Ein Jahr "Pariser Abkommen" ohne die USA:Amerikas Klimabewegung gibt nicht auf

EPA Chief Scott Pruitt Moves To Repeal Clean Power Plan

Emissionen ohne Rücksicht auf das Pariser Klimaabkommen von 2015: Fabrik in Castle Dale, Utah, USA.

(Foto: AFP; Bearbeitung SZ)

Vor einem Jahr hat Donald Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet. Doch Bundesstaaten, Städte und Aktivisten versuchen mit großem Engagement, die Folgen für das Klima auszugleichen.

Von Johannes Kuhn und Beate Wild, Austin

Ein Jahr später können die Aktivisten der Sache auch etwas Gutes abgewinnen: "Der Ausstieg der Regierung in Washington aus dem Pariser Klimaabkommen hat die Umweltbewegung neu entflammt", sagt Nathaniel Stinnett, der mit seiner Organisation "Environmental Voter Project" Umweltschützer für Wahlen mobilisiert. Eine regelrechte Flut von Spenden und Freiwilligen zeige, dass Amerikanern der Klimawandel immer wichtiger werde.

Am 1. Juni 2017 verkündete Präsident Donald Trump den Austritt der USA, der 2020 in Kraft treten soll. Ein Schock, wenn auch ein erwartbarer, hatten der US-Präsident und sein Öl-Gas-und-Kohle-Umweltminister Scott Pruitt doch schon vorher begonnen, die Axt anzulegen: Was an Umwelt- und Klimaschutz dem Wachstum von Unternehmensgewinnen im Wege stand, musste weg.

Ein Chor aus NGOs, demokratischen Gouverneuren, Bürgermeistern und Unternehmen war deshalb vorbereitet: "Wir sind noch drin!", lautete der an den Rest der Welt gerichtete Schlachtruf. Wenn die US-Regierung ein Vakuum hinterlasse, müssten eben nun Amerikas Wirtschaft, Regionalpolitik und Bürger ihre Bemühungen verstärken.

Seitdem hat sich wirklich etwas getan. Eine Konferenz folgte der anderen, Ankündigungen gab es in Serie. Mehr als 200 Städte und 17 Bundesstaaten haben sich verpflichtet, die in Paris festgelegten Klimaziele einhalten zu wollen. 65 Bürgermeister von Atlanta bis San Francisco wollen ihre Städte nach 2030 sogar vollständig auf nicht-fossile Energieträger umstellen.

Selbst in konservativen Staaten wie Texas gibt es Windparks

Der Terminkalender amerikanischer Klimafreunde ist voll, auch die symbolischen Siege werden mit Genuss verzeichnet: Die Nachbarländer Kanada und Mexiko rufen bei Klimafragen nun nicht mehr in Washington an, sondern in Washington State. Die Westküste ist unter der Federführung von Kalifornien zum internationalen Ansprechpartner geworden.

So bleibt das UN-Klimasekretariat UNFCCC doch nicht, wie befürchtet, auf dem von Trump gerissenen Haushaltsloch sitzen, da der ehemalige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg 4,5 Millionen Dollar aus eigener Tasche gezahlt hat. Und das 15-köpfige Klimafolgen-Beratergremium, für das der US-Präsident keine Verwendung mehr hatte, arbeitet nun für den New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo.

Es ist auch nicht so, dass die US-Regierung die Infrastruktur für erneuerbare Energien abgebaut hätte. Selbst konservative Staaten wie Texas oder Kansas, deren politische Führung eher an die Heiligen Drei Könige als an den menschengemachten Klimawandel glauben, beherbergen massive Wind- und Solarparks. Statt Klimafragen geben hier Jobs und mittelfristig niedrigere Energiekosten den Ausschlag. Und einer Prognose der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (Irena) zufolge werden Windkraft und Co. bereits Anfang des kommenden Jahrzehnts preislich mit Fossil-Brennstoffen konkurrieren können.

Trump hat bislang nur 900 Kohlejobs zurückgebracht

Nicht selten aber sind es Unternehmen, die den Druck erhöhen: Jede amerikanische Region muss Stromquellen jenseits von Kohle und Gas erschließen, wenn sie Großkonzerne wie Amazon, Walmart, Ikea oder General Motors anlocken möchte, die sich Klimazielen verpflichtet haben.

"Die Anstrengungen der Bundesstaaten und Kommunen, der Universitäten und Firmen sind wichtig, weil sie öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen", glaubt William Nordhaus. Der Ökonom forscht an der Universität Yale über ökonomische Zusammenhänge der Klimapolitik. "Es geht auch darum, den falschen Narrativen der Trump-Regierung etwas entgegen zu setzen." So sind etwa in der Kohle-Industrie bislang nur 900 neue Arbeitsplätze entstanden, während der Präsident versprochen hat, Tausende Kohle-Jobs zurückzubringen.

