Als vor genau einem Jahr US-Präsident Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verkündete, war das Entsetzen weltweit groß. Die Entscheidung bedeutet, die Vereinigten Staaten werden keine Anstrengungen mehr unternehmen, Treibhausgasemissionen so zu vermeiden, wie sie es unter Präsident Barack Obama zugesagt hatten.
Zur Erinnerung: Im Abkommen von Paris wurde Ende 2015 beschlossen, zu verhindern, dass sich das Klima im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um mehr als zwei Grad Celsius erhitzt. Die Weltgemeinschaft war sich sogar einig, dass es möglichst nicht mehr als 1,5 Grad sein sollen, wenn katastrophale Folgen vermieden werden sollen.
Um ihr Ziel zu erreichen, haben alle beteiligten Staaten nationale Beiträge zum Klimaschutz (Nationally Determined Contributions, NDCs) zugesagt, damit die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre nicht weiter zunimmt. Doch Trump ist eine brummende US-Wirtschaft wichtiger als der Schutz des Weltklimas.
Nach der Entscheidung des US-Präsidenten schätzte ein Experte der Weltwetterorganisation der Vereinten Nationen (WMO), sie könnte im schlimmsten Fall zu einer Erderwärmung um 0,3 Grad führen. Das klingt nicht viel. Aber bei einem Ziel von maximal 1,5 oder zwei Grad Temperaturzunahme ist die Herausforderung für den Rest der Welt beachtlich gewachsen.
Das gilt allerdings umso mehr, als fast alle Staaten sich mit ausreichend großen NDCs bislang sowieso schwer tun. Um es klar zu sagen: Die Zusagen reichen - mit oder ohne die USA - bei weitem nicht aus, um auch nur das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.
Ein Jahr "Pariser Abkommen" ohne die USA:Amerikas Klimabewegung gibt nicht auf
Vor einem Jahr hat Donald Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet. Doch Bundesstaaten, Städte und Aktivisten versuchen mit großem Engagement, die Folgen für das Klima auszugleichen.
Schon 2017 warnten die Vereinten Nationen in ihrem " Emission Gap Report", die Lücke zwischen der notwendigen Verringerung der Emissionen und den nationalen Zusagen sei "alarmierend groß". Wenn sie nicht bis 2030 geschlossen würde, sei es "extrem unwahrscheinlich", dass das Ziel noch erreicht werden könne. Würden die Staaten bei ihren bisherigen Plänen bleiben, rechnen die Fachleute mit einem Temperaturanstieg von etwa drei Grad Celsius.
Auf noch höhere Werte deuten die Daten des " Climate Action Tracker" (CAT), den Fachleute von " Climate Analytics" in Berlin, dem " New Climate Institute" in Berlin und Köln, sowie " Ecofys" in London erstellen, unterstützt vom Potsdam-Instituts für Klimafolgeforschung (PIK).
Demnach wird die Temperatur selbst dann um 2,6°C bis 3,2°C zunehmen, wenn die Staaten ihre bislang verkündeten Klimaziele tatsächlich umsetzen. Wobei die niedrigeren Werte eher unwahrscheinlich sind. Die Fachleute des CAT und auch bei den Vereinten Nationen gehen eher vom höheren Wert aus. Wenn die Länder allerdings bis 2030 ihre derzeitige - nicht ausreichende - Klimapolitik fortsetzen, rechnen die Experten sogar mit 3,1°C bis 3,7°C ( Median 3,4°C) mehr bis zum Jahr 2100.
Dafür sind übrigens nicht nur besonders schlimme Klimasünder verantwortlich. Weder die Pläne von Ländern, die lange als besonders ambitioniert galten - etwa Deutschland - noch die der EU insgesamt sind ausreichend. So erreicht Deutschland etwa auf dem " Klimaindex 2018" lediglich Platz 22 - eine Position hinter der EU insgesamt - und befindet sich damit nach Einschätzung von " Germanwatch", dem " NewClimate Institute" und dem " Climate Action Network" in der Kategorie "mäßig".
Schon gar nicht gilt das für die selbst gesteckten Ziele von Staaten wie China, Kanada, Russland. Unter den maßgeblichen Ländern ist offenbar lediglich Indien auf einem richtigen Weg. Deshalb ist die Empörung über Trump, die etliche Staatschefs weltweit und insbesondere die Europäer gezeigt haben, ein Stück weit Heuchelei.
Klimapolitik:Vom Musterschüler zum schlechten Vorbild
Selbst wenn die künftige Bundesregierung doch noch Kurs hält, könnte das aktuelle Gewackel beim Klimaschutz anderen Staaten als Ausrede dienen.
