Steuerskandal:Was die Union den Kanzler fragen darf

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Die Unionsfraktion will auch das Agieren von Olaf Scholz in seiner Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg untersuchen. (Foto: Fabian Bimmer/Reuters)

Ein Parteienstreit im Bundestag verzögert den Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre. Der Fall könnte vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

Von Georg Ismar und Robert Roßmann, Berlin

Es ist jetzt fast ein Vierteljahr her, dass die Unionsfraktion eine große Ankündigung gemacht hat. Gleich drei CDU-Abgeordnete kamen damals in die Bundespressekonferenz, um mitzuteilen, dass es im Bundestag einen neuen Untersuchungsausschuss geben werde. Er solle den Namen "Steueraffäre Scholz-Warburg" tragen und sich nicht nur mit den dubiosen Cum-Ex-Geschäften der Hamburger Warburg-Bank befassen, sondern auch mit dem Verhalten von Olaf Scholz. Das war am 4. April - doch den Untersuchungsausschuss gibt es immer noch nicht. Weshalb sich die Frage stellt, an wem das liegt. Immerhin geht es bei der Cum-Ex-Affäre um einen der größten Steuerskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Die Unionsfraktion hat den Antrag auf Einsetzung des Ausschusses längst gestellt. Sie verfügt auch über die nötige Zahl an Stimmen: mindestens 25 Prozent der Abgeordneten. Das Recht, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen, ist eines der wichtigsten Minderheitsrechte - es steht im Grundgesetz. Doch die SPD findet, dass es der Union um "reine Stimmungsmache" gegen Scholz gehe. Und sie ist der Auffassung, dass Teile des von der Union gewünschten Untersuchungsauftrags nicht von der Verfassung gedeckt sind.

Die Ampelkoalition blockiert deshalb bisher die Einsetzung des Ausschusses - auch zum Leidwesen der Linken. "FDP und Grüne, die in der Opposition noch selbst für Aufklärung waren, springen zwecks Koalitionsfrieden mit vor den Kanzler", kritisiert etwa der Linken-Abgeordnete Christian Görke.

Welche Rolle spielte Scholz in der Steuersache?

In der vergangenen Woche gab es nun eine Sachverständigen-Anhörung zu dem Thema. Und tatsächlich hatten fast alle Juristen zumindest bei Teilen des Fragenkatalogs der Unionsfraktion Bedenken. Wobei man sich durch die Mehrheitsverhältnisse nicht täuschen lassen sollte. Denn die Sachverständigen werden von den Fraktionen vorgeschlagen. Die drei Ampelfraktionen sind da gegenüber der Union im Vorteil. Und die Linksfraktion hatte keinen Sachverständigen benannt. "Die Anhörung wurde nach wochenlangem Geschachere letztlich mit ungewöhnlich kurzer Frist anberaumt", rechtfertigt sich der Linke Görke. Entscheidend ist deshalb nicht der Blick auf die Mehrheitsverhältnisse, sondern der Blick auf die Argumente.

"Das Agieren der Freien und Hansestadt Hamburg unter der Verantwortung des damaligen Ersten Bürgermeisters (...) Olaf Scholz in der Steueraffäre M. M. Warburg & Co Bank wirft schwerwiegende Fragen auf", heißt es in dem Antrag der Unionsfraktion zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Mehrere Fragen im Antrag zielen darauf, warum "Hamburg" in den Jahren 2016 und 2017 mit Steuerforderungen gegen die Warburg Bank auf bestimmte Weise umgegangen sei. Scholz hatte drei Mal den damaligen Warburg-Chef Christian Olearius getroffen, der sich angesichts seiner Probleme mit dem Finanzamt politischen Beistand wünschte. Und das Hamburger Finanzamt verzichtete Ende 2016 zunächst auf eine Steuerrückforderung in Höhe von 47 Millionen gegen die Bank.

Knapp ein Jahr später erteilte dann aber das damals noch CDU- geführte Bundesfinanzministerium eine Weisung, wonach der Fiskus das Geld einfordern müsse. Was dann auch geschah. Scholz bestreitet jede Einflussnahme auf das Steuerverfahren, beruft sich aber zugleich auf Erinnerungslücken zu den Treffen mit Olearius, die er erst nach und nach einräumte.

