Kritik an der EU-Kommission:Ein Hoch auf das Brüsseler Öko-Design

EU-Vorschriften für stromfressende Kaffeemaschinen

Die EU-Kommission will gegen stromfressende Kaffeemaschinen vorgehen.

(Foto: dpa)

Die EU geht gegen Stromfresser vor - und FDP und AfD werfen ihr reflexhaft Regelungswut vor. Überhaupt, Brüssel kümmere sich nur um Glühbirnen, Kaffeemaschinen und Staubsauer statt um die wirklich wichtigen Themen. Warum diese Pauschalkritik komplett nach hinten losgeht.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die Freiheit ist mal wieder in Gefahr. Aber sowas von. Und schuld ist - na, wer wohl? Genau, die Europäische Union mit ihren vielen schlimmen Verboten. Jedenfalls sehen das die beiden Kleinparteien FDP und AfD so. Es geht dabei um die Öko-Design-Richtlinie der EU.

Mit Hilfe dieser Richtlinie nämlich hat die EU-Kommission die Glühbirnen verboten. Und jetzt haben alle dieses kalte Neonlicht der Energiesparleuchten in ihren ehemals heimeligen Wohnstuben, die neuerdings so gemütlich illuminiert sind wie der Verkaufstresen einer Eck-Schlachterei.

Ergo: Was mit dieser Richtlinie zu tun, das kann ja nur von Übel sein.

Nach den Glühbirnen ging es erst den Staubsaugern und jetzt den Kaffeemaschinen an den Kragen. Geht´s noch?!, ruft da etwa der FDP-Spitzenkandidat für die Europawahl, Alexander Graf Lambsdorff. Der will die Öko-Design-Richtlinie am liebsten ganz abschaffen. Jedenfalls gehört das neben einer kleineren EU-Kommission zu seinen wichtigsten politischen Zielen. Und die AfD findet, die EU solle sich lieber um einheitliche Steckdosen kümmern, als um den Stromverbrauch von Kaffeemaschinen.

Dann ist da noch CDU-Vize Julia Klöckner, die meint, die EU-Kommission suche offenbar "händeringend nach immer neuen Feldern unseres Alltages, wo sie regulierend eingreifen will". Immer schön druff auf die EU!

Das Problem mit der Warmhalteplatte

Spinnen die also mal wieder, die bösen Brüsseler Bürokraten? Klare Antwort: Nein.

Schauen wir uns die Kaffeemaschinen, um die es jetzt geht, mal genauer an. Die kochen ja nicht nur Kaffee, die haben auch eine Warmhalteplatte, damit der Kaffee in den meist unisolierten Glaskannen nicht kalt wird. Mal abgesehen von der Frage, ob Kaffee noch schmeckt, wenn er mehrere Stunden auf dieser Platte vor sich hin gedampft hat - sinnvoll ist das nicht. Das Warmhalten zieht mehr Strom als der Brühvorgang selbst. Die EU-Kommission will deshalb, dass sich die Warmhalteplatten nach spätestens 40 Minuten ausschalten.

Das spart Strom. Lächerlich wenig, meinen manche. Aber wie immer im Leben macht Kleinvieh eben auch Mist.

Das gilt auch für die bereits erwähnten Staubsauger. Da hat die EU-Kommission ebenfalls durchgegriffen. Ab September 2014 dürfen nur noch Staubsauger mit maximal 1600 Watt verkauft werden. Ab 2017 sogar nur noch solche mit 900 Watt.

Wieder ist das Geschrei groß. Gängelung sei das und Wahnsinn und irre. Der Irrtum aber liegt darin, dass viele glauben, viel Watt sauge besser. Das stimmt nicht. Schon heute können moderne Staubsauger mit weit unter 1600 Watt Leistung Staubsauger mit 2000 Watt locker unter den Teppich saugen. Manche Staubsaugerhersteller versprechen, dass sogar 400 Watt ausreichen würden, um dem Staub im Teppich den Garaus zu machen.

Kleinvieh macht auch Mist

Die neuen Watt-Grenzen sorgen deshalb vor allem für eines: mehr Wettbewerb um die beste Saugtechnik. Energiekommissar Günther Oettinger von der CDU schätzt, alleine die Staubsaugerverordnung werde bis 2020 dazu führen, dass jährlich 19 Terawattstunden Strom gespart werden. Das entspricht der Jahresleistung von zwei Atomkraftwerken. Die europäischen Verbraucher sparen somit zusammen 3,8 Milliarden Euro. Das ist dann ein ganz schön großer Misthaufen.

Die Selbstregulierung der Märkte hilft da nicht. Weshalb mit den neuen Regeln auch Energieplaketten auf die Staubsauber kommen, wie sie schon von Kühlschränken und Herden bekannt sind. Die haben übrigens dazu geführt, dass sich der Stromverbrauch dieser Geräte massiv verringert hat. Die Energie-Effizienzklasse A reicht längst nicht mehr. Heute geht es um A+++. Ohne die Öko-Design-Richtlinie der EU wäre das nicht möglich gewesen.

Verantwortlich sind die Länder - nicht Brüssel

Oder nehmen wir die kleinen Netzteile, die zu fast jedem Elektrogerät gehören. Die ziehen Strom, selbst wenn das Gerät ausgeschaltet ist. Pfennigkram, sagen die einen. Die Zahlen der EU sehen so aus: EU-weit verbrauchen diese Netzteile 17 Terawattstunden Strom pro Jahr. Wenn nichts passiert würde dieser Wert bis 2020 auf 31 Terawattstunden ansteigen. Also etwa um so viel, wie drei Atomkraftwerke pro Jahr an Strom produzieren. Dank der Richtlinie sollen die kleinen Stromfresser 30 Prozent weniger Energie verbrauchen. Das verspricht Einsparungen von etwa neun Terawattstunden pro Jahr.

Ein Märchen ist übrigens ohnehin, dass sich die EU-Kommission das alles ausgedacht hat. Es waren die europäischen Regierungen - und ganz vorne Deutschland -, die die Öko-Design-Richtlinie in Auftrag gaben. Sie ist schon seit 2005 in Kraft. Seitdem steht auch der Katalog der Geräte, die erst untersucht und für die dann Verbrauchsregeln aufgestellt werden.

Gut für die Umwelt und den Geldbeutel

Das immer noch gültige Ziel, den Stromverbrauch zu senken, bedeutet, dass leichter auf Atomkraft und - aus Klimasicht noch besser - auf Kohlekraftwerke verzichtet werden kann. Darum ist es auch noch nicht vorbei. Die Öko-Design-Richtlinie sieht weitere Energiespar-Regeln unter anderem für Duschköpfe, Pumpen, Elektrowerkzeuge und Herde vor.

Noch mal kurz zurück zu den Kaffeemaschinen. Die neuen Regeln finden ja nicht mal die Hersteller schlecht. "Die ab 1. Januar 2015 geplante Regelung ist extrem sinnvoll zur Verringerung des Stromverbrauchs", sagt etwa der Geschäftsführer des Fachverbandes Hausgeräte im Zentralverband der Elektroindustrie (ZVEI), Werner Scholz.

Fassen wir also zusammen: Die Öko-Design-Richtlinie hilft Strom und Energie zu sparen. Das ist gut für die Umwelt und für das Budget der Verbraucher. Und die Unternehmen haben damit auch kein Problem. Wer da noch einmal von der Regelungswut der EU spricht, disqualifiziert sich selbst.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: