Europäische Union:In Brüssel regiert ein aufgeblähter Beamtenapparat

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An den Stammtischen der Republik schimpft man zuweilen gerne "auf die da in Brüssel". Auf die "Eurokraten". Oder den aufgeblähten, hochbezahlten Beamtenapparat, der einem Regulierungswahn verfallen sei und nichts Besseres zu tun habe, als sich neue Verordnungen zu überlegen, mit denen er die Bürger gängeln kann. Horst Seehofer, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef, hat das beim Politischen Aschermittwoch Anfang März wieder hübsch gezeigt. Er wetterte gegen den Drang der Kommission, "jeden Winkel Deutschlands und Bayern zu reglementieren".

Nun dient vieles, was in bayerischen Bierzelten so gesagt wird, vor allem der landsmannschaftlichen Selbstvergewisserung und ist glücklicherweise oft nicht bis auf das letzte Komma ernst zu nehmen. Mit ihrer Kritik an Brüssel allerdings trifft die CSU eine Grundstimmung. In ähnlicher Form ist sie genauso an norddeutschen Stammtischen oder auch in britischen Pubs salonfähig, in denen Europa sowieso gerne - mit leicht abfälligem Unterton - nur "the continent" genannt wird.

Das Seemannsgarn von der überbordenden EU-Bürokratie hält sich hartnäckig, obwohl der Beamtenapparat in Brüssel zahlenmäßig nicht besonders groß ist. Knapp 60 000 Menschen arbeiten für die Europäische Union mit ihren gut 500 Millionen Einwohnern. In dieser Zahl sind nicht nur die Bediensteten der Kommission enthalten, sondern auch sämtliche Angestellten der Behörden und Unterbehörden sowie die zahlreichen Übersetzer und Dolmetscher.

Auch wenn man die Aufgaben der EU nicht direkt mit denen einer deutschen Großstadt vergleichen kann, hilft eine Zahl zur Orientierung: Die Stadt München beschäftigt bei 1,4 Millionen Einwohnern etwa 32 000 Menschen, also halb so viele wie die EU. In anderen deutschen Großstädten sind die Zahlen ähnlich: Hamburg etwa, das anders als München auch ein Bundesland ist, beschäftigt 75 000 Mitarbeiter. Ähnlich in Berlin, wo es nach Angaben der Senatsverwaltung 104 000 Vollzeitstellen sind; die tatsächliche Zahl der Mitarbeiter liegt noch höher, weil viele Angestellte in der öffentlichen Verwaltung Teilzeit arbeiten.

Der Anteil des EU-Haushaltes, der in die Verwaltung fließt, liegt seit Jahren konstant bei etwa sechs Prozent. Für das Haushaltsjahr 2013 sind 8,4 Milliarden Euro ausgewiesen, nur etwa die Hälfte davon sind echte Personalausgaben. Noch einmal der Vergleich zur Stadt München: So wurden 2013 etwa 1,6 Milliarden Euro an Gehältern für die Bediensteten der Stadt ausgezahlt; insgesamt hat die Stadt 5,5 Milliarden Euro ausgegeben. Die Personalausgaben machen also in München gemessen am gesamten Haushalt etwa 30 Prozent aus.

Oliver Klasen

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