Kabinettsbeschluss:Wenn Demokratieförderung unter Verdacht steht

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Nach dem rassistischen Mordanschlag in Hanau verpflichtete sich die Bundesregierung, den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu stärken. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Die Union hat sich lange gegen ein Gesetz gewehrt, das Initiativen gegen Rechtsextremismus finanziell besser absichern soll. Um die Blockade aufzuheben, musste die SPD einen schwierigen Kompromiss eingehen.

Von Antonie Rietzschel und Henrike Roßbach

Franziska Giffey will gleich loslegen, als sie vor die Kamera tritt. Die Bundesfamilienministerin lächelt, sie hat einen Erfolg zu vermelden. Doch sie muss kurz warten, Tonprobleme. Dann sagt sie, dass sich das Bundeskabinett auf Eckpunkte für ein Gesetz zur Förderung der Demokratie in Deutschland geeinigt hat. Das stand zwar nicht im Koalitionsvertrag von SPD und CDU. "Aber es war seit Chemnitz, seit Halle, seit Hanau ein wichtiges Anliegen, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Demokratieförderung in Deutschland eine gesetzliche, eine verlässliche Grundlage bekommt."

Seit Jahren fördert der Bund das Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus mithilfe verschiedener Programme. Doch für hauptamtliche und zivilgesellschaftliche Initiativen birgt die Unterstützung auch große Unsicherheit. Denn die Laufzeit ist begrenzt. Mit einem Budget von 150 Millionen Euro ist das aktuelle Bundesprogramm "Demokratie Leben" finanziell sehr viel besser aufgestellt als die Vorgänger. Doch die Gelder müssen alle fünf Jahre neu beantragt werden.

Freude bei der Ministerin - Skepsis bei Initiativen

Das "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" soll jetzt die langfristige Finanzierung von Projekten ermöglichen und Initiativen besser absichern. Es ist zentraler Bestandteil eines umfassenden Maßnahmenkatalogs, mit dem die Bundesregierung auf rechtsextreme Ausschreitungen und Anschläge reagieren will. Familienministerium Franziska Giffey spricht von einem "klaren Statement der Bundesregierung" im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus.

Romy Arnold ist Geschäftsführerin der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit), einer Initiative, die Städte und Kommunen im Umgang mit rechtsextremen Strukturen unterstützt und Akteure vernetzt. Die bisherige Antragsstellung bezeichnet sie als "ständiges Gebibbere". Das Eckpunktepapier sei deswegen ein Fortschritt. "Wirklich jubeln kann ich trotzdem nicht", sagt Arnold. Das liegt an einem Absatz mit der Überschrift "Gewährleistung einer den Zielen des Grundgesetzes entsprechenden Verwendung staatlicher Fördermittel". Antragsteller sollen sich demnach schriftlich "zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen" und bestätigen, dass sie die Mittel nur für Aktivitäten verwenden, die "förderlich" für die Ziele des Grundgesetzes sind und für die "Bewahrung und Stärkung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung".

2011 hatte die damalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) die Unterzeichnung einer "Demokratieerklärung" zur Voraussetzung für die finanzielle Förderung von Projekten gemacht. Wer sich weigerte, war dem Verdacht ausgesetzt, linksextrem zu sein. Als 2014 die SPD das Ressort übernahm, bedeutete das auch das Ende der "Extremismusklausel". Seitdem werden die Initiativen in einem Begleitschreiben aufgefordert, auf die verfassungsgemäße Verwendung von Mitteln zu achten. Unterschreiben müssen sie nichts.

Mobit ist seit 20 Jahren in Thüringen aktiv, wird vom Bund und dem Land Thüringen gefördert. "Dass uns jetzt wieder dieses Misstrauen entgegengebracht wird, ist ein Rückschritt", sagt Romy Arnold. Und auch Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung, spricht von einem "Generalverdacht gegenüber Initiativen und zivilgesellschaftlichen Akteuren".

Viel Zeit bleibt nicht mehr

Der Absatz ist ein Zugeständnis der SPD an CDU und CSU. Unionspolitiker wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thorsten Frei halten eine gesetzliche Verankerung der Demokratieförderung für überflüssig. "Es ist Aufgabe des Staates, ausreichend finanzielle Mittel für den Kampf gegen Extremismus zur Verfügung zu stellen", sagt Frei. Dies sei der Fall. Frei und andere Fraktionskollegen forderten nach Vorlage eines ersten Entwurfs, das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung in den Eckpunkten zu verankern. Die Blockade verärgerte nicht nur die SPD, sondern auch Horst Seehofer. Das von ihm geführte Innenministerium hatte die Rahmenbedingungen für das Gesetz mit ausgehandelt. Dem Spiegel sagte der CSU-Politiker, er sei "maßlos enttäuscht" von denjenigen, die "mit ihrem destruktiven Handeln die gute Arbeit der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode beschädigen". Doch Frei und andere Unionsabgeordnete ließen sich davon nicht beeindrucken.

Jetzt wo der Kabinettsbeschluss vorliegt, bleibt nicht mehr viel Zeit, das Gesetz zu verabschieden. Vor der Sommerpause des Bundestages sind nur noch drei Sitzungswochen geplant. Dann sind auch schon Wahlen. Ginge es nach der SPD, müsste der Gesetzesentwurf spätestens Anfang Juni vorliegen. Außerdem könnte die Unionsfraktion immer noch ihre Zustimmung verweigern. Der Fraktionsvize der SPD, Dirk Wiese, hält genau das für denkbar. "Ich traue dem Braten noch nicht, dafür ist die Unionsfraktion leider nicht mehr verlässlich", sagt er. Es gebe noch genügend Abgeordnete, die sich gegen das Gesetz wehrten. Trotz Kompromisslösung.

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