Geht uns in Deutschland das was an? Gerade mal jeder zweite Franzose hat sich am Sonntag aufgerafft, um bei den Départements-Wahlen seine Stimme abzugeben. Und erschreckend viele von ihnen - jeder Vierte - stimmten für den rechtspopulistischen Front National, diese ebenso ausländerfeindliche wie Euro-phobe Partei. Egal? Nein, überhaupt nicht.
Der Vormarsch der Rechten in Frankreich berührt auch Deutschland.
Er mag weniger drastisch ausgefallen sein als befürchtet. Aber er ist dramatisch - und er erschüttert das Fundament jenes Gebäudes, das man gern das gemeinsame europäische Haus nennt. Frankreich wankt. Wirtschaftliche Schwäche, sozialer Frust und politischer Furor treiben unsere Nachbarn seit Jahren in die Arme einer Bauernfängerin.
Le Pen bedient sich auch bei der Linken, um gegen Kapitalismus zu wettern
Marine Le Pen, eine begnadete Populistin, prangert an, was Konservative (UMP) und Sozialisten (PS) an ungelösten Problemen aufgetürmt haben. Um wirkliche Lösungen kümmert sie sich nicht. Ihr genügt, die seit Jahrzehnten regierenden Parteien als "das System" zu schmähen, das das Volk verrät. Der Gipfel aller Verschwörung, so macht diese falsche Jeanne d'Arc täglich glauben, sei jedoch, dass die "classe politique" in Paris ihre einst stolze Nation einer fremden Macht ausgeliefert habe - der Herrschaft von EU und Euro, dem "kalten Monster" von Brüssel.
Das verfängt. Le Pen kommt von Rechtsaußen - aber sie bedient sich bei der Linken, um ihre Reden gegen Kapitalismus und Ultraliberalismus zu befeuern. Offene Grenzen, freier Handel und Wettbewerb, die gemeinsame Währung - all das verdammt sie. Die FN-Chefin klingt, als sei sie bei Karl Marx und nicht bei ihrem Vater Jean-Marie in die Lehre gegangen, einem wegen antisemitischer Hetze wiederholt verurteilten Poltergeist.
Europas Extreme, rechte wie linke, vereint dieselbe marktfeindliche, anti-europäische Ideologie. Der Front National propagiert en français, was Syriza auf Griechisch verbreitet. Oder was Podemos, das neue Linksbündnis in Spanien, in den Straßen von Madrid skandiert: dass die Völker im Namen Europas darben müssen, weil Brüssels Austeritätspolitik die Massen ins Elend treibe. Im Norden der EU sind es meist rechte Volkstribune, die auf diese Weise die Verlierer von Globalisierung und Binnenmarkt einfangen. Im Süden gelingt es der Linken, Europas Proletariat und Prekariat um sich zu scharen.