Hilfsgelder für Gaza:"Die Palästinenser sind nicht die Hamas"

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Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in Amman. (Foto: Hannes P Albert/dpa)

Deutschland finanziert künftig wieder Entwicklungsprojekte, die Palästinensern zugutekommen, kündigt die zuständige Ministerin Svenja Schulze an.

Von Angelika Slavik, Amman

Deutschland wird von sofort an wieder Entwicklungsprojekte in den Palästinensergebieten finanzieren. "Wir sehen das große Leid der Zivilbevölkerung in Gaza und wollen es lindern", sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am Dienstag bei einem Besuch in Jordaniens Hauptstadt Amman. Schulze traf sich dort unter anderem mit dem Chef des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), Philippe Lazzarini.

Deutschland hatte nach Beginn der Angriffe der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober alle Zahlungen für Entwicklungsprojekte in der Region ausgesetzt. Obwohl man alle Zahlungsströme in der Region sehr genau prüfe, wolle man noch einmal sichergehen, dass deutsches Geld nicht indirekt der Hamas zugutekomme, hieß es damals. Diese Prüfung sei noch nicht vollständig abgeschlossen, sagte Schulze nun. Man habe aber die weitere Unterstützung des UN-Hilfswerks UNRWA prioritär geprüft, vor allem mit Blick "auf die wachsende Not der Menschen im Gaza-Streifen und die zunehmend instabile Lage in einigen Nachbarländern".

Die Hilfen werden zusätzlich aufgestockt

Daraufhin habe man entschieden, bereits eingeplante Zusagen in Höhe von 71 Millionen Euro für UNRWA freizugeben und weitere 20 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Insgesamt stünden so für das laufende Jahr 91 Millionen Euro zur Verfügung. Mit diesem Geld soll eine Basisversorgung der Menschen im Gaza-Streifen aufrechterhalten werden, sagte Schulze. Schwerpunkt ist die Unterstützung der etwa 1,4 Millionen Palästinenser, die vom Norden in den Süden Gazas geflüchtet sind.

Mit dem Geld sollen vor allem Trinkwasserlieferungen sowie Hygiene und Sanitäranlagen in Notunterkünften bezahlt werden. Auch Hilfsprojekte in Nachbarstaaten wie Jordanien, die palästinensischen Flüchtlingen zugutekommen, werden mit diesen Mitteln finanziert.

Ein Arbeiter des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) bereitet Hilfsgüter für die Verteilung an Schutzzentren vor. (Foto: Suliman El-Fara/DPA)

Lazzarini sagte, die deutsche Hilfe werde "mehr als je zuvor" benötigt. Die Lage in Gaza sei dramatisch, auch in den Notunterkünften der UNRWA könne die Versorgung mit dem Nötigsten nicht mehr gewährleistet werden. Bei seinem Besuch in Gaza vor einigen Tagen sei er von der Situation "geschockt" gewesen.

Schulze betonte, dass die Wiederaufnahme der Finanzierung der Projekte nicht im Widerspruch zur deutschen Solidarität mit Israel in dem Konflikt stünde. Deutschland habe die israelische Regierung über die Entscheidung informiert. "Israels Kampf gilt ja der Hamas", so die Ministerin. "Die Palästinenserinnen und Palästinenser sind nicht die Hamas, das muss man unterscheiden."

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Die Kontrolle der geförderten Projekte sei außergewöhnlich streng

Man dürfe UNRWA gerade in der aktuellen Lage nicht im Stich lassen, so Schulze. Schließlich würde das UN-Hilfswerk auch Strukturen schaffen, die für das Leben nach dem Krieg benötigt würden. Die Palästinenser bräuchten "eine Perspektive in Sicherheit". Alles andere sei auch nicht im Interesse Israels.

Schulze sagte, die Kontrolle der von Deutschland finanzierten Projekte und der zugehörigen Geldflüsse sei in den Palästinensergebieten "strenger als in allen anderen Regionen der Welt". Zudem habe sie mit UNRWA-Chef Lazzarini nochmals über die Bedeutung der Kontrollen gesprochen. Dieser versprach, die Sicherheit sei auch deshalb besonders hoch, weil UNRWA ohne zwischengeschaltete Firmen oder Organisationen agiere. "Wir kennen jeden Einzelnen, der für uns arbeitet." Alle Mitarbeiter würden "doppelt gecheckt", um Verbindungen zu Terrororganisationen auszuschließen.

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Lazzarini wiederholte die Forderung der Vereinten Nationen nach einer Feuerpause in dem Konflikt. Sollte sich die Versorgungslage nicht schnell ändern, sei aufgrund der humanitären Lage mit vielen weiteren Toten zu rechnen. Schulze äußerte sich am Dienstag nicht zum Thema einer Feuerpause.

Der Zahlungsstopp, den die Ministerin nun wieder aufhebt, galt nur für Gelder aus dem Entwicklungsministerium. Kurzfristigere humanitäre Hilfe gehört zu den Agenden des Auswärtigen Amtes. Dieses hatte bereits vor knapp drei Wochen angekündigt, dass Deutschland seine Bemühungen in der Region ausweiten werde. Die Zahlungen sollten um 50 Millionen Euro aufgestockt werden, wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ankündigte. Auch davon geht ein großer Teil an das UN-Palästinenserhilfswerk. Der Schwerpunkt dieses Engagements soll auf der Gesundheitsversorgung liegen, etwa bei der Behandlung von schwer verletzten Kindern.

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