Brüssel:EU-Staaten richten deutliche Warnung an Russland

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Russische Soldaten nehmen an militärischen Übungen in der Region Krasnodar teil. (Foto: AP)

Die EU-Staaten drohen Moskau Sanktionen an für den Fall, dass das Land die Ukraine angreift. Zugleich wollen sie aber mit dem russischen Präsidenten Putin im Gespräch bleiben.

Von Matthias Kolb, Brüssel, Paul-Anton Krüger, Berlin, und Silke Bigalke, Brüssel/Berlin

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union warnen Russland vor "massiven Konsequenzen und hohen Kosten" einer weiteren militärischen Aggression gegen die Ukraine. Das geht aus dem entsprechenden Teil der Abschlusserklärung des EU-Gipfels hervor, der am Donnerstagabend beschlossen wurde. Konkrete Beschlüsse über mögliche Sanktionen will die EU erst fassen, wenn es zu einer Invasion kommen sollte. Die in der Erklärung angedrohten Strafmaßnahmen werde man mit Partnern koordinieren - damit gemeint sind vor allem die USA und Großbritannien. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte zu Beginn des Treffens, dass "die Unverletzbarkeit der Grenzen eine der ganz wichtigen Grundlagen des Friedens in Europa ist" und die EU-Staaten alles dafür tun würden, dass dieses Prinzip gewahrt bleibt.

Die EU bekräftigte damit die Haltung, auf die sich zuvor die USA und die anderen Nato-Staaten sowie die G-7-Außenminister verständigt hatten. Sollten die angedrohten einschneidenden Wirtschaftssanktionen tatsächlich verhängt werden, käme der EU aber die wesentliche Rolle zu. Einige Mitgliedstaaten forderten, sofort Strafmaßnahmen gegen Russland zu verhängen und nicht erst als Reaktion auf eine mögliche weitere Militärintervention von Russlands Präsident Wladimir Putin in der Ukraine.

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Das Berliner Kammergericht hält es für bewiesen, dass ein 56-jähriger Russe in der Hauptstadt einen tschetschenischstämmigen Georgier umgebracht hat - im Auftrag der russischen Regierung. Das Auswärtige Amt erklärt zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft zu unerwünschten Personen.

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Der litauische Präsident Gitanas Nausėda warnte, man befinde sich in der "gefährlichsten Lage der vergangenen 30 Jahre". Lettlands Premier Krišjānis Kariņš sprach von einer "Reihe von Attacken, die alle miteinander verbunden sind". Er nannte das Verhalten des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko, der Migranten an die Grenzen von EU-Staaten bringen lasse, sowie künstlich hochgehaltene Preise für russisches Gas und Desinformationskampagnen Moskaus.

Auch auf dem Westbalkan fordert Moskau die Europäische Union und den Westen heraus. Der Hohe Repräsentant der Vereinten Nationen für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, sagte der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf Bestrebungen des bosnischen Serbenführers Milorad Dodik, den serbischen Landesteil Republika Srpska komplett abzuspalten, dieser habe dafür "möglicherweise Rückhalt in Moskau".

Scholz sah sich in Brüssel erneut mit Forderungen konfrontiert, die umstrittene russische Erdgaspipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Eine Entscheidung über die Inbetriebnahme der Röhre wird es aber ohnehin nicht vor Juli geben, wie der Präsident der zuständigen Bundesnetzagentur, Jochen Homann, am Donnerstag sagte. Es fehlt noch die energierechtliche Zertifizierung nach EU-Recht.

Russland forderte unterdessen Verhandlungen mit den USA und deren Nato-Alliierten über Sicherheitsgarantien. Nach Ansicht des Kreml müssen diese unter anderem enthalten, dass die Ukraine niemals in die Nato aufgenommen wird. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow sagte, Entwürfe eines entsprechenden Vertrages habe Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der US-Diplomatin Karen Donfried am Mittwoch in Moskau übergeben. Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow habe zudem mit Jake Sullivan telefoniert, dem Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden. Rjabkow stehe bereit, sofort zu Verhandlungen mit den USA in einem neutralen Land aufzubrechen, auch könne es vor Jahresende eine weitere Videokonferenz zwischen Biden und Putin geben.

Dagegen bekräftigen die EU-Staats- und Regierungschefs, Verhandlungen über die Lage in der Ukraine müssten im sogenannten Normandie-Format geführt werden, bei dem Frankreich und Deutschland zwischen den Regierungen in Kiew und Moskau vermitteln. Bislang hat sich der Kreml zu einem solchen Treffen nicht bereitgefunden. Vor dem EU-Gipfel hatten Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit dem ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenskij in Brüssel beraten.

Belastet wird das Format derzeit durch Verstimmungen zwischen Russland und Deutschland nach dem Schuldspruch des Berliner Kammergerichts im sogenannten Tiergarten-Mord. Es hatte Russland des "Staatsterrorismus" bezichtigt. Ein russischer Staatsangehöriger war wegen Mordes an einem Georgier mit tschetschenischer Herkunft zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Auffassung des Gerichts handelte er im Auftrag staatlicher Stellen in Russland. Nachdem das Auswärtige Amt als Reaktion auf das Urteil zwei Angehörige der russischen Botschaft in Berlin des Landes verwiesen hatte, kündigte Russland Vergeltungsmaßnahmen an.

Das Außenministerium in Moskau kritisierte das Urteil als "politisch abgekartete Sache" und beharrte, der Angeklagte sei unschuldig. Kremlsprecher Peskow sagte, Russland sei mit den Schlussfolgerungen und Formulierung des Urteils "entschieden nicht einverstanden". Die Auseinandersetzung darüber dürfe aber "die Perspektiven für den Aufbau eines Dialogs zwischen Präsident Putin und dem neuen Kanzler in keiner Weise beeinflussen". Scholz verteidigte in Brüssel die Entscheidung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), zwei russische Diplomaten auszuweisen.

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