Kiel:Wird die „Poseidon“ Flüchtlingsschiff?

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Forschungsschiff „Poseidon“. (Foto: Jens Klimmeck/Geomar/dpa/Archivbild)

Wird das frühere Kieler Forschungsschiff "Poseidon" zum Flüchtlingsschiff des überwiegend kirchlichen Bündnisses "United4Rescue - gemeinsam retten"? Die...

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Kiel (dpa/lno) - Wird das frühere Kieler Forschungsschiff „Poseidon“ zum Flüchtlingsschiff des überwiegend kirchlichen Bündnisses „United4Rescue - gemeinsam retten“? Die Ausschreibungsfrist der Verwertungsgesellschaft des Bundes (Vebeg) endet am Donnerstag um 13.00 Uhr. Das Bündnis habe einen „anständigen, vertretbaren Preis“ geboten, sagte der Sprecher des Bündnisses, Joachim Lenz, der Deutschen Presse-Agentur. Eine konkrete Summe nannte er nicht. Nach Medienberichten soll die „Poseidon“ einen Schätzwert von etwa einer Million Euro haben. „Die Vebeg hat von einem regen Interesse berichtet, so dass sich nicht abschätzen lässt, wie die Chancen für uns stehen“, sagte Lenz.

Es handelt sich nicht um eine Auktion, sondern um ein verdecktes Angebotsverfahren, wie die Vebeg in Frankfurt erläuterte. Die Zahl der Bieter und ihre Angebote werden erst nach Ablauf der Angebotsfrist übermittelt. Der Auftraggeber der Ausschreibung - das schleswig-holsteinische Wissenschaftsministerium - müsse nicht dem Höchstbietenden das Schiff verkaufen, sondern könne dies frei entscheiden. Innerhalb von sieben Tage wird gemäß Vebeg-Geschäftsbedingungen der ausgewählte Bieter informiert. Die Vebeg selbst veröffentlicht dessen Namen nicht.

Auf die Frage, ob das Wissenschaftsministerium nach dem Höchstpreis oder anderen Kriterien - etwa politischen Vorbehalten gegen ein ehemaliges staatliches Forschungsschiff als künftiges Flüchtlingsschiff - entscheiden werde, erklärte eine Ministeriumssprecherin nur: „Wir können dazu jetzt noch nichts sagen, sondern müssen das Ende der Ausschreibung abwarten und die Angebote sichten.“

Die 1976 in Dienst gestellte „Poseidon“ war bis 2019 im Einsatz des Kieler „Geomar - Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung“ und Vorgängerinstitutionen. Das rund 60 Meter lange Schiff war unter anderem im Atlantik und im Mittelmeer in zahlreichen Forschungseinsätzen. Es sei bis zuletzt in einem technisch guten Zustand gewesen, sagte ein Geomar-Sprecher.

„United4Rescue“-Sprecher Lenz sagte, „wir haben bisher keinen Gegenwind gegen unser Projekt gespürt, aber aus der Politik auch keinen Rückenwind bekommen“. Dem Bündnis gehören laut Lenz inzwischen rund 300 Partner an. Dazu gehören die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Mehrzahl der Landeskirchen, darunter die Nordkirche, aber auch die Musikband Revolverheld und der DGB. Der Filmemacher Wim Wenders hat die Initiative mit seinem Namen und einer Spende unterstützt - wie Tausende Privatpersonen. „Einzelpersonen können aus praktischen Gründen formal nicht Bündnispartner werden, sondern nur Fördermitglied“, erläuterte Lenz.

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) oder katholische Bistümer sind nicht Partner des Bündnisses. Allerdings unterstützen katholische Verbände die Initiative. Der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, hat nach Angaben von Lenz aus seinem bischöflichen Verfügungsfonds 50 000 Euro zur Verfügung gestellt. Marx ist auch DBK-Vorsitzender.

Am 3. Dezember 2019 hatte sich in Hamburg das Aktionsbündnis „United4Rescue - Gemeinsam Retten“ konstituiert. Es unterstützt nach eigenen Angaben die zivilen Seenotrettungsorganisationen, „die im Mittelmeer dem Ertrinken von Menschen auf der Flucht nicht tatenlos zusehen, sondern da humanitär handeln und Menschenleben retten, wo staatliche Seenotrettung fehlt“. So fordert das Bündnis die Verantwortlichen in der europäischen Staatengemeinschaft auf, das Recht auf Seenotrettung zu respektieren und wieder umzusetzen. Es wendet sich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung und fordert faire Asylverfahren für Menschen, die nach Europa fliehen.

Als erstes Projekt will das Bündnis in diesem Jahr ein Seenotrettungsschiff ins Mittelmeer entsenden. Eine beim Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni 2019 verabschiedete Resolution hatte die EKD und ihre Gliedkirchen aufgefordert, ein Schiff ins Mittelmeer zu schicken. Rat und Synode der EKD beschlossen Anfang November 2019, sich dieser Aufgabe im Rahmen eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses zu stellen.

„Wir stehen nicht mit dem Rücken zur Wand, sollten wir die „Poseidon“ nicht bekommen, sagte der Vorsitzende des Trägervereins „United4Rescue - Gemeinsam Retten“ und Vizepräsident des EKD-Kirchenamts, Thies Gundlach, der Deutschen Presse-Agentur. Er hoffe auf die „Poseidon“, aber die Partnerorganisation Sea-Watch halte auch nach Alternativen Ausschau. „Der Plan, mit einem Flüchtlingsschiff 2020 ins Mittelmeer zu starten, steht in jedem Fall.“

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