Online aufs Amt:"Herr Minister, das wird unbezahlbar"

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(Foto: Armin Weigel/dpa)

Behördengänge sollen ins Internet umziehen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, gibt Digitalminister Volker Wissing zu - und erklärt, woran Digitalisierung wirklich scheitert.

Von Vivien Timmler, Berlin

Der Minister ist in Plauderlaune. Warum auch nicht, hat die Digitalisierung in Deutschland soeben schließlich einen großen Schritt nach vorn gemacht. Gut, genau genommen macht sie im Jahr 2028 einen großen Schritt. Dann nämlich, wenn das neue Onlinezugangsgesetz (kurz OZG 2.0) greift, das der Bundestag am Freitag verabschiedet hat. Bürgerinnen und Bürger haben dann offiziell das Recht, ihre Behördengänge online zu erledigen, und können dieses Recht erstmals auch einklagen. Aber in Analog-Deutschland reicht selbst die Aussicht auf ein bisschen Digitalisierung mittlerweile als Grund zur Freude.

Volker Wissing weiß das. Was er auch weiß: Er hat nicht den Ruf, der geborene Digitalminister zu sein. Nur zwei Digitalgesetze hat sein Haus in dieser Legislaturperiode bislang eingebracht; auch für das OZG 2.0 ist das Bundesinnenministerium verantwortlich. Vertraute des Ministers beteuern jedoch, dass er sich sehr wohl für Digitalthemen interessiere, ja: begeistere. Das gelte insbesondere für künstliche Intelligenz.

Aber auch ein Minister stößt mal an seine Grenzen, und sei es im eigenen Haus. "Wenn ich vorgeschlagen habe, etwas zu digitalisieren, hat man mir von administrativer Seite oft gesagt: Herr Minister, das wird unbezahlbar", plaudert Wissing auf einer Veranstaltung der FAZ aus. Er selbst sei überzeugt, es sei "eher der Aufwand, Traditionen zu verlassen", der die Digitalisierung hemme. Das gelte speziell für juristische Traditionen.

"Der klassische Jurist fällt erst mal um"

Ein Beispiel: die Kfz-Zulassung. In der analogen Welt gehen Autohalterinnen und -halter mit ihrem Nummernschild zur Behörde, dort wird die Stempelplakette draufgeklebt, fertig. Wissing wollte das Ganze digitalisieren, die Sticker einfach per Post versenden: "Wir haben die Idee gehabt, dass Bürger auch alleine Aufkleber aufkleben können." Geradezu revolutionär. Doch er hatte die Rechnung ohne seine Hausjuristen gemacht. Denn bis der Aufkleber versendet und angekommen ist, kann das auch mal ein paar Werktage dauern. "Was glauben Sie, was meine Beamten gesagt haben, als ich vorgeschlagen habe, da fährt man halt 14 Tage ohne Staatssiegel", so Wissing. "Der klassische Jurist fällt erst mal um."

Am Ende ist er dann doch wieder aufgestanden: Die Kfz-Zulassung ist im September 2023 ins Internet umgezogen. Zumindest in der Theorie, bislang werden laut Wissing nämlich gerade einmal zwei Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland digital zugelassen. Und das, obwohl der Service online die Hälfte kostet - als Anreiz, das Auto digital zuzulassen. "Das Ergebnis war, dass wir einen Fehlanreiz für die Kommunalverwaltung geschaffen haben", erklärt Wissing. Die hätten sich nämlich gedacht: "Je länger wir das analog weiterbetreiben, sinken auch unsere Gebühreneinnahmen nicht."

Wäre es da nicht einfacher, wenn der Bund das einfach vorschreiben könnte? Nun ja, so Wissing, "der Föderalismus ist nicht unbedingt ein Digitalisierungsförderungskonzept". Aber natürlich wichtig und richtig und alles, aber kein Problem. Na dann: fröhliches Warten auf 2028.

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