Doch wie groß sind nun die Auswirkungen der Trumpschen Politik? Aktivisten beobachten mit Sorge, dass amerikanische Banken massiv in "extreme Fossil-Brennstoffe" wie Teersand- und Tiefwasser-Öl sowie Kohle-Firmen investieren. Die radikale Kürzung in der Erforschung neuer Energiequellen könnte das Land mittelfristig teuer zu stehen kommen. Und die massiven Wirbelstürme, Hitzewellen und Waldbrände 2017 gaben den USA bereits einen Vorgeschmack darauf, wie bei fortgesetztem Klima-Desinteresse ein Zeitalter des Extremwetters aussehen könnte.

Umweltaktivisten hoffen auf die Gerichte

Die Klimabewegung versucht deshalb, die Umsetzung von Trumps Klimapolitik zu verzögern: Der Kampf wird dabei, wie auch in anderen Ländern, zunehmend vor Gericht ausgefochten: Eine Gruppe von Staaten versucht etwa, Entscheidungen der Umweltbehörde EPA wie die Rücknahme der auf Ex-Präsident Obama zurückgehenden CO₂-Regulierung oder die Streichung strengerer Benzinverbrauch-Vorgaben für Autoflotten zu blockieren - oder solange vor den Gerichten zu verhandeln, bis wieder ein Demokrat im Weißen Haus sitzt.

Erstmals geraten dabei auch die Öl- und Gasfirmen ins Visier der Staatsanwälte: In Kalifornien verklagen mehrere Städte und Bezirke Konzerne wie Chevron, BP, Exxon und Shell darauf, für die Schutzmaßnahmen gegen den steigenden Meeresspiegel des Pazifik aufzukommen.

In New York wirft der inzwischen zurückgetretene Staatsanwalt Eric Schneiderman dem Exxon-Konzern vor, über die Klimafolgen der fossilen Brennstoffe früh Bescheid gewusst und die Öffentlichkeit mit falschen Zahlen getäuscht zu haben - eine ähnliche Argumentation hatte einst die Macht der Tabakkonzerne in den USA gebrochen. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio hat zudem die Pensionsfonds der Stadt angewiesen, nicht mehr in Fossil-Firmen zu investieren. Aktivisten fordern eine solche Dekarbonisierung des Portfolios inzwischen auch von anderen Investoren.

Solche Aktivitäten können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der CO₂-Ausstoß im Jahr 2018 wieder steigen wird. Die USA werden nach derzeitigem Stand bis 2025 ihre CO₂-Bilanz nicht wie in Paris versprochen um 26 Prozent, sondern nur um 13 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern. Dazu haben einige Klimawandel-Vorzeigeprojekte haben in den vergangenen Monaten Schiffbruch erlitten.

Klimaschutz ja, aber es darf nichts kosten

So ist es etwa den ökologiebewussten Pazifik-Anrainern Oregon und Washington State ergangen. Sie scheiterten mit ihren Versuchen, eine CO₂-Steuer einzuführen. Dabei gab es unter anderem Streit darüber, ob die Einnahmen - wie von Konservativen gefordert - in Form von Steuererleichterungen an die Bürger zurückgegeben werden sollen oder, so wollen es Umweltschützer, in erneuerbare Energien investiert werden. Die USA bleiben damit vorerst weiterhin eine der wenigen größeren Industrienationen, die keine überkommunale Ökosteuer auf Schadstoffemissionen erhebt.

Und wie steht die Bevölkerung dazu? Einer Umfrage aus dem März zufolge glauben 73 Prozent aller US-Wähler, dass sich das Klima erwärmt. 59 Prozent halten den Menschen für verantwortlich. Unter konservativen Republikanern liegen diese Werte allerdings deutlich niedriger: 40 Prozent glauben an den Klimawandel, 26 Prozent an den menschlichen Beitrag. 77 Prozent der US-Wähler sind dafür, dass das Land der Pariser Vereinbarung treu bleiben sollte.

"Natürlich sagen US-Bürger zunächst, dass man etwas tun sollte", warnt Aseem Prakash, Direktor des Center for Environmental Politics der University of Washington in Seattle, vor solchen Umfragen. "Sie nehmen die Frage aber erst dann ernst, wenn man ihnen die konkreten Folgen nennt - zum Beispiel dass sie für die Galone Benzin 18 Cent mehr bezahlen müssen." Er kritisiert, dass die amerikanische Klimabewegung zu stark auf das Narrativ von der sterbenden Mutter Erde setze. "Das ist nicht falsch, aber Umweltschützer müssen vom Moral- in den Anreiz-Modus wechseln."

Belohnungen statt Moralkeule

Seine Kollegin Nives Dolšak nennt Beispiele: Viele Bewohner ländlicher Regionen rüsten ihre Häuser nicht wegen des Klimas, sondern wegen der Unabhängigkeit mit Solarpaletten aus. Ein Anreiz, um in den dicht besiedelten Gegenden Kalifornien Elektroautos zu kaufen, ist die damit einhergehende Erlaubnis, auf der schnelleren Pendlergruppen-Extraspur den Stau zu überholen.

Solche Belohnungen könnten nach Dolšaks Ansicht effektiver sein als die Moralkeule zu schwingen. Denn die meisten US-Amerikaner sind weiterhin bequem, konsumorientiert und CO₂-verschwenderisch. Ein ökologisches Bewusstsein ist dagegen nur in einzelnen Milieus verankert.

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