Europäischer "Green Deal":Gesünder und grüner aus der Krise

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Gemeinsame Pressekonferenz in der EU-Zentrale: Europa soll in Zukunft nachhaltiger werden. (Foto: REUTERS)

Mehr Ökolandbau, weniger Pestizide und ein einheitliches Nährwert-Label auf Lebensmitteln: Die EU-Kommission macht den "Green Deal" konkreter.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Die belgische Hauptstadt ist nicht unbedingt für gesundes, klimafreundlich hergestelltes Essen bekannt: In der Stadt gibt es unzählige Restaurants mit exotischen Speisekarten; und der Verband der belgischen Kartoffelerzeuger hat die Bürger gerade erst dazu aufgerufen, zur Unterstützung der Bauern doch bitteschön zweimal pro Woche Fritten zu essen.

An diesem Mittwoch jedoch hat die EU-Kommission in Brüssel Pläne vorgestellt, die die Ernährung nicht nur in Belgien, sondern in ganz Europa verändern könnte: Mit der Strategie stelle man sicher, dass Europa "mit gesünderen Bürgern auf einem grüneren, nachhaltigeren Planeten" aus der Krise herauskomme, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides.

Die neue Strategie, die in Brüssel unter dem Schlagwort "Vom Hof auf den Tisch" bekannt ist, ist ein Kernbestandteil des "European Green Deal". Sie soll dazu beitragen, die Lebensmittelproduktion in Europa nachhaltiger zu gestalten, etwa indem der Einsatz von Pestiziden bis 2030 um die Hälfte gesenkt und die ökologische Landwirtschaft deutlich gestärkt werden soll: Bis 2030 soll der Anteil der Flächen, die für Ökolandbau reserviert sind, von jetzt acht auf dann 25 Prozent steigen.

Unterschiedliche Reaktionen auf die Pläne

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Umweltverbände begrüßten die Pläne für die Landwirtschaft und eine neue Strategie für mehr Natur- und Artenschutz, die ebenfalls am Mittwoch vorgestellt wurde. Der Naturschutzbund Nabu etwa nennt die Vorschläge "wichtige Bausteine hin zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft". Erst am Dienstag hatte ein Bericht der deutschen Bundesregierung die intensive Landwirtschaft als Treiber für den Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen genannt.

Die Reaktion von Bauern- und Agrarverbänden auf die neuen Pläne der EU-Kommission fielen hingegen harsch aus: "Dieser Vorschlag ist der falsche Weg", sagt etwa der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. "Er ist ein Generalangriff auf die gesamte Landwirtschaft." Die Christdemokraten im EU-Parlament kritisierten mit Blick auf die Corona-Krise außerdem das Timing: Man bedaure das Tempo der EU-Kommission, "gerade jetzt, wo Bauern in ganz Europa einer sehr unsicheren Zukunft entgegen sehen", heißt es in einer Mitteilung. Dazu passt, dass die neuen Vorhaben in Brüssel von gleich drei EU-Kommissaren präsentiert wurden - ausgerechnet der für die Landwirtschaft zuständige, der Pole Janusz Wojciechowski, fehlte aber. Offenbar hatte man in der EU-Kommission schon geahnt, dass der Vorschlag bei Landwirten auf wenig Gegenliebe stoßen würde.

Einheitliches System für Nährwertangaben ab 2022

Neben den neuen Zielvorgaben für die Landwirtschaft sieht die EU-Strategie auch ein verbindliches Labelling-System für Lebensmittel vor: 2022 will die EU-Kommission ein europaweit einheitliches System für Nährwertangaben auf der Packungsvorderseite vorschlagen. "Es geht uns nicht darum, den Leuten ihre Entscheidungen vorzuschreiben", sagt der Klimakommissar Frans Timmermans. "Aber besser informierte Bürger sind stärkere Bürger." Verbraucherverbände lobten das Vorhaben, kritisierten aber, dass die neuen Labels erst von 2022 an eingeführt werden sollen.

Neben der "Vom Hof auf den Tisch"-Initiative stellte die EU-Kommission am Mittwoch auch neue Pläne für mehr Umwelt- und Artenschutz vor; die SZ hatte darüber bereits vorab berichtet. Demnach sollen bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Wasserflächen in Europa zu Schutzgebieten werden. Außerdem will die EU-Kommission einen Fahrplan für das Pflanzen von mindestens drei Milliarden Bäumen bis 2030 vorlegen. Man könne schlecht andere Länder bitten, ihre Urwälder zu schützen, wenn man nicht gleichzeitig die Urwälder in Europas bewahre, hieß es aus der EU-Kommission. Gerade jetzt, während der Corona-Krise, sei der richtige Zeitpunkt für solche Vorhaben: "Die Krise hat gezeigt, wie verletzlich wir alle sind, und wie wichtig es ist, das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur wiederherzustellen", sagt EU-Kommissar Frans Timmermans.

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