EU-Spitzentreffen:Heiße Debatte über Energie und Rechtsstaat

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Die rasant gestiegenen Preise für Gas und Strom werden auch Thema beim EU-Gipfel sein. (Foto: Rainer Weisflog/imago images)

Die Staats- und Regierungschefs der EU diskutieren am Donnerstag und Freitag über die steigenden Strom- und Gaspreise - und können wohl auch einem Streit mit Polen nicht ausweichen.

Von Björn Finke, Brüssel

EU-Ratspräsident Charles Michel wollte das heikle Thema nicht auf der Agenda für den Gipfel haben, aber nun ist es unvermeidlich: Wenn sich die 27 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel treffen, wird es auch um den Abbau des Rechtsstaats in Polen gehen. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte wird das Problem ansprechen, wie er im Parlament in Den Haag ankündigte; die schwedische Regierung unterstützt diesen Schritt. Damit könnte eine Wiederholung des Dramas von Juni anstehen. Bei diesem Gipfel stritten die Spitzenpolitiker erhitzt und emotional über Ungarns Zensur-Gesetz gegen die Darstellung nicht-heterosexueller Beziehungen.

Jetzt richtet sich der Zorn nicht gegen Ungarn, sondern gegen Polen, den anderen zunehmend autoritär regierten Mitgliedstaat. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki verteidigte am Dienstag im Europaparlament ein umstrittenes Urteil des Warschauer Verfassungsgerichts, das den Vorrang europäischen Rechts infrage stellt. Der Richterspruch ist vorläufiger Höhepunkt im Disput zwischen Polen und der EU über die Unabhängigkeit der Justiz in dem Land.

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Als sich die 27 Europa-Minister am Dienstag zur Vorbereitung des Gipfels trafen, forderte die Belgierin Sophie Wilmès - auch im Namen der Niederlande und Luxemburgs -, dass die EU-Kommission "so bald wie möglich" den neuen Rechtsstaatsmechanismus anwenden sollte. Der erlaubt es, EU-Geld zurückzuhalten, wenn Rechtsstaatsprobleme im Empfängerland die ordentliche Verwendung gefährden. Deutschlands Vertreter Michael Roth (SPD) nannte diese Regelung ebenfalls "eine Option". Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte dieses Instrument schon bei ihrer Rede im Europäischen Parlament ins Spiel gebracht. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn zeigte sich verblüfft über diese Eskalation: "Ich hätte nie gedacht, mich in einer Situation wiederzufinden, in der man Europa mit Geld retten muss, mit Finanzen. Das ist verrückt."

Daneben wird sich der Gipfel über den Kampf gegen die Pandemie, den Umgang mit Flüchtlingen und den digitalen Wandel austauschen. Das geht aus einem Entwurf der Schlussfolgerungen hervor, welcher der SZ vorliegt. Außerdem wollen die Staats- und Regierungschefs über Verbesserungen bei der Handelspolitik reden. So ist etwa der Handelsvertrag der EU mit dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur blockiert, weil mehrere europäische Regierungen die Unterzeichnung verweigern.

Polen bremst beim Klimaschutz-Paket

Wichtigstes Thema sollen aber die steigenden Preise für Gas und Strom sein. Der Gipfel will die Europäische Investitionsbank, das EU-Förderinstitut, dazu aufrufen, mehr Geld in Projekte zu stecken, die der Energiesicherheit der Union dienen. Auch die Kommission solle über mittel- bis langfristige Maßnahmen nachdenken, die zu einer sicheren, bezahlbaren und klimafreundlichen Versorgung beitragen, heißt es in dem Entwurf.

Polens Regierung fordert in einem Diskussionspapier für den Gipfel, die geplante Ausweitung des Emissionshandels auf Verkehr und Heizen zu streichen, weil dies zu einer "unverhältnismäßigen Belastung, vor allem für Verbraucher" führen würde. Die Ausweitung des Handels mit Verschmutzungsrechten ist jedoch ein zentraler Teil des EU-Klimaschutz-Pakets. Nicht nur beim Thema Rechtsstaat könnten also beim Gipfel hitzige Debatten mit Premier Morawiecki anstehen.

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