Ecuador:Aufstand der Gangster

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Ein Soldat durchsucht einen Mann vor dem Carapungo-Markt in Ecuadors Hauptstadt Quito. (Foto: Juan Diego Montenegro/dpa)

In Ecuador eskaliert die Gewalt durch Banden. Gelingt es dem neuen Präsidenten, die Kontrolle zurückzuerlangen?

Von Karoline Meta Beisel

Als Ecuadors junger Präsident Daniel Noboa Mitte Oktober gewählt worden war, postete er ein Foto von sich im Netz: "Das ist der Anfang eines neuen Ecuador". Aber die Bilder, die dieses neue Ecuador von sich zeigt, sind düster: In dem 18-Millionen-Einwohner-Land am Äquator eskaliert die Bandengewalt.

Am Montag hatte Noboa einen 60-tägigen Ausnahmezustand verhängt und mehrere kriminelle Banden zu terroristischen Vereinigungen erklärt. Doch schon am Dienstag stürmten Bewaffnete eine Live-Sendung des ecuadorianischen Fernsehsenders TC. In der Sendung waren Schüsse und Schreie zu hören, bis Spezialeinheiten der Polizei den Sender wieder unter Kontrolle brachten. Und am Donnerstag teilte die Behörde für Strafvollzug mit, dass nach Aufständen in mehreren Gefängnissen des Landes derzeit 178 Justizvollzugsbeamte als Geiseln festgehalten würden. Ecuador befinde sich in einem "internen bewaffneten Konflikt", sagte Noboa am Dienstag.

Die jüngste Welle der Gewalt hatte mit den Gefängnisaufständen begonnen: Am vergangenen Sonntag meldeten mehrere Medien die Flucht von José Adolfo Macías Villamar, genannt "Fito", aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Guayaquíl. Fito ist der Chef der berüchtigten Choneros-Bande, die im Drogen- und Menschenhandel aktiv ist. Er gilt als einer von Ecuadors berühmtesten Gangstern.

Ecuadors Präsident Daniel Noboa ist erst seit November im Amt. Und schon ist er mitten in einer schweren Krise. (Foto: Reuters)

Wegen verschiedener Verbrechen, darunter mehrere Tötungsdelikte, saß Fito eine 34-jährige Haftstrafe ab. Zeitgleich mit seinem neuerlichen Ausbruch am vergangenen Wochenende eskalierte auch in anderen Haftanstalten des Landes die Gewalt. Die chaotischen Zustände in den Gefängnissen waren der Grund, weswegen Noboa am Montag den Ausnahmezustand verhängte.

Vor allem in den vergangenen drei Jahren hat sich die Sicherheitslage in Ecuador immer weiter verschärft. Bis vor einigen Jahren hatte das Land noch als friedlich gegolten, dann aber ist die Mordrate in die Höhe geschnellt, auf zuletzt etwa 46,5 Tötungsdelikte pro 100.000 Einwohner - eine der höchsten in Südamerika. Die hohe Kriminalität hängt auch mit dem Drogenhandel zusammen: Ecuador gilt dafür als wichtiges Drehkreuz. Die Banden dort sind eng mit jenen in Mexiko und Kolumbien verflochten, das Land ist ein Zwischenstopp für Kokain auf dem Weg in die USA oder nach Europa.

Schwimmende Gefängnisse für gefährliche Häftlinge

Auch Politiker leben in Ecuador gefährlich. Im vergangenen August wurde nur wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen ein Kandidat auf der Straße ermordet, der als Kritiker des organisierten Verbrechens bekannt war. Auch damals verhängte die Regierung den Ausnahmezustand. Der neue Präsident Noboa feierte seinen Wahlsieg im Oktober mit schusssicherer Weste. Die Tat wurde bis heute nicht aufgeklärt.

Die Banden haben ihre Fäden bis in die Behörden, staatlichen Institutionen und den Sicherheitsapparat gesponnen. Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass ihre Macht sogar in die Gefängnisse hinein reicht. Im Dezember kündigte die Generalstaatsanwältin die "Operation Krebsgeschwür" an, die ihr zufolge größte Operation gegen Korruption und Drogenhandel in der Geschichte des Landes. Etwa 30 Personen wurden seitdem festgenommen, darunter Richter, Staatsanwälte, Polizisten und Anwälte.

Noboa ist erst seit Ende November im Amt und hatte noch nicht viel Zeit, um der Gewalt etwas entgegenzusetzen. An Ideen mangelt es dem 36-Jährigen, der aus einer der reichsten Familien Südamerikas stammt, nicht: So will er besonders gefährliche Gefangene zum Beispiel in schwimmenden Gefängnissen isolieren, damit sie gar nicht erst Land gewinnen. Um breite Unterstützung für seine teils drastischen Pläne zu gewinnen, kündigte er vergangene Woche ein Referendum an. Womöglich ist die nun eskalierende Gewalt auch eine Reaktion auf seine drastischen Vorschläge.

Die USA und Argentinien wollen helfen

Als Folge der jüngsten Unruhen will Noboa die Banden auch mit militärischen Mitteln bekämpfen: "Ich habe den Streitkräften befohlen, militärische Operationen durchzuführen, um diese Gruppen zu neutralisieren", sagte er. Militärs sollen auch die Ordnung in den Gefängnissen und auf den Straßen wieder herstellen. Das Innenministerium teilte außerdem mit, dass Ausländer, die aus Peru oder Kolumbien nach Ecuador einreisen wollen, künftig einen Auszug aus dem Strafregister vorlegen müssen.

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Derweil haben andere Länder Noboa ihre Unterstützung angeboten. Hilfe der USA und Argentiniens habe er bereits angenommen, sagte der Präsident in einem Radiointerview. "Wir brauchen militärische Hilfe in Form von Menschen, Soldaten sowie Unterstützung durch Geheimdienste, Artillerie und Ausrüstung", sagte er.

Viel Zeit hat er nicht, um in seinem Land für Ordnung zu sorgen: Er kam nur ins Amt, weil sein Vorgänger nach einer Reihe von Skandalen vorzeitig das Parlament aufgelöst hatte. Dessen Amtszeit bringt er nun zu Ende, im Mai 2025 wird erneut gewählt. Ob seine jetzt ausgerufenen Maßnahmen dabei helfen, Ecuador wieder etwas friedlicher zu machen, dürfte mit darüber entscheiden, ob er dann noch einmal eine Chance hat.

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