Extremismus - Karlsruhe:Schlag gegen rechte Terrorzelle: Razzia im Landkreis Uelzen

Baden-Württemberg
Ein Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug "Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof". Foto: Uli Deck/dpa (Foto: dpa)

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Karlsruhe/Hannover (dpa) - Fünf mutmaßliche Rechtsextremisten stehen im Verdacht, eine Terrorzelle gegründet und Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst zu haben. Der Generalbundesanwalt ließ am Freitag vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer festnehmen. Ein fünfter Mann, der ebenfalls zum Kern gehört haben soll, gilt zwar als Beschuldigter, blieb aber auf freiem Fuß. Zuvor waren die Ermittler mit Razzien in Niedersachsen und fünf anderen Bundesländern gegen die Gruppe vorgegangen.

Alle Festgenommenen sind Deutsche und Männer, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte. Sie sollen am Samstag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) vorgeführt werden. Dieser entscheidet, ob die Verdächtigen in Untersuchungshaft kommen oder jemand möglicherweise wieder freigelassen werden muss.

Die Gruppierung soll sich im September 2019 gegründet haben. Die fünf Beschuldigten hätten sich in unterschiedlichen Besetzungen mehrfach persönlich getroffen, hieß es weiter. Einer von ihnen, Werner S., habe diese Treffen anberaumt und koordiniert. Ein anderer, Tony E., habe ihn dabei einige Male unterstützt. Außerdem hätten sich die Männer in Chatgruppen und am Telefon ausgetauscht. Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen zugesagt haben, die Gruppe finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an künftigen Anschlägen mitzuwirken.

Nach dpa-Informationen gab es eine Durchsuchung im Landkreis Uelzen. Der niedersächsische Verdächtige, Tony E., war dem Vernehmen nach den Behörden bisher nicht als Rechtsextremist bekannt. Im Zusammenhang mit den Razzien ist ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in NRW suspendiert worden. Das sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). Insgesamt wurden am Morgen in NRW vier Wohnungen durchsucht worden: zwei in Minden, eine in Porta Westfalica und eine in Hamm. Die Gruppierung setze sich zusammen aus Mitgliedern einer rechtsextremen Szene, "die wir schon länger im Blick hatten", sagte Reul. Minden und Porta Westfalica liegen nahe der Grenze zu Niedersachsen.

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Männer mit ihren Anschlägen bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen wollten - mit dem Ziel, "die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Die Idee für die Anschläge sei aber noch nicht konkretisiert worden.

Die Ermittler hatten in den Morgenstunden zugeschlagen und an insgesamt 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Wohnungen und andere Räume durchsucht. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bundesanwaltschaft für Festnahmen aber noch nicht genug in der Hand. "Auf Grundlage der aktuellen Ermittlungsergebnisse haben sich die Verdachtsmomente gegen die Beschuldigten erhärtet", teilte die Bundesanwaltschaft am frühen Nachmittag mit, ohne Einzelheiten zu nennen. Nach dpa-Informationen wurden mehrere Waffen gefunden. Das berichtete auch der "Spiegel".

Auch das Alter der Männer wurde nicht mitgeteilt. Laut SWR und ARD-Hauptstadtstudio ist der Jüngste 20 und der Älteste 50 Jahre alt. Werner S. stammt nach dpa-Informationen aus dem Kreis Augsburg. Die anderen drei Hauptverdächtigen kommen demnach aus Baden-Württemberg (Landkreis Esslingen), NRW (Kreis Minden-Lübbecke) und Tony E. aus dem Landkreis Uelzen. Die Federführung für die Durchsuchungen hatte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg.

Die Vorwürfe gegen die mutmaßlichen Rechtsterroristen erinnern stark an diejenigen gegen die Gruppierung "Revolution Chemnitz". Auch sie organisierte sich in einer Chatgruppe, auch hier war von Anschlägen auf Ausländer und politisch Andersdenkende die Rede. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass diese Planungen in ein "symbolträchtiges Geschehen" am Tag der Deutschen Einheit 2018 in Berlin münden sollten. Derzeit stehen die acht Männer aus der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene in Dresden vor Gericht.

Sicherheitsbehörden schätzen die Bedrohung durch rechten Terror im Moment so hoch ein wie lange nicht mehr. Alarmiert durch die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) und den Anschlag auf eine Synagoge in Halle hatte die Bundesregierung mehr Anstrengungen auf dem Gebiet angekündigt. Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz wurden zusätzliche Stellen bewilligt.

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