Wenn der 34-jährige Salah Abdeslam, Frankreichs berühmtester Sträfling, seine Zelle im Gefängnis von Réau verlässt, um in die Bibliothek zu gehen, in den Fitnessraum oder auf die Krankenstation, dann steht in der Haftanstalt alles still. Dann ist kein anderer der 800 Häftlinge unterwegs. Abdeslam trägt dann Handschellen, immer, mehrere Wächter begleiten ihn. Totalisolation. Seine Anwälte sagen, Frankreich habe da ein Haftregime allein für ihren Mandanten erfunden, es sei "völlig verrückt".
Nun, Salah Abdeslam ist nicht irgendein Häftling, er ist ein Symbol. Der Franzose, der im belgischen Molenbeek geboren und aufgewachsen ist, gehörte jenem Kommando von zehn Dschihadisten an, die am 13. November 2015 Paris angegriffen haben: die Konzerthalle Bataclan, das Stade de France, die Caféterrassen im 10. und 11. Arrondissement. 131 Menschen wurden getötet.
Auch Abdeslam sollte töten, so war das geplant, auch er trug einen Sprengstoffgürtel. Doch dann entschied er sich im letzten Moment anders. Oder funktionierte der Gürtel nicht? So klar wurde das auch im großen Pariser Prozess nicht. Abdeslam änderte oft seine Version. Das Gericht verurteilte ihn im Sommer 2022 zur höchstmöglichen Strafe: Lebenslänglich mit lebenslanger Verwahrung, das hatte es in der französischen Geschichte bis dahin erst viermal gegeben.
Die Franzosen misstrauten den Belgiern, sie forderten seine Auslieferung
In dieser Geschichte spielt auch Belgien eine Rolle. Am Morgen nach den Anschlägen von Paris hatte es Abdeslam geschafft, nach Belgien zu fliehen und für einige Monate unterzutauchen, bevor er verhaftet wurde. Die belgische Justiz machte ihm dann 2023 den Prozess für seine Rolle beim Terroranschlag in Brüssel am 22. März 2016. Doch wo sollte er einsitzen - in Frankreich oder in Belgien?
Vor einem Monat hat ihn Belgien unter großer Polemik an Frankreich ausgeliefert. So hatten es die Franzosen gefordert. Sie fürchteten, dass Belgien milder mit Abdeslam umspringen würde. Seine Anwälte wiederum klagten, Frankreich hole ihn zurück, damit er im Gefängnis sterbe.
Und so kam Abdeslam Anfang Februar ins Hochsicherheitsgefängnis von Réau, fünfzig Kilometer südlich von Paris. Eine interessante Wahl: Die Anstalt hatte 2018 internationale Berühmtheit erlangt, nachdem dort ein Häftling, der französische "Ausbrecherkönig" Rédoine Faïd, mit einem spektakulären Coup ausgebrochen war. Seine Bande hatte einen Helikopter gemietet, landete damit im Gefängnishof von Réau. Faïd entschwebte seiner Haft.
Danach ist die Sicherheit verstärkt worden, der Hof wurde übergittert, Réau soll jetzt eine Festung sein. Für alle, speziell aber für Salah Abdeslam.
Die Zeitung Le Parisien hat Details über seine Haftbedingungen in der Isolationsabteilung herausgefunden. Zehn Zellen gibt es da. Seine hat eine Fläche von 10,5 Quadratmetern. Für den Freigang ist ein kleiner Außenraum vorgesehen: 45 Quadratmeter, von hohen Mauern umgeben. Für alle anderen Häftlinge in seiner Abteilung gilt, dass sie auch zu zweit herausdürfen. Abdeslam darf das nur allein.
"Das ist Folter", sagt seine Anwältin
In der Nacht wecken sie ihn alle zwei Stunden, um zu schauen, ob er noch lebt. In Belgien, erzählte seine belgische Anwältin Delphine Paci der Zeitung Le Soir, wurde er zu Beginn sogar jede Viertelstunde geweckt, dann einmal pro Stunde. "Das ist Folter", sagt sie. Aber immerhin habe er in Belgien unter einigermaßen normalen Bedingungen seine Verwandten und Anwälte sehen dürfen. Auf einen Fernseher hat Abdeslam nun offenbar freiwillig verzichtet, weil das zu viel gekostet hätte.
Die Isolationshaft schützt nicht nur die anderen vor ihm, sondern potenziell auch ihn selbst vor seinen Mithäftlingen. Sein Gesicht ist bekannt, und die Tat, an der er beteiligt war, war besonders schrecklich. Aber zunächst gilt alle Aufmerksamkeit dem Terroristen. Ist er noch immer gefährlich? Könnte er versuchen, andere Häftlinge zu beeinflussen, solche, die empfänglich sind für die dschihadistische Propaganda? Man fragt sich sogar, ob Salah Abdeslam Attentate aus seiner Haft organisieren könnte.
Vier Monate wird er totalisoliert bleiben, dann vielleicht noch einmal vier Monate. Danach soll er in relativ kurzen Abständen von einer französischen Anstalt zur anderen gebracht werden, damit sich keine Gewohnheiten einstellen, keine riskanten Kontakte. Bis er dann mal einen Antrag auf ein leichteres Haftregime stellen darf, dauert es noch eine Weile - nämlich bis 2046. Er ist dann 56 Jahre alt.