Umweltschutz:Stirb langsam

Lesezeit: 2 min

Seit 1908 werden im Mercedes-Benz Werk in Berlin Motoren hergestellt. (Foto: Thomas Koehler/imago/photothek)

Eigentlich müsste der Dieselmotor längst durch sein. Doch mit erstaunlicher Zähigkeit überlebt er eine Krise nach der anderen - wie lange noch?

Von Joachim Becker

Bertolt Brecht wurde in einem massiven Metallsarg beerdigt, genau wie Queen Elizabeth. Auch für den Dieselmotor wünschen sich seine Gegner solch einen stabilen Container als wirklich allerletzte Ruhestätte. Denn wie ein Untoter kehrt das Gespenst des dreckigen Verbrennungsmotors immer wieder zurück. Viele dachten, dass sein Schicksal durch den Abgasbetrug, der 2015 aufflog, besiegelt sei. Die vermeintliche Zukunftstechnologie war politisch ähnlich kontaminiert wie die Atomkraft.

Nicht nur die Atom-Meiler laufen jetzt irgendwie weiter. Auch die Diesel-Technologie ist noch nicht am Ende. Erst vor wenigen Wochen hat das EU-Parlament zwar ein Verbrenner-Verbot für 2035 beschlossen. Doch Spötter unken bereits, dass sich der Termin auch um fünf Jahre nach hinten verschieben könnte, wenn sich der politische Wind in Brüssel dreht. Und nur notorische Optimisten glauben tatsächlich, dass das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 in Deutschland erreicht wird.

Längst ist klar, dass Verbrennungsmotoren ihren Zenit überschritten haben. Der Dieselanteil bei Neuwagen ist auf weniger als 20 Prozent abgerutscht - von etwa 50 Prozent vor zehn Jahren. Mittlerweile verkaufen sich Autos mit Ladestecker besser. Neue Elektrofahrzeuge machen einfach mehr Spaß, und der Umstieg von einem flüsterleisen Stromer in einen kalt startenden Diesel ist nicht nur für die Ohren ein spürbarer Rückschritt. In der Oberklasse gehören die (teil-)elektrischen Antriebe fast schon zum guten Ton. Doch genau da liegt das Problem: Stromer werden nicht billiger, sondern teurer. Und sie werden am oberen Ende der Preisliste positioniert - deutlich über Diesel-Niveau.

Schon fürchten Umweltverbände, dass der Siegeszug der Stromer stagniert, wenn die Förderung im nächsten Jahr zurückgefahren wird. Deshalb hatten sie auf die kommende Abgasnorm Euro 7 gehofft. Doch es wird wohl kein vorzeitiges Aus für den Ölbrenner von 2025 an geben. Vor ein paar Tagen sickerte in Brüssel durch, dass die Abgasgrenzwerte voraussichtlich auf dem Niveau eingefroren werden, das derzeit für Euro-6-Benziner gilt. Kein Problem für den Diesel, wie Messungen des ADAC in jüngster Vergangenheit zeigen.

Selbst die Verknappung von Adblue, die zwischenzeitlich für Alarmstimmung sorgte, bleibt nur eine Anekdote. Ohne das Reaktionsmittel funktioniert die Abgaswäsche in mehr als fünf Millionen modernen Diesel-Pkws und fast allen Langstrecken-Lkws in Deutschland nicht. Dann zieht die Motorelektronik automatisch den Stecker. Doch jetzt geben Händler Entwarnung: Die wässrige Harnstofflösung bleibt zwar teuer, ist aber weiterhin gut verfügbar.

Das alles kann den Diesel nicht stoppen. Aber vielleicht kommt das Ende aus einer unerwarteten Richtung: Die EU-Kommission will die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid in den Städten drastisch absenken. Mittlerweile kommt aber mehr Feinstaub aus dem Reifenabrieb als aus dem Auspuff neuer Autos. Und schwere Batteriefahrzeuge verschärfen das Problem noch. Gut möglich, dass die gerichtlichen Klagen für eine bessere Luftqualität dann wieder losgehen - und am Ende die allermeisten Autos nicht mehr in die Innenstädte dürfen. Verbrenner und Stromer gleichermaßen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: