisierte parteilose Kultursenatorin Karin von Welck ab.

Die Koalition, so sagt Beust, habe viel erreicht: "Hamburg wächst, städtebaulich ist viel entstanden, und fast alle Prognosen sind gut." Dabei gilt das einstige Signalbündnis, das die Gemeinsamkeiten von CDU und Grünen auch hinsichtlich einer Zusammenarbeit auf Bundesebene ausloten sollte, längst als Krisenpakt: Die Schulreform stößt vor allem beim Stammklientel der Union auf erbitterten Widerstand, die stadteigene HSH-Nordbank musste milliardenschwer vor dem Ruin bewahrt werden, und auch das Vorzeigeprojekt Hafencity macht Sorgen. Die Kosten für die Elbphilharmonie explodieren, die Neubaupläne für die Universität an der Elbe sind inzwischen wieder in der Schublade verschwunden.

Gröhe: "Großer Verlust"

Das alles braucht Beust ab 25. August nicht mehr zu kümmern. An diesem Tag tritt die Bürgerschaft das erste Mal nach der Sommerpause zusammen - an diesem Tag will Beust abtreten, um seinem Nachfolger Ahlhaus das Feld zu überlassen.

Die GAL - Hamburgs Grüne und seit 2008 Koalitionspartner der CDU - reagiert irritiert auf den Rückzug des Bürgermeisters. "Ohne ihn wäre diese Koalition nie zustande gekommen", sagt Landesvorsitzende Katharina Fegebank. Dass nun "eine der tragenden Figuren mitten im Stück die politische Bühne" verlässt, dafür habe sie nur "sehr, sehr wenig Verständnis". Der GAL-Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan sagt, die Fortsetzung der Koalition sei "kein Selbstläufer". Beusts Rücktritt komme zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Dessen Nachfolger sieht Kerstan nun in der Pflicht: "Wir erwarten von Ahlhaus ein klares Bekenntnis zum Koalitionsvertrag."

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bezeichnet Beusts Rückzug als "großen Verlust, sowohl für die Stadt Hamburg als auch die CDU als Partei". Die Hamburger SPD wittert dagegen Morgenluft: Parteichef Olaf Scholz fordert nach der Rücktrittsankündigung Neuwahlen. Das sei der sauberste Weg, eine neue Regierung zu finden, sagt er der Süddeutschen Zeitung, und weiter: "Die Krise dieses Senats ist existentiell."

Ähnlich äußert sich die Bundesvorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch. Sie sagte dem Hamburger Abendblatt: "Schwarz-Grün ist am Ende. Neuwahlen wären in Hamburg die sauberste Lösung."

Mit Beusts Rücktritt zum 25. August verliert die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel bereits den sechsten CDU- Landesregierungschef innerhalb eines Jahres. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von einem großen Verlust für die Stadt Hamburg und die CDU. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sieht darin ein Warnsignal an die Bundes-CDU. Beusts Rücktrittsentscheidung werfe die Partei zwar nicht um. "Aber wenn innerhalb eines Jahres sechs Regierungschefs, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen, ihr Amt quittieren, dann entsteht der Eindruck eines Erosionsprozesses", sagte er "Handelsblatt Online".

Hamburgs SPD-Vorsitzender Olaf Scholz sprach sich für eine Neuwahl aus. "Jedenfalls wäre es ein großer Fehler, über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg jetzt einen Bürgermeister einzusetzen, der irgendwo im Hinterzimmer gefunden wurde", sagte er im "Hamburg Journal" des NDR-Fernsehens. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, das erste schwarz-grüne Experiment lasse sich nicht erfolgreich fortsetzen.

Trittin: "Tiefe Orientierungskrise der CDU"

Der grüne Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, schiebt die Schuld für Beusts Rücktrit auf die Kanzlerin: "Der Rücktritt von Ole von Beust offenbart die tiefe Orientierungskrise der CDU. Ob stramm Konservative wie Roland Koch oder der Aufklärung Verpflichtete wie Ole von Beust - alle verzweifeln an Angela Merkel, die weder als Parteivorsitzende noch als Kanzlerin eine klare Richtung vorgibt", sagt Trittin.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte, er halte den Zeitpunkt des Rückzugs für ungeschickt - nicht nur wegen des Volksentscheids über die Schulreform am selben Tag. Im Sender RBB sagte Özdemir am Montag: "Wenn der Kapitän mitten im Sturm von Bord geht, ist das nicht gerade ein gutes Signal."

Einen schnellen Wechsel des Koalitionspartners in Hamburg schloss Özdemir aus: "Wir haben eine Vereinbarung, an die wir uns halten wollen. Die Frage ist nur, ob die andere Seite an ihrem Kurs festhält."

Seehofer: Union behält ihre Schlagkraft

Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU- Vorsitzende Horst Seehofer fürchtet nicht um die Schlagkraft der Union. Er sagte der Bild-Zeitung, in jeder Partei gebe es Phasen der personellen Erneuerung. "Die CSU hat das gerade hinter sich. Die CDU ist mittendrin. Schwächer wird man dabei nur, wenn man dann nicht genügend gute Talente neu in Position bringt." Die CDU habe viele gute junge Politiker. "Also keine Sorge: Die Union behält ihre Schlagkraft", sagte Seehofer.

Etwas anders sieht dies der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach: Beusts Rücktrittsentscheidung werfe die Partei zwar nicht um. "Aber wenn innerhalb eines Jahres sechs Regierungschefs, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen, ihr Amt quittieren, dann entsteht der Eindruck eines Erosionsprozesses", sagte er Handelsblatt Online.

Auch CDU-Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder sprache von einem Erosionsprozess in der Partei gesprochen. "Das ist seine private Entscheidung. Trotzdem: In der Summe entsteht der Eindruck eines Erosionsprozesses", sagte der Bundesvorsitzende der Jungen Union am Montag vor einer Sitzung der Parteispitze in Berlin. "Und den gilt es zu vermeiden, wenn wir erfolgreich in den nächsten Monaten sein wollen." Der Rückzug wird aus seiner Sicht aber keine Auswirkungen auf die Bundespolitik und die Regierung in Hamburg haben. "Schwarz-Grün hängt an Inhalten, nicht an Personen."

Beusts Nachfolger Ahlhaus gilt als Konservativer alter Schule und nicht gerade als großer Freund von Schwarz-Grün. Bislang profilierte er sich eher als innenpolitischer Hardliner. Mit SPD-Mann Scholz hat der gebürtige Heidelberger einen Gegenspieler, der sich nicht nur volksnah gibt, sondern auch die für Hamburg wichtige Verwurzelung in der Stadt aufweisen kann.

Seit 1978 ist Beust Mitglied der Bürgerschaft, 1993 wurde er Fraktionsvorsitzender. Lange blieb er Kronprinz, erstmals Machtbewusstsein zeigte er 2001, als er die "Partei Rechtsstaalicher Offensive" (PRO) des umstrittenen Richters Ronald Schill zum Koalitionspartner machte und so zum Bürgermeister werden konnte. Doch richtig in ihr Herz schlossen ihn die Hanseaten erst, als er das Image des Sonnyboys ablegte und sich präsidialer gab.

Der präsidiale Stil eines Voscherau und eines Beust hat Hamburg in den vergangenen Jahren geprägt. Machtbewusstsein wird Ahlhaus durchaus nachgesagt - um eine präsidiale Figur abzugeben, braucht es jedoch mehr als eine um die Schulter geschwungene Jacke.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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