Europäische Union:Was der Wolf mit dem Strompreis zu tun hat

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Die Verblüffung in Brüssel war groß, als Kommissionspräsidentin von der Leyen ankündigte, der Artenschutz für Wölfe könne bald gelockert werden. (Foto: Jean-Christophe Verhaegen/AFP)

Die deutschen Ministerpräsidenten reisen nach Brüssel zu Ursula von der Leyen - und werden dort auch über ein Thema sprechen, das der Kommissionspräsidentin seit Kurzem sehr wichtig ist.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Ursula von der Leyen tritt in Brüssel nur dann persönlich in Erscheinung, wenn es wirklich wichtig ist. Selbst in Fragen von Klimaschutz und Migration lässt die Kommissionspräsidentin meist den zuständigen Kolleginnen und Kollegen den Vortritt. Wirklich wichtig ist ihr, wie man seit Montag weiß, zum Beispiel der Wolf.

Die Verblüffung in Brüssel war groß, als Ursula von der Leyen ankündigte, der Artenschutz für Wölfe könne bald gelockert werden. Bis zum 22. September werden Daten zu den Wolfspopulationen in Europa erhoben, bis Jahresende soll es eine Entscheidung über den Schutzstatus geben. Ausdrücklich ermutigte sie lokale Behörden, den Abschuss von "Problemwölfen" zu erlauben, die Weidetiere reißen. Ist das nicht erstaunliches Mikromanagement für eine Kommissionspräsidentin? Die Erklärung führt wohl in ihre Heimat.

Was halten die Länderchefs von der Brüsseler Politik?

In Burgdorf, Niedersachsen, wurde vor einem Jahr ihr Lieblingspony Dolly von einem Wolf gerissen. Es wäre reine Spekulation zu behaupten, von der Leyen sei von Rachegelüsten getrieben. In Niedersachsen lebt jeder dritte der rund 1500 Wölfe in Deutschland, in manchen Regionen werden immer wieder Weidetiere gerissen, die Tierhalter rufen nach dem Staat. Deshalb will Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) von der EU die Erlaubnis für ein regionales Bestandsmanagement. So gesehen war Ursula von der Leyens Auftritt ein Gastgeschenk für den Landsmann.

Stephan Weil reist an diesem Mittwoch als Vorsitzender der deutschen Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) nach Brüssel, gemeinsam mit den 15 anderen Länderchefinnen und -chefs. Erstmals seit 2018 wird die Runde wieder bei den EU-Institutionen vorstellig, und der Wolf wird ein großes Thema sein. Vor Beginn der Gespräche wird eine Delegation des Bauernverbandes für eine Kehrtwende in der Wolfspolitik demonstrieren.

Im Zentrum des Besuches in Brüssel aber soll die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland stehen. Der EU-Betrieb habe manchmal eine zu große "Flughöhe", um die Folgen seiner Politik zu erkennen, hieß es vorab aus Teilnehmerkreisen. Deshalb wird man die Kommission auffordern, Wirtschaft und Gesellschaft nicht mit Klima- und Umweltgesetzen zu überfordern. Neben Ursula von der Leyen dürfte der Adressat solcher Mahnungen vor allem der geschäftsführende Vizepräsident Maroš Šefčovič sein, der als Nachfolger von Frans Timmermans den Grünen Deal in der EU-Kommission verantwortet.

Zwischen Ministerpräsidentenkonferenz und Ampel gibt es einen wichtigen Unterschied

Zudem will die Runde eine "Brüsseler Erklärung" verabschieden. Sie richtet sich an die EU, aber mehr noch an die Bundesregierung in Berlin. Die Ministerpräsidenten wollen möglichst schnell einen staatlich subventionierten Industriestrompreis. Wie das Handelsblatt berichtete, werden in dem Papier die hohen Energiepreise als "akutes Hemmnis für die Erholung der Konjunktur" bezeichnet. "Es muss daher den Mitgliedstaaten für einen Übergangszeitraum möglich sein, einen wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis vor allem für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen zu etablieren, bis bezahlbare erneuerbare Energien in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen."

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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist Befürworter dieses Plans, Kanzler Olaf Scholz (SPD) gibt sich im Gegensatz zu seiner Partei zurückhaltend, Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Ablehnung seiner Partei mit möglichen europarechtlichen Bedenken begründet. Kleine EU-Staaten fürchten Wettbewerbsnachteile, wenn Deutschland seine Industrie derart subventioniert, auch die europäischen Grünen fordern eine EU-weite Lösung. An Brüssel werde der Plan letztlich kaum scheitern, ist aus der MPK zu hören, eher an den Streitereien in der Ampel.

Das jedenfalls dürfte eine angenehme Erfahrung für Ursula von der Leyen sein: Anders als die Ampelkoalition spricht die Ministerpräsidentenkonferenz, koordiniert von Stephan Weil (SPD) und Hendrik Wüst (CDU), mit einer Stimme. Alle 16 sind für den Brückenstrompreis.

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