Rechtsextremismus:Mehr Härte gegen Demokratiefeinde

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Auch in der Bevölkerung machen sich derzeit viele Sorgen um die Demokratie: Demonstration des Bündnisses "Wir sind die Brandmauer" Anfang Februar in Berlin. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Finanzflüsse abschneiden, Desinformation stoppen: Innenministerin Faeser präsentiert ein Programm, um die Demokratie vor Rechtsextremisten zu schützen. Manchem stand bisher ein Koalitionspartner im Weg.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin

Hunderttausende gehen auf die Straßen seit Wochen, um sich gegen Rechtsextremismus und Angriffe auf demokratische Institutionen zu positionieren. Nun will auch die Politik ein Zeichen setzen und mehr Entschlossenheit an den Tag legen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Dienstag ein weiteres Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus in Berlin vorgestellt, zusammen mit Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang und BKA-Präsident Holger Münch. "Wir wollen alle Instrumente des Rechtsstaats nutzen, um unsere Demokratie zu schützen", kündigte Faeser an. Es gehe darum, rechtsextremistische Netzwerke zu zerschlagen, ihnen ihre Einnahmen zu entziehen und ihnen die Waffen wegzunehmen, sagte die Ministerin. Die Politik müsse die offene Gesellschaft besser gegen ihre Feinde verteidigen.

Der Vorstoß aus dem Bundesinnenministerium und den Sicherheitsbehörden zielt zum einen darauf ab, Extremisten am äußersten rechten Rand ähnlich wie kriminelle Clans oder Gruppierungen der Organisierten Kriminalität zu behandeln. Dazu gehört auch, ihnen die Geldzuflüsse abzuschneiden und dem Verfassungsschutz größere Befugnisse bei Finanzermittlungen zu geben. Zum anderen will Faeser aber auch dafür sorgen, dass wichtige demokratische Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht gestärkt und notfalls per Grundgesetzänderung krisenfester gemacht werden.

Nun hat es an Plänen gegen Gefahren von rechts auch bisher nicht gemangelt in Berlin. Schon unter der Regierung von Angela Merkel wurde ein 89-Punkte-Plan gegen Rassismus und Rechtsextremismus beschlossen. Es sah unter anderem eine Stärkung von politischer Bildung und Präventionsprogrammen vor. Kurz nach ihrem Amtsantritt legte dann Bundesinnenministerin Faeser nach, wenn auch zunächst nur mit Papier. Im März 2022 kündigte sie einen "Aktionsplan" gegen Rechtsextremismus an. Ein Kernstück des Vorhabens: die Verschärfung der Waffengesetze. In einem Gesetzentwurf schlug Faeser vor, dass schon die Mitgliedschaft in einer Organisation, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt wird, zum Entzug der Waffenerlaubnis führen kann. Kriegswaffenähnliche, halb automatische Waffen sollen für Privatleute ganz verboten werden.

Das Gesetz allerdings gibt es bis heute nicht, Faeser scheiterte am Widerstand der FDP. Auch das geplante Demokratiefördergesetz, das zivilgesellschaftliche Anti-Extremismus-Initiativen auf eine solidere finanzielle Grundlage stellen soll, hängt seit Monaten im parlamentarischen Verfahren im Bundestag fest. Mit ihrem Maßnahmenpaket, das am Dienstag vorgestellt wurde, will Faeser solchen Anliegen nun neue Dringlichkeit verleihen.

Die Verschärfung des Waffengesetzes sei ein "entscheidender Baustein zur Entwaffnung von Extremisten", sagte sie in Berlin. Die Regierung sei in neue Gespräche eingetreten, Faeser hoffe auf eine Einigung. Auch die Sicherheitsbehörden haben den Druck auf die Bundesregierung erhöht - gemeint war vor allem die FDP, die neuen Waffengesetzen nicht mehr im Weg stehen soll. Er wäre sehr zufrieden, wenn die Reform endlich in Kraft treten könnte, mahnte Verfassungsschutzchef Haldenwang. BKA-Präsident Münch sprach sich ebenfalls für Faesers Vorhaben aus. "Jede Waffe weniger in der Hand eines gewaltbereiten Extremisten bedeutet mehr Sicherheit", sagte Münch.

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Die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts soll abgesichert werden

Weil das Innenministerium auch für die Verfassung zuständig ist, unterstützt Faeser aber auch eine Initiative, die von ehemaligen Verfassungsrichtern angestoßen wurde: eine Grundgesetzänderung, um Blockaden im Arbeitsablauf des Verfassungsgerichts zu verhindern. Es sei notwendig, "die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärker gegen die Einflussnahme demokratiefeindlicher Kräfte abzusichern", heißt es in Faesers Papier. In Autokratien zeige sich, wie etwa durch die Gründung zusätzlicher Kammern am Verfassungsgericht politische Verfahren abgespalten und instrumentalisiert werden könnten. Wie das verhindert werden könnte? Es biete sich an, "die zentralen Regelungen zu Organisation und Verfahren" des Bundesverfassungsgerichts ins Grundgesetz aufzunehmen.

Auf allen Ebenen sollen Behörden und staatliche Stellen Extremisten die Grenzen aufzeigen und stärker kooperieren, heißt es weiter. Der Verfassungsschutz soll künftig verstärkt seine Möglichkeiten nutzen, ihre Erkenntnisse lokalen Behörden zu übermitteln, etwa der Polizei, dem Ordnungsamt oder der Gewerbe- und Gaststättenaufsicht. So sollen auch rechtsextremistische Veranstaltungen frühzeitiger untersagt werden können.

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Die Gefahr von rechts ist laut Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang groß. Mehr als 38 000 Personen gelten derzeit als rechtsextremistisch, 14 000 davon seien bereit, ihre politischen Ziele auch mit Gewalt durchzusetzen. Die Zahl der Rechtsextremisten steige seit Jahren kontinuierlich. Sorge bereite seinem Amt auch die immer stärkere Vernetzung der Szene und der Versuch, in der gesellschaftlichen Mitte Fuß zu fassen. Das geschehe durch eine "mentale und verbale Grenzverschiebung". Nach BKA-Angaben erreichte die Zahl der politisch motivierten Straftaten im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand.

Das Ministerium baut eine Einheit gegen Desinformationskampagnen auf

Das Innenministerium arbeitet auch daran, die internationale Vernetzung der Szene zu verhindern. Ein- und Ausreisen international agierender Rechtsextremisten sollen wie im Fall des Österreichers Martin Sellner verhindert werden. Eine neue "Früherkennungseinheit der Bundesregierung" soll globale Desinformationskampagnen stoppen. Das Innenministerium baut diese Einheit derzeit auf. Die Behörden wollen verhindern, dass manipulierte Nachrichten mit neuer Technik immer größere Wirkung entfalten. Gerade autoritäre Regime erzeugten mit Fake-Accounts künstliche Reichweite "oder erfinden mit KI-basierten Bildern Geschichten", so das Maßnahmenpapier. Sie versuchten so, die freie Meinungsbildung in anderen Staaten zu manipulieren.

Geht es nach Faesers Plänen, soll es Behörden künftig aber auch erleichtert werden, Finanzströme Rechtsextremer zu erkennen und trockenzulegen. Derzeit wird im Bundesinnenministerium ein Gesetz vorbereitet, das dem Verfassungsschutz mehr Möglichkeiten einräumen soll, Informationen über Konten und Finanztransaktionen, aber auch über Spendenflüsse anzufordern. Bislang sind Ermittlungen hier auf Fälle beschränkt, in denen es um volksverhetzende und gewaltorientierte Bestrebungen geht. Das Bundesverfassungsschutzgesetz soll nun so geändert werden, dass Ermittlungsverfahren künftig auch auf das "Gefährdungspotenzial" extremistischer Akteure abstellen können. Damit würde die Hürde gesenkt. Die Sicherheitsbehörden sollen außerdem Zugriff auf das Immobilientransaktionsregister erhalten - es ist allerdings noch in Planung.

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