"Wir bekennen uns zu den Klimazielen 2020, 2030 und 2050", verkündeten die Berliner Parteien SPD und CDU/CSU am vergangenen Freitag nach einer durchgemachten Nacht. Es war ein Ergebnis der Sondierungsgespräche. Das hatte wenige Tage zuvor noch ganz anders geklungen; da war aus den Verhandlungen zu hören, die Koalition wolle das Klimaziel 2020 offiziell aufgeben. Nach einer Welle der Empörung fanden die Politiker eine andere Formulierung. Viel Aufregung um nichts also?
Insgesamt erinnert es an den Witz von dem Mann, der unbedingt reich werden will. Er arbeite neuerdings an seiner zweiten Million, verkündet er - nachdem es mit der ersten leider nicht geklappt habe.
Tatsächlich enthält auch die Vereinbarung vom Freitag stillschweigend das Geständnis, Deutschland werde das für 2020 verkündete Ziel verfehlen; ursprünglich sollten die Treibhausgas-Emissionen bis zu diesem Termin um 40 Prozent unter den Stand von 1990 sinken. "Handlungslücke", heißt das im Sondierungs-Papier, man wolle diese aber "so schnell wie möglich" und "so weit wie möglich" schließen. Außerdem soll alles getan werden, damit Deutschland "zuverlässig" spätestens 2030 in der Klimapolitik wieder auf Kurs ist. Bis dahin soll die Menge der Klimagase gegenüber 1990 um 55 Prozent reduziert sein, dazu hat sich die Regierung im Rahmen der EU verpflichtet und diese Zusage auch offiziell als Ziel bei den internationalen Klimaverhandlungen für den Pariser Vertrag hinterlegt. Diese Hürde zu reißen, wäre überaus peinlich.
Das Berliner Hin-und-her beleuchtet, wie weit Deutschland von seinen Plänen entfernt ist. Selbst wenn die neue große Koalition noch in diesem Jahr das Steuer in der Energie- und Klimapolitik herumreißt, selbst wenn sie, wie angekündigt, die Quoten für erneuerbare Energiequellen anhebt, Sonderkontingente für Windräder und Solarparks ausschreibt, einen Fahrplan für den Kohleausstieg verabschiedet und sofort umsetzt - dann bleibt doch auf Jahre bis Jahrzehnte hinaus eine "Handlungslücke" bestehen.
Bis Mitte des Jahrhunderts müssen die Emissionen weit unter die Schmerzgrenze sinken
Die Situation lässt sich mit einigen Szenarien verdeutlichen. Als Vergleichsbasis dienen die ursprünglichen, ambitionierten Klimapläne. 2007 hatte die damalige schwarz-rote Koalition beschlossen, mit 29 Einzelmaßnahmen die Treibhausgase bis 2020 deutlich zu reduzieren. Die Zahl von minus 40 Prozent stand bereits im Raum, verkündet wurde sie 2010. Zum Zeitpunkt der Meseberger Konferenz im August 2007 schien das kein allzu ehrgeiziges Ziel zu sein, sondern eine Fortschreibung des Trends seit 1990, dem für alle Klimaziele gültigen Vergleichsjahr. Später legte die Regierung sogar noch mit Zielen für 2030 (minus 55 Prozent) und 2050 (minus 80 bis minus 95 Prozent) nach.
Doch genau im Jahr 2007 knickte der Trend. 2016 wurde nur eine Reduktion von etwa 28 Prozent erreicht, eigentlich hätten es - einen linearen Rückgang vorausgesetzt - bereits minus 35 Prozent sein müssen. Schafft es die Politik nicht, wieder mehr Dynamik in den Klimaschutz zu bringen, dann reduziert Deutschland die Emissionen bis 2020 nicht einmal um ein Drittel (gegenüber 1990) und halbiert sie bis 2050 lediglich.
Dabei sind inzwischen viele Fachleute der Ansicht, dass der Ausstoß zur Mitte des Jahrhunderts nicht nur um 80 Prozent, sondern tatsächlich bis zur Schmerzgrenze von minus 95 Prozent sinken müsse; die kleine Restmenge an Treibhausgasen stammt aus Prozessen in Industrie und Landwirtschaft, die nichts mit Verbrennung und Energiegewinnung zu tun haben und ohne Aufgabe der Produktion kaum zu verändern sind.