Es gibt Zweifel an Zulässigkeit des Ausschusses, weil es um Vorgänge in Hamburg geht

In der Anhörung erklärte Professor Christoph Möllers von der Berliner Humboldt-Universität jetzt, zu dem Handeln einer Bundesregierung, das von einem Untersuchungsausschuss des Bundestags untersucht werden könne, gehöre "das Handeln des Bundeskanzlers in seiner amtlichen Funktion". Die frühere Tätigkeit eines Kanzlers in einer Landesregierung unterfalle dem dagegen nicht, weil "die Kontrolle einer Landesregierung nicht dem Aufgabenbereich des Bundestags unterfällt".

Professor Heiko Sauer von der Universität Bonn betonte, der Einsetzungsantrag der Union sei "überwiegend verfassungsrechtlich unzulässig, weil er im Kern auf die unmittelbare Untersuchung von Vorgängen in der Freien und Hansestadt Hamburg und des Handelns der dortigen politisch Verantwortlichen gerichtet sei". Dass dabei "auch finanzielle Interessen des Bundes berührt seien, ändere an dem Ergebnis nichts".

Der ehemalige Ministerialdirigent Paul Glauben sagte dagegen, dass er keine derartigen verfassungsrechtliche Bedenken habe. "Ein effektives Untersuchungsrecht erfordere, dass der Untersuchungsausschuss auch Feststellungen zum Verhalten von Länderbehörden treffen könne." Die Eigenstaatlichkeit Hamburgs werde nicht berührt.

Aber wie geht es jetzt weiter? Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Fraktion, sagt, immerhin sehe die Union inzwischen ein, "dass ihr zunächst vorgelegter Antrag weitestgehend verfassungswidrig war". Die Union habe "für ihren 19 Fragen umfassenden Antrag 13 Änderungen vorgelegt, die wir auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen werden". Nach seiner vorläufigen Einschätzung handele es sich aber teilweise nur um kosmetische Verbesserungen des Unionsantrags, die für einen verfassungsgerechten Auftrag noch nicht ausreichten.

Die CDU macht klar: Für einen "Pseudo"-Ausschuss steht sie nicht zur Verfügung

Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg - er war einer der drei Abgeordneten, die Anfang April in der Bundespressekonferenz aufgetreten sind - widerspricht dem vehement. Natürlich dürfe "ein Bundesland durch die Untersuchung in seiner Eigenstaatlichkeit nicht verletzt werden", sagt er. Das sei "aber sicher nicht schon dann der Fall, wenn eine Landesverwaltung zu einem konkreten Einzelfall Akten zur Verfügung stellt und einzelne Landesbedienstete als Zeugen befragt werden".

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Middelberg bestätigt, dass die Unionsfraktion ihren Antrag "in einigen Punkten überarbeitet" habe. Aber er macht auch klar: "Einen neuen Antrag oder Änderungen am Kernanliegen unserer Untersuchung wird es nicht geben. Sollten die Ampel-Fraktionen diesen überarbeiteten Untersuchungsauftrag nicht akzeptieren, würden wir schnellstmöglich das Bundesverfassungsgericht anrufen." Für einen "Pseudo-Untersuchungsausschuss", der den Kern der Sache, nämlich die Ursachen für den ursprünglichen "Nicht-Vollzug der Steuerforderungen gegen die Warburg-Bank, nicht mehr untersuchen darf, stehen wir nicht zur Verfügung".

Es ist also gut möglich, dass am Ende das Bundesverfassungsgericht den Streit entscheiden muss. Der Steuerfall wird aber in jedem Fall weiter untersucht werden. Die für die Cum-Ex-Ermittlungen zuständige Staatsanwaltschaft Köln wirft Olearius Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen vor. Das Landgericht Bonn hat die Anklage zugelassen, der Prozess soll im September starten. Und auch dort könnte Scholz' Rolle nochmal ein Thema werden.

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