In Deutschland etwa gab es das Ziel, die Treibhausgasemissionen schon bis 2020 auf 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu reduzieren. Wie? Darauf konnte sich die große Koalition in Berlin nicht verständigen. Nun sollen die Emissionen bis 2030 immerhin um 55 Prozent sinken. Das sind 15 Prozent mehr als sich die EU insgesamt vorgenommen hat. Allerdings ist noch immer unklar, welche Maßnahmen konkret getroffen werden sollen.
Damit gönnen die Politiker der Bevölkerung in Deutschland zwar nun mehr Zeit, bis es zu spürbaren Einschränkungen kommen wird. Die Konsequenzen dürften aber für alle umso härter werden, je länger die Politik aus Rücksicht auf Wähler darauf verzichtet, das Klima so zu schützen, wie es notwendig ist.
Erst kürzlich warnte - deutlich frustriert - der Forscher Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in der SZ: "Wenn wir es nicht schaffen, wird man mit großer Verachtung auf uns zurückschauen". Er setzt immer noch viel Hoffnung in Bundeskanzlerin Angela Merkel, die - wie etwa nach dem Atomunfall von Fukushima 2011 mit dem Atomausstieg - auch beim Klimaschutz noch einen großen Schritt wagen könnte.
Hans Joachim Schellnhuber:Der Klimawandel ist wie der Einschlag eines Asteroiden
Seit 25 Jahren warnt Hans Joachim Schellnhuber vor den Folgen des Klimawandels. Im SZ-Interview erklärt der Forscher, warum er trotz des großen Desinteresses nicht verbittert ist.
Tatsächlich hat die Kanzlerin in Bezug auf den Klimaschutz in der Vergangenheit gezeigt, dass sie um die Notwendigkeit großer Schritte weiß. 2007 machte sie sich den Vorschlag des damaligen indischen Ministerpräsidenten Manmohan Singh zu Eigen, den zulässigen Kohlendioxid-Ausstoß weltweit nicht pro Staat, sondern pro Kopf zu berechnen.
Der Vorschlag war, für jedes Land eine zulässige CO₂-Emission von der Zahl der Einwohner abhängig zu machen. Das hätte besonders die Industrieländer in die Pflicht genommen, in denen relativ wenige Menschen sehr viele Treibhausgase produzieren. Langfristig, so Merkel, müssten die Emissionen auf zwei Tonnen pro Kopf weltweit sinken.
Die Bundeskanzlerin sprach die Idee damals in zwei, drei Reden an. "Man muss ja Visionen haben, ansonsten weiß man gar nicht, wohin sich die Welt entwickelt", sagte sie Anfang 2008 dazu beim Neujahrsempfang des Diplomatischen Corps in Berlin. Danach war allerdings von der Idee nichts mehr zu hören - und zehn weitere Jahre sind weitgehend verloren.
Wo stehen wir heute? Seit 2007 ist der Kohlendioxid-Ausstoß pro Kopf und Jahr in Deutschland gerade einmal um etwa eine Tonne auf 9,8 Tonnen gesunken. Im Durchschnitt war jede/r Deutsche in den vergangenen drei Jahren jeweils immer noch für fast zehn Tonnen CO₂ in der Atmosphäre verantwortlich. In den USA waren es jährlich 16 bis 17 Tonnen pro Einwohner, in China mehr als sieben, in Indien dagegen nicht einmal zwei Tonnen pro Einwohner.
Es ist berechtigt, Präsident Trump und den USA den Ausstieg aus dem Abkommen von Paris vorzuwerfen. Die Entscheidung ist nicht nur ein konkreter, massiver Rückschlag für den Klimaschutz. Sie ist auch ein fatales Signal: Wenn schon die USA nicht mitmachen, wieso sollen dann etwa Entwicklungs- und Schwellenländer sich anstrengen, den Klimawandel aufzuhalten, für den doch bis vor einigen Jahren fast ausschließlich der Westen verantwortlich war?
Es stünde den übrigen Industrienationen allerdings gut zu Gesicht, wenn sie zugleich endlich selbst eine Klimaschutzpolitik betreiben würden, die den Namen verdient. Eine Politik, die den Menschen im Westen auch die Einschränkungen zumutet, die erst gewährleisten, dass die kommenden Generationen keinen überhitzten und geplünderten Planeten vorfinden. Bis dahin wirkt die Kritik an Trump heuchlerisch und